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Schlecht beraten

In Rheinland-Pfalz ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen CDU-Landesparteichef Christoph Böhr. "Verdacht auf Untreue" lautet der Vorwurf. Es geht um unerlaubte Zahlungen an einen Unternehmensberater, der Böhrs Wahlkampfreden geschrieben haben soll: Carsten Frigge. Dieser ist mittlerweile Finanzsenator in Hamburg.

Von Verena Herb | 20.05.2010
    "Ich freue mich sehr, Ihnen heute die Erwartungen der Mai-Steuerschätzung für Hamburg 2010 vorstellen zu können. Auch, wenn die Ergebnisse dieser Steuerschätzung alles andere als erfreulich sind."

    Hamburgs Finanzsenator geht seinen Geschäften nach: Landespressekonferenz am Dienstag. Bis 2013 drohen dem Stadtstaat deutliche Steuerrückgänge um 143 Millionen Euro.

    "Sie sehen also, die Situation wird nicht viel besser."

    Carsten Frigge wirkt relativ entspannt. Die äußere Ruhe legt sich aber, als eine Journalistin den Senator fragt, ob er in den letzten Tagen über einen Rücktritt vom Amt des Finanzsenators nachgedacht hat.

    "Also, ich darf Sie darauf hinweisen, dass bisher noch niemand meinen Rücktritt gefordert hat. Erstens. Zweitens ist der öffentliche Druck das eine, die andere Angelegenheit ist ja die Frage, wie man selber eine solche Angelegenheit beurteilt. Und ich habe hier ein außerordentlich reines Gewissen."

    Carsten Frigge ist gerade einmal sechs Wochen im Amt, da durchsuchen Polizeibeamte auf Anweisung der Staatsanwaltschaft Mainz seine Wohnungen in Hamburg und Berlin. Eine Hausdurchsuchung bei einem amtierenden Senator, das hat es in der Hansestadt noch nie gegeben.

    Belastet wird Frigge von Markus Hebgen, dem ehemaligen CDU-Fraktionsgeschäftsführer im rheinland-pfälzischen Landtag. In einem sieben Seiten langen Brief an die Staatsanwaltschaft Mainz behauptet Hebgen, Frigge habe 2006 als Geschäftsführer der Beratungsfirma C4 Consulting im Team vom CDU-Spitzenkandidat Christoph Böhr Wahlkampf gemacht und sei dessen engster Berater gewesen. Carsten Frigge sagt:

    "Ich habe ein außerordentlich reines Gewissen, und es heißt ja nicht nur in den Sprichwörtern, dass das ein gutes Ruhekissen sei. Ich bin ganz sicher, wie das ausgehen wird: Deswegen ist die Belastung... also, es ist unerfreulich, das ist ja gar keine Frage, aber ich sehe in keiner Weise, dass es mich in meiner Tätigkeit beeinträchtigt."

    Hamburgs erster Bürgermeister, Ole von Beust, stützt seinen Finanzsenator und gerät dadurch selbst in die Kritik. Denn die Affäre in Mainz war bekannt, als er Frigge Ende März zum Senator machte. Nachgefragt hat von Beust dort vermutlich nicht.

    "Hier ist es ja so, dass der Durchsuchungsbeschluss vom Februar stammt. Ich kannte ihn nicht. Als ich ihn vorgeschlagen habe, kannte ich ihn nicht. Ein Ermittlungsverfahren gegen Herrn Frigge gab es nicht. Das heißt - es gab Gerüchte, es gab Klatsch, es gab Berichte - aber ohne Substanz."

    In der Bürgerschaft irritiert viele, dass von Beust seinen Parteifreund trotz der Gerüchte, des Klatschs und der Berichte ins Amt gehoben habe. Verwirrung auch in den eigenen Reihen.

    "Der Bürgermeister ist, ich meine, schon bei der Ernennung zum Staatsrat ein gewisses Risiko eingegangen. Mit diesem Risiko wird die Stadt leben müssen. Ich bin ganz sicher, dass der Bürgermeister dieses Risiko eingegangen ist und gesehen hat, was daraus werden kann. Nun muss man die Konsequenzen abwarten","

    ... meint der Hamburger Jura-Professor und ehemalige CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Ulf Kaspen. Die größte Oppositionspartei im Landesparlament fordert den Rücktritt des Finanzsenators. Michael Neumann, Fraktionschef der SPD:

    ""Aus meiner Sicht ist nun die Entscheidung zu treffen, dass - während ein Ermittlungsverfahren gegen einen Hamburger Senator läuft, das Amt ruhen muss."

    So sieht es auch Joachim Bischoff, Bürgerschaftsabgeordneter der Linken.

    "Wenn er da in ein längeres Verfahren verwickelt ist, dann bleibt überhaupt gar kein anderer Weg übrig, als dass der Bürgermeister einen anderen Finanzsenator beruft."

    Ole von Beust ist angeschlagen. Die Kostenexplosion des neuen Hamburger Wahrzeichens Elbphilharmonie sowie der Volksentscheid zur umstrittenen Schulreform im Juli, hat sein schwarz-grüne Bündnis ins Straucheln gebracht. Seine Beliebtheitswerte liegen zurzeit hinter denen seines Konkurrenten von der SPD.

    Als Ende März überraschend Finanzsenator Freytag zurücktritt, darf keine Lücke entstehen. Die CDU ist schon nervös genug. Beust präsentiert schnell einen Nachfolger, seinen politischen Vertrauten, den er nach der Bürgerschaftswahl 2008 als Staatsrat nach Hamburg geholt hat: Den 46-jährigen Frigge. Eine clevere Wahl, denken damals viele. Denn der ist unverbraucht, nicht in sämtliche Hamburger Netzwerke verstrickt und somit der richtige Mann für das harte Sparprogramm.

    Pikant: Böhrs einstiger Fraktionsgeschäftsführer, Hegben behauptet, von Beust habe seinem Parteifreund Böhr den Berater Frigge empfohlen.

    ""Dass Herr Böhr und der erste Bürgermeister der Stadt drüber gesprochen haben, ist ja völlig unstrittig. Das sagt ja auch der erste Bürgermeister. Aber ich war weder dabei, noch weiß ich, wie das im Einzelnen abgelaufen ist","

    … erklärt Carsten Frigge. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe zur Untreue. Zunächst jedoch steht Christoph Böhr im Fokus der Behörden. Hamburgs Senator wird sich wohl so lange auf seinen Job konzentrieren - die prekäre Finanzlage der Hansestadt.