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Schlau und dennoch arbeitslos
Stiftung betreut Hochbegabte

Seit gut einem halben Jahr gibt es sie: die Dr. Farassat Stiftung in Veitshöchheim. Ihr Ziel ist es, hochbegabte Menschen zu fördern, deren Talente im Verborgenen schlummern. Denn wer glaubt, dass Hochbegabte immer auch erfolgreich durchs Leben gehen, der irrt.

Von Frank Breitenstein | 03.01.2017
    Ein achtjähriger Junge träufelt Kokosfett in ein Gefäß mit Leitungswasser, zwei andere Jungs schauen ihm dabei zu. Die Kinder tragen Schutzbrillen.
    Kinder, die hochbegabt sind, langweilen sich schnell in der Schule. (dpa / Roland Holschneider)
    "Ich war an der Uni und hab versucht zu studieren, aber es ging einfach nicht."
    "Ich hab ne abgeschlossenen Ausbildung, hab auch angefangen zu studieren. Hab gemerkt, dass das weniger was für mich ist, dass das System Universität für mich nicht das Richtige ist und war jetzt dreieinhalb Jahre im Arbeitsleben, wo ich sehr stark angeeckt bin." - "Die Schule war langweilig. Der Unterricht war nicht anspruchsvoll genug. Ich hab lieber aus dem Fenster geguckt und geträumt. "
    Drei junge Menschen, drei vergleichbare Karrieren: Sie sind hochbegabt. Doch im Alltag finden sie sich nur mit Mühe zurecht. Anna Lisa Imkeller quälte sich als Kind durch die Schule. Der Unterricht regte sie nicht an, sondern auf. Und sie stellte sich stur. Niemand erkannte ihre Hochbegabung. Nach der mittleren Reife lernte sie Fachinformatikerin. Aber so richtig voran ging es für die heute 26-Jährige danach nicht.
    "Ich war nach der Ausbildung zwei Jahre lang arbeitssuchend und habe in der Zeit mehrere Praktika gemacht, in denen ich natürlich durch meine mangelnde Sozialkompetenz überhaupt keine Chance hatte Fuß zu fassen."
    Verschüttete Schätze heben
    Seit letzten Juni gehörte Anna Lisa zu den ersten drei Stipendiaten der Dr. Farassat Stiftung in Veitshöchheim. Die hat sich zum Ziel gesetzt, die verschütteten Schätze von blockierten Hochbegabten zu heben und für die Gesellschaft nutzbar zu machen.
    Das hieß zunächst 3 Monate lang intensives Coaching. Täglich 7 Stunden, von Montag bis Freitag. Einzeln und in der Gruppe. Persönlichkeitstrainerin Ursa Maria Kahn setzt dort an, wo sich die jungen Erwachsenen buchstäblich selbst im Weg stehen. Ein wichtiger Teil ihrer Arbeit geschieht beim Gestalten mit Pinsel und Farbe.
    "Es ist eine umgesetzte Form von Sprache, die aber keine Worte hat. Und gerade wenn in uns Dinge sind, die wir keinem mitteilen möchten und uns vielleicht auch selber noch gar nicht zugestehen, ist es die Möglichkeit, mit Farbe das auf das Blatt zu bringen."
    Sich trauen, doofe Fragen zu stellen
    Auch Anna Lisa hat im letzten halben Jahr viele Bilder gemalt, mit der Trainerin an ihrem Selbstwertgefühl gearbeitet und im Team ein fiktives Projekt entwickelt. Offenbar mit Erfolg.
    Denn arbeitet sie in einer Werbeagentur. Und scheint erstmals angekommen.
    "Ich trau mich jetzt auch mal, doofe Fragen zu stellen. Also von denen ich annehme, sie wären doof. Das Miteinander mit anderen Menschen ist für mich viel einfacher geworden, weil ich auch selbstbewusster geworden bin. Weil ich erfahren hab, dass mich keiner frisst, wenn ich den Mund aufmache."
    Erfolg allen Unkenrufen zum Trotz
    Auch ihre beiden Mitstreiter, zwei junge Männer, haben inzwischen wieder Tritt gefasst. Für Reinhard Foegelle, den Geschäftsführer der Stiftung steht daher fest: Nach dem ersten Durchlauf kann sich die Bilanz durchaus sehen lassen. Trotz aller Unkenrufe.
    "Es gab Menschen, die sogar gesagt haben, das ist eine Geldverbrennungsmaschine von Doktor Farassat. Das hat mich tief getroffen. Weil die Intention, wirklich Menschen zu helfen, die im Prinzip keine Lobby haben, die Intention von Doktor Farassat, Frau Kahn und mir ist. Und das Ergebnis nach einem halben Jahr zeigt uns, dass die Früchte der ersten Saat geerntet werden können."
    Kurz und bündig bringt Anna Lisa ihren persönlichen Erfolg auf den Punkt.
    "Wenn ich nicht die Stiftung gehabt hätte, würde ich auf dem Sofa sitzen und mich langweilen."