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Schlechte Stimmung zwischen Deutschland und Russland

Zwischen deutschen und russischen Politikern herrscht kurz vor Beginn des Petersburger Dialogs in Moskau und der deutsch-russischen Regierungskonsultationen schlechte Stimmung. Grund dafür ist Deutschlands Kritik an Wladimir Putins restriktiver Politik, die Russland jedoch als "nicht konstruktiv" bezeichnet und zurückweist.

Von Gesine Dornblüth | 14.11.2012
    Kurz vor Beginn des Petersburger Dialogs und der deutsch-russischen Regierungskonsultationen spitzt sich der Ton zwischen den Hauptstädten zu. Außenminