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Schlappe für Ministerin, Chance für Unis?

Studiengebühren dürfen von der Bundesregierung nicht verboten werden, entschied vor fünf Jahren das Bundesverfassungsgericht. Seitdem hat sich das Studium für viele verteuert. Insgesamt sind die Effekte der Gerichtsentscheidung aber ziemlich überschaubar.

Von Armin Himmelrath und Britta Mersch | 23.01.2010
    Im Namen des Volkes: Dem Bund ist es gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG gegenwärtig verwehrt, die Gesetzgebung der Länder durch Rahmenvorschriften auf den Grundsatz der Gebührenfreiheit des Studiums (…) zu verpflichten.

    26. Januar 2005, Karlsruhe, Bundesverfassungsgericht: Fünf Jahre ist es her, dass der Zweite Senat des obersten deutschen Gerichts entschied: Studiengebühren dürfen in Deutschland von der Bundesregierung nicht verboten werden. Denn genau das hatte die damalige SPD-Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn versucht: Sie wollte den Ländern per Bundesgesetz verbieten, von den Studentinnen und Studenten allgemeine Studiengebühren zu erheben. Sechs Landesregierungen empfanden das als Eingriff in ihre Kompetenzen und riefen das Bundesverfassungsgericht an.

    Antragstellerinnen: die Landesregierung des Landes Baden-Württemberg, die Staatsregierung des Freistaates Bayern, der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, die Landesregierung des Saarlandes, die Staatsregierung des Freistaates Sachsen und die Landesregierung des Landes Sachsen-Anhalt.

    Diese sechs unionsregierten Länder beantragen festzustellen,

    ... dass das Sechste Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom 8. August 2002 mit dem Grundgesetz unvereinbar und daher nichtig ist.

    Und so entscheidet, nach ausgiebiger mündlicher Anhörung, auch das Karlsruher Gericht an jenem Tag.
    Es ist sicherlich heute kein schöner Tag. Edelgard Bulmahn, SPD, Bundesbildungsministerin. Die Verliererin.

    "Mir kommt es darauf an, dass jetzt die Länder ihrer Verantwortung wirklich gerecht werden, und da bin ich mir mit meinen SPD-Kolleginnen und -Kollegen einig, dass wir weiterhin ein gebührenfreies Studium für richtig halten. Ich bin mir mit meinen Kollegen auch einig, dass die Länder jetzt versuchen müssen, zu einer verantwortungsvollen Regelung zu kommen und an die CDU-regierten Länder kann ich jetzt nur den Appell richten, jetzt nicht vorschnell vorzupreschen, sondern zumindest dafür zu sorgen, dass soziale Mindeststandards auch gewährleistet sind."

    Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat langfristige Auswirkungen. Es geht um nicht weniger als um das Verhältnis zwischen der Bundesregierung und den Ländern. Die Hochschulpolitik und insbesondere die Frage der Studiengebühren wurde von den klagenden Landesregierungen genutzt, um ihr föderales Selbstbewusstsein zu stärken. Dabei hatten etwa Länder wie Sachsen oder Sachsen-Anhalt gar nicht die Absicht, tatsächlich Studiengebühren einzuführen – sie wollten vor Gericht nur ihre hochschulpolitischen Zuständigkeiten verteidigen.

    Dabei war es bis vor 40 Jahren in der Bundesrepublik absolut üblich, dass Studierende mit Gebühren und einem sogenannten Unterrichtsgeld einen Teil der Kosten ihrer Hochschulausbildung übernahmen. Am 16. April 1970 beschlossen dann die Ministerpräsidenten der Länder, ab dem Wintersemester 1970 einheitlich auf Gebühren zu verzichten. Gesetzlich verankert wurde dieser Verzicht jedoch nie. 1998 lehnte der Bundestag ein Gesetz zur Gebührenfreiheit des Erststudiums ab. Daraufhin vereinbarten die Kultusminister der Länder im Mai 2000, das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss grundsätzlich gebührenfrei zu halten. Ein entsprechender Staatsvertrag wurde vorbereitet, aber nie abgeschlossen. Und als Edelgard Bulmahn dann ein paar Jahre später versuchte, trotzdem ein Verbot des Bezahlstudiums ins Hochschulrahmengesetz aufzunehmen, kam es zur Klage der Länder – und zur juristischen Klatsche für Bulmahn.

