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Schlaue Kameras

Die meisten Bilder, die Überwachungskameras liefern, ändern sich kaum: ein Supermarktregal, ein Parkplatz, oder ein Tresorraum, in denen nichts passiert. Dennoch liefern die Kameras einen ständigen Bilderstrom, der übertragen, gespeichert und ausgewertet werden muss. Verschwendung, sagen Wissenschaftler und entwickeln Kameras, die selbst entscheiden, was interessant ist. 125 Forscher, die sich mit solchen so genannten Smart Cameras beschäftigen treffen sich in dieser Woche in Wien.

Von Thomas Reintjes | 26.09.2007
    Die Bilderflut zentralistischer Überwachungssysteme lässt Personal und Technik schnell an Grenzen stoßen. Kaum jemand kann riesige Monitorwände wirklich überblicken, die Kosten für Übertragung und Speicherung der Videos sind hoch. Schlaue Kameras dagegen nehmen zwar Bilder auf, behalten diese aber für sich. Die Kameras, von denen bereits Prototypen existieren, werten die Bilder selbst aus und löschen sie dann direkt. Was die Kamera verlässt sind nur abstrakte Daten.

    " Gestürzte Person in Zimmer 618.
    Geisterfahrer auf der A7.
    Graffiti-Sprayer am Bahnhof. "

    Forscher planen nicht nur, Kameras mit einer gewissen Intelligenz auszustatten, sodass sie Bilder selbst analysieren können. Zusätzlich wollen sie die Kameras miteinander vernetzen, sodass ihr Einsatz nicht mehr von einem zentralen Server abhängig ist. Die einzelnen Kameras sollen dabei Wissen über das gesamte Netzwerk oder über ihre Nachbarkameras haben, erklärt Bernhard Rinner, Professor an der Universität Klagenfurt:

    " Typischerweise muss man hier einen recht aufwändigen, so genannten Kalibrierungsschritt setzen, dass sich die Kameras untereinander quasi ihren Ort mitteilen, dass sie sich das Gesichtsfeld abgleichen und ähnliches. Das ist eine sehr aufwändige und eine sehr rechenintensive Tätigkeit. Und gerade in diesem Bereich sind derzeit viele Forschungsfragen, wo man versucht, diese Kalibrierung der multiplen Kamerasysteme zu automatisieren, sodass ich keinen Experten mehr vor Ort brauche, um diese Kalibrierung durchführen zu müssen. "

    Wenn mehrere Kameras ein und dieselbe Szenerie aus verschiedenen Blickwinkeln aufnehmen und die Informationen untereinander austauschen können, dann hilft das der Elektronik bei der Auswertung. Denn Computer haben oft Schwierigkeiten, Bilder richtig zu interpretieren. Ob die Algorithmen nun in Computern oder in Kameras arbeiten, sie haben mit einer Reihe von Unwägbarkeiten zu kämpfen. Hamid Aghajan, Forscher an der US-Universität Stanford:

    " Computersehen ist immer noch ein ungelöstes Problem. Es gibt so viele Umwelteinflüsse: von der Beleuchtung über sich bewegende Hintergründe bis zu Farbveränderungen je nach Szene oder Person und Unterschiede in den Bildsensoren der Kameras. In nächster Zeit müssen wir diese Probleme lösen und die Problemlösungen aus dem Labor in die echte Welt übertragen. "

    Es wird also noch einige Zeit vergehen, bis Netzwerke von schlauen Kameras eine breite Anwendung finden. Für spezialisierte Einsatzzwecke eignen sich die Prototypen aber schon jetzt. So gibt es beispielsweise Versuche mit den so genannten smart cams in der Verkehrsüberwachung. Eine große Zukunft sehen die Wissenschaftler für ihre Entwicklungen auch in Computerspielen, die so dem Spieler völlige Bewegungsfreiheit erlauben würden. Und im so genannten "assisted living" könnten die schlauen Kameras etwa alte Menschen beobachten und im Notfall eine Meldung absetzen. Doch unterscheiden zwischen einer gestürzten Person und einer Person, die nur Liegestütze macht, das ist noch schwierig für Computeraugen. Hamid Aghajan will die Intelligenz der Kameras daher noch weiter vorantreiben und sich dabei am menschlichen Vorbild orientieren.

    " Wir müssen das Netzwerk intelligenter machen, indem es aus früheren Beobachtungen Schlüsse zieht. Genau so machen es die Menschen: Wir lernen, indem wir Ereignisse beobachten. Und je öfter wir etwas beobachten, desto vertrauter wird es uns und wir können es beschreiben. Wenn wir dem Kameranetzwerk beibringen, das bisherige Verhalten der beobachteten Person zu berücksichtigen und vielleicht auch andere Daten auszuwerten, etwa die Stimme, dann hätten wir vielleicht ein intelligentes Netzwerk für echte Anwendungen. "