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Schlechte Sicht durch frischen Wind

Eigentlich tolerieren die Einwohner Dänemarks die vielen Windräder in ihrem Land. Wenn die hohen Türme aber allzu nah an ihrer Haustür stehen, hört der Spaß meist auf. Nun können Bürger, denen Riesenpropeller die Sicht versperren, damit sogar Geld verdienen.

Von Ralph Ahrens | 21.10.2009
    Das Himmerland im Norden Dänemarks ist eine leicht wellige Hügellandschaft. Landwirte bauen Mais, Roggen und Gerste an, auf den Weiden grasen Kühe – und viele Windräder liefern Strom. Dort – östlich von Farsø – leben auch Jan und Lænæ Madsen. Wie die meisten Dänen auch, mögen sie Windräder. Lænæ Madsen:

    "Ja, ich finde Windräder sehr gut – aber ich mag nicht direkt neben ihnen wohnen."

    Noch stören keine Windräder die freie Sicht aus ihrem Wohnzimmer. Doch das wird sich ändern. Der dänische Windparkbetreiber Wind 1 will nächstes Jahr im Svaldrup Kær – einer feuchten Wiese 600 Meter vor ihrer Wohnung entfernt – sechs Windräder aufstellen. Weil die bis zu 140 Meter hohen Windräder den freien Blick stören werden, wird die Familie Madsen entschädigt. Das freut Lænæ Madsen:

    "So können wir Nachbarn die Windräder leichter akzeptieren. Denn errichten sie die Masten ohne unser Einverständnis, wäre es so, als ob uns irgendwer ungefragt etwas über unsere Köpfe stülpt. Die Sache mit dem finanziellen Ausgleich ist schon gut so."

    Wie hoch Windanlagenbetreiber die Anwohner, deren Grundstück durch die Windräder an Wert verliert, entschädigen muss, sollen sie selber aushandeln. Das schreibt das dänische Gesetz über Erneuerbare Energien seit Anfang 2009 vor. Scheitert ein derartiges Gentlemen's Agreement, schlichtet eine unabhängige Schiedsstelle. Die Familie Madsen konnte sich gütlich mit dem Betreiber einigen.

    "Zuerst wollte der Betreiber allen Anwohnern 50.000 dänische Kronen geben. Wir wollten aber 250.000 Kronen! Dann hat uns ein Vertreter besucht und gesehen, dass unsere Sicht wirklich beeinträchtigt werden würde. Wir haben verhandelt und uns am Ende geeinigt."

    ... und zwar auf 185.000 Dänische Kronen, also knapp 25.000 Euro. Insgesamt gab es mit sieben Anwohnern ein Gentlemen's Agreement. In drei Fällen musste die Schiedsstelle entscheiden. Was Anwohner wie die Madsens freut, ärgert die dänische Windkraftbranche. Rune Birk Nielson, Pressesprecher des Dänischen Windindustrieverbandes:

    "Im schlimmsten Fall erhöht es die Bürokratie derart, dass Investoren vor der Finanzierung zurückschrecken. Es ist also der Windenergie in Dänemark sicherlich nicht förderlich."

    Die Windindustrie ist aber mit der Bürgerbeteiligung – der zweiten Neuheit, die die dänische Regierung in das Gesetz für Erneuerbare Energien hineinschrieb – einverstanden. Bürger aus Nachbarkommunen dürfen bis zu 20 Prozent der Anteile am jeweiligen Projekt erwerben. Rune Bierk Nielson.

    "Es ist ein guter Ansatz! Ich glaube, das erhöht die Akzeptanz für Windräder. Will ein Investor etwa fünf Anlagen errichten, können die Bürger quasi eine von ihnen kaufen."

    Diese Möglichkeit findet in Dänemark großen Anklang – auch bei Lænæ Madsen in Farsø:

    "Zu sehen, der Wind weht, und zu wissen, dabei Geld zu verdienen, das ist doch klasse. Und so eine Beteiligung wird es für uns auch einfacher machen, Haus und Grundstück irgendwann mal zu verkaufen."