    Unter dem Aspekt gleichwertiger Lebensverhältnisse ist eine bundesgesetzliche Regelung über die Erhebung von Studiengebühren nicht erforderlich. Das Ziel, möglichst breiten Kreisen der Bevölkerung den Zugang zum Hochschulstudium zu eröffnen, erfordert eine bundeseinheitliche Regelung nicht. Auf die bildungspolitische Einschätzung der Erhebung allgemeiner Studiengebühren kommt es für das Gesetzgebungsrecht des Bundes nicht an. Ein Bundesgesetz wäre erst dann zulässig, wenn sich abzeichnete, dass die Erhebung von Studiengebühren in einzelnen Ländern zu einer mit dem Rechtsgut Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse unvereinbaren Benachteiligung der Einwohner dieser Länder führt. Dafür bestehen jedoch zurzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte.

    Heißt es in der Begründung des Urteils. Im Klartext: Über ein Verbot von Studiengebühren darf erst dann wieder nachgedacht werden, wenn die Gebühren zu uneinheitlichen Lebensverhältnissen in Deutschland führen. Die verbietet nämlich das Grundgesetz. Doch diese Bedingung sei in Wirklichkeit gar keine echte Einschränkung des Richterspruchs von vor fünf Jahren, sagt Dieter Dohmen, Direktor des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie in Berlin. Denn die Verfassungsrichter, vermutet der Wissenschaftler, könnten die echten Belastungen für die Studierenden gar nicht einschätzen.

    "Ich glaube nicht, dass wir wirklich zu einer Situation kommen, dass das Verfassungsgericht sagt: Die Bedingung sozialverträgliche Studiengebühr ist nicht erfüllt. Weil es Darlehen gibt. Und ich glaube, das dann diejenigen, die darüber urteilen, von der Realität der Studierenden und deren Befürchtungen viel zu weit weg sind, um dann zu sagen: Das ist unsozial, weil theoretisch könnte ja jeder ein Darlehen aufnehmen und damit studieren. Die Ängste, die 20jährige völlig zu Recht haben und nachvollziehbar haben, sind hinterher, wenn man eine gesicherte Beamtensituation hat, ein Beamteneinkommen, weit weg."

    Der Bildungsforscher erwartet also nicht, dass sich das Verfassungsgericht überhaupt noch einmal mit den Gebühren oder ihrem Verbot beschäftigt. Viel spannender findet Dieter Dohmen, wie verschieden sich das Urteil in den einzelnen Ländern ausgewirkt hat.
    "Die eine Entwicklung ist, dass die Hälfte der Bundesländer – oder mittlerweile nicht mehr ganz die Hälfte der Bundesländer – Studiengebühren hat, insbesondere im Westen beziehungsweise ausschließlich im Westen. Im Osten nach wie vor keine, in den SPD-geführten Ländern nach wie vor auch keine. Insofern kann man eigentlich von einer gespaltenen Republik sprechen."

    Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland – in diesen Ländern werden aktuell Studiengebühren erhoben. Doch im Saarland läuft die Regelung mit Ende des jetzigen Wintersemesters nach zwei Jahren wieder aus – so haben es die Grünen in den Koalitionsverhandlungen nach der Landtagswahl durchgesetzt. In Hamburg wurden die Gebühren – ebenfalls auf Betreiben des grünen Koalitionspartners – deutlich gekürzt und für die Studenten entschärft. Und in Hessen, wo Roland Koch zu den vehementesten Verfechtern von Studiengebühren gehört, wurden sie von der kurzzeitigen Landtagsmehrheit aus Grünen, Linken und SPD ebenfalls wieder abgeschafft und danach von Koch nicht wieder eingeführt. Dieter Dohmen:

    "Bewegung gibt es immer wieder in den Parteien, bei einzelnen Personen oder bei einzelnen Landesverbänden, das kann man immer wieder beobachten. So ist die CDU ja im Osten nach wie vor eher gegen Studiengebühren, hat sie nicht eingeführt. Gleichzeitig ist der Optimismus, der bei einigen Parteien vorherrschte, doch etwas in Zweifel übergangen, ob denn Studiengebühren wirklich das letzte Mittel sind. Ich glaube allerdings nicht, dass es wirklich ne Rückwärtsbewegung geben wird in Ländern, in denen CDU und/oder FDP sie eingeführt haben. Ich glaub eher, dass es die Rückwärtsbewegung, wenn es Regierungswechsel gibt. Also, wenn die SPD in Nordrhein-Westfalen drankäme, dann könnte ich mir das gut vorstellen. Und dann wäre hinterher tatsächlich die spannende Frage: Würde es eine erneute CDU-FDP-Regierung wieder einführen?"

    Eine Frage, die für Andreas Pinkwart, den FDP-Wissenschaftsminister in Nordrhein-Westfalen, rein hypothetisch ist. Seit dem Wintersemester 2006/2007 werden Studenten hier mit 500 Euro pro Semester zur Kasse gebeten. Eine Hochschullandschaft ohne Studiengebühren kann sich Andreas Pinkwart nicht mehr vorstellen.

    "Studienbeiträge sind für uns ein Element, um die Qualität von Studium und Lehre nachhaltig zu verbessern. Zum einen stehen den Hochschulen damit deutlich mehr Mittel zur Verfügung, die auch ausschließlich für die Verbesserung von Studium und Lehre eingesetzt werden dürfen. Und sie helfen auch, die Mentalität zu verändern – sowohl auf Seiten der Studierenden, als auch auf Seiten der Hochschullehrer, damit die Qualität von Bildung stärker in das Zentrum der gemeinsamen Aufmerksamkeit rückt."

    Denn wer zahlt, der verlangt Qualität, argumentiert Andreas Pinkwart. Und wer als Hochschule kassiert, muss auch Qualität liefern. Pinkwart ist von Haus aus selber Hochschullehrer und betont, ...

    "... dass die Hochschulen jetzt vor einer Phase stehen, nachdem sie erhebliche Verbesserungen im Bibliotheksbereich, bei der Sachausstattung et cetera haben möglich machen können, auch bei der Einstellung von Hilfskräften und anderem Personal, um Tutorien- und Mentorenkonzepte einzuführen, dass jetzt eigentlich der nächste Schritt kommen müsste, eben auch zusätzliche Professoren aus diesen Mitteln einzustellen."

    Es geht also nicht mehr um die technischen Hilfsmittel, sondern um Planstellen, die aus den Gebührentöpfen bezahlt werden. Mit solchen Maßnahmen will Pinkwart das Betreuungsverhältnis zwischen Dozenten und Studenten spürbar verbessern. Und er ermuntert die Hochschulen ausdrücklich, auf diese Weise neue Lehrstühle zu schaffen und mehr Kreativität beim Ausgeben der Gebühren zu entwickeln.

    Mehr und mehr decken die Studiengebühren damit Kosten, die früher vom Staat getragen wurden. Noch vor zehn Jahren galt es als Selbstverständlichkeit, dass Professoren direkt aus dem Landeshaushalt bezahlt werden und dass die Länder auch für die technische Ausstattung der Gebäude und Hörsäle zuständig sind. Doch mittlerweile zahlen Studenten über ihre Gebühren Beamer und neue Stühle, Bibliothekare und Professoren, ganze Vorlesungsgebäude und Teile der Heizkosten. Damit tragen die Gebühren erheblich zur Entlastung der ohnehin klammen Landeshaushalte bei. Und deshalb, sagt Dieter Dohmen, sei die Abschaffung einmal eingeführter Studiengebühren nur dann realistisch zu erwarten, wenn es ohnehin große politische Veränderungen gebe.

    "Ich glaube, die Abschaffung würde tatsächlich nur über einen Regierungswechsel laufen. Und hinterher zeigen die Arbeiten vom HIS, teilweise von uns ja durchaus auch, dass es durchaus so Abschreckungseffekte gibt, auch wenn sie vergleichsweise moderat sind. Beziehungsweise sich deutlicher bemerkbar machen, sei es beispielsweise beim Studienabbruch oder aber im Verbund mit anderen Argumenten. Also, der überzeugende Übertritt zu Studiengebühren ist meines Erachtens wirklich nicht festzustellen."

    Der Bildungsforscher plädiert für ein anderes Modell: Wer studiert, sollte nachträglich Gebühren bezahlen.

    "Nun, wir haben klassisch eingeführte Studiengebühren. Das heißt, die Leute müssen in aller Regel im Semester, wo sie studieren, zahlen. Das, was von der Mehrheit der Experten für besser gehaltene wird, dass man quasi erst nachträglich zahlt und in Abhängigkeit vom tatsächlichen Einkommen, das heißt im Bezug zu dem, was ich verdiene – wer viel verdient, zahlt viel, wer wenig verdient, zahlt wenig – vielleicht einfacher gewesen, weil damit der unmittelbare Abschreckungseffekt, glaube ich, nicht eingetreten wäre."

    Abschreckungseffekt? Nein, sagt Andreas Pinkwart, den habe es in Nordrhein-Westfalen nicht gegeben. Das Land gehörte zu den ersten Gebührenkassierern bundesweit. Und hier studiert immerhin rund ein Viertel der insgesamt zwei Millionen Studentinnen und Studenten in Deutschland.

    "Wir haben das hier in Nordrhein-Westfalen als einziges Bundesland so eingeführt, dass die Hochschulen selbst entscheiden können, ob sie Studiengebühren erheben oder nicht und wir beobachten interessanterweise, dass die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen, die keine Studienbeiträge erheben, weniger Studienanfängerzuwächse haben als Hochschulen mit Studienbeiträgen. Das gleiche beobachten wir auch zwischen den Bundesländern. Bundesländer, die Studienbeiträge erheben, wie Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg, haben einen stärkeren Zulauf als Bundesländer, die keine Studienbeiträge erheben. Also, daran sieht man, dass die Attraktivität des Studiums sich durchaus durch Studienbeiträge erhöhen kann. Und ich denke, dass bei den Studierenden, aber auch bei den Eltern letztendlich überzeugen wird, dass sich die Studienzeiten verkürzen, dass die Absolventenquoten deutlich erhöht werden konnten in den letzten Jahren und dass die Abbrecherquote sich auch verringert."

    Doch Bildungsökonom Dieter Dohmen hat andere Beobachtungen gemacht.

    "Das, was man in Teilen sehen kann, ist schon, dass die Nachfrage in den Gebührenländern latent etwas schwächer angestiegen ist als in den Nicht-Gebührenländern, und das auch die Wanderungsbewegungen deutlich schon etwas zurückgegangen sind. Also, das kann man beobachten. Insofern hat sich das Entscheidungsverhalten der Studierenden etwas verändert, das glaube ich schon. Es ist ein bisschen variabler geworden. Auf der anderen Seite: Ob man wirklich für 80 Euro im Monat lieber mehr Miete zahlt oder ganz woanders hingeht, wage ich auch ein Stück zu bezweifeln."

    Eines allerdings ist für Dieter Dohmen klar:

    "Es gibt immer wieder die Hinweise darauf, dass gerade die einkommensschwächeren Studienberechtigten auf ihr Studium verzichten."

    Eine Einschätzung, die – wenig überraschend – auch Studentenvertreter teilen. Patrick Schnepper ist Mitglied des Senats an der Universität zu Köln, außerdem engagiert er sich im Aktionsbündnis gegen Studiengebühren. Obwohl seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts etliche Länder Eintrittsgeld für die akademische Ausbildung verlangen, seien die dadurch erhofften besseren Lehrbedingungen im studentischen Alltag kaum bemerkbar, sagt Schnepper.

    "Wir stellen fest, dass sich eigentlich nicht sehr viel geändert hat. Die Ziele, die mit der Einführung von Studiengebühren verbunden wurden, sind halt nicht umgesetzt worden. Die Lehre hat sich nicht verbessert, die Mitbestimmung der Studierenden hat sich nicht verbessert, und auch die soziale Verträglichkeit, die angeblich da sein sollte, ist nicht wirklich da."

    Diese Bewertung aus studentischer Sicht kann der Berliner Bildungsökonom Dieter Dohmen zumindest teilweise nachvollziehen.

    "Vielleicht sind die Hochschulen in den Ländern, wo Gebühren eingeführt worden sind, finanziell etwas besser dran. Sie haben etwas größere Spielräume. Ich kann jetzt nicht beobachten, dass die Qualität in den Gebührenländern per se besser ist als in den Nicht-Gebührenländern, wobei man natürlich sagen muss: Es sind zwei, drei Jahre, seitdem sie eingeführt worden sind, und ob sich in der Zeit schon die Entwicklung so einstellen kann, wie man sie dann erwartet, muss man wirklich abwarten."

    Während Dohmen also für abwartende Gelassenheit plädiert, um dann erneut Bilanz zu ziehen und die Auswirkungen zu beobachten, haben es die politischen Akteure deutlich eiliger, zu ihren Urteilen zu kommen. So setzt Studentenvertreter Patrick Schnepper mit Blick auf andere Bundesländer darauf, dass Bildungsthemen so wichtig werden, dass sie Wahlen entscheiden können.

    "Wir haben im kommenden Mai Landtagswahlen. Die Stimmen in der Bevölkerung sprechen sich eigentlich auch mehrheitlich gegen Studiengebühren aus, weil eben auch die Ziele, die damit verbunden waren, nicht wirklich erreicht worden sind. Ich denke, dass da noch einiges drin ist. Im Saarland sieht man's gerade, und auch Hessen hat's gezeigt, dass man Studiengebühren auch wieder rückgängig machen kann."

    Die Hoffnung der studentischen Vertreter konzentriert sich deshalb ganz auf die nordrhein-westfälische Landtagswahl im Mai. Christina Schrandt, Bundesgeschäftsführerin beim Aktionsbündnis gegen Studiengebühren:

    "Das hat einfach keine Mehrheit in der Gesellschaft. Gerade in Hessen die Proteste haben gezeigt, dass auch Eltern mit auf die Straße gegangen sind, ältere Leute mit auf die Straße gegangen sind, sich dagegen gewehrt haben. Wenn man sich anschaut, jetzt im letzten Jahr mit dem Bildungsstreik und den ganzen Studi-Protesten, wird das vor allen Dingen jetzt vor den Wahlen eine große Rolle spielen, wird ein großes Thema sein."

    Denn aus studentischer Sicht taugt das Thema Studiengebühren auch als gute Motivation für die Proteste des laufenden Wintersemesters, die jetzt möglichst weit ins Frühjahr hinein fortgesetzt werden sollen. So wird etwa für den kommenden Samstag zu einer bundesweiten Demonstration in Frankfurt am Main aufgerufen. Doch stehen beim sogenannten Bildungsstreik nicht in Wirklichkeit die schlechten Studienbedingungen im Mittelpunkt? Und die Studiengebühren spielen nur eine Nebenrolle? Christina Schrandt:

    "Vielleicht hat es den Anschein, aber: Gebühren, das ist ein sehr wichtiges Thema, auch für Schüler und Schülerinnen, die nach ihrem Abschluss auch ein Studium aufnehmen möchten, aber das eher so sehen, dass sie es im Moment nicht können – durch die Gebühr."

    Bildungsforscher Dieter Dohmen widerspricht.

    "Wenn man sich die Proteste anguckt, dann ist das Kernthema ja eigentlich die Bachelor-Master-Reform, nicht das Thema Studiengebühren. Insofern sind die Studiengebühren virulent, aber sie haben offenkundig nicht Schlagkraft, dass sie zu einer Massenbewegung werden oder als das Kernargument einer stärkeren Bewegung dienen, und insofern glaube ich, dass sich das irgendwo ein Stück – ich vermute sogar: ein Stück totgelaufen hat, auch wenn im Einzelfall vielleicht eine Landesregierung darüber gestürzt ist."

    Das Gebührenurteil habe in den vergangenen fünf Jahren zwar das Studium für viele Studenten verteuert, sagt Dieter Dohmen. Doch insgesamt seien die Effekte dieser hochschulpolitisch so wichtigen Gerichtsentscheidung bisher ziemlich überschaubar.

    "Es hat eigentlich ein bisschen zu Unsicherheit geführt, weil im Prinzip jedes Bundesland einführen könnte – ein Teil hat davon Gebrauch gemacht – aber gleichzeitig die parteipolitischen Linien wenig aufgebrochen. Also, die einzige Partei, die sich in der Tat bewegt hat, sind die Grünen, die in Hamburg die Gebühren mittragen, in anderen Bundesländern oder auf Bundesebene sie ablehnen. Aber ansonsten ist die klare Front von CDU – dafür, FDP – latent dafür, SPD – dagegen, Linke – dagegen, Grüne – eher dagegen eigentlich nicht aufgebrochen."

    Folgt aus der Nichtigkeit des § 41 Abs. 1 Satz 1 HRG n.F. die Nichtigkeit der gesamten Vorschrift, bedürfen ihre weiteren Regelungen keiner gesonderten verfassungsrechtlichen Würdigung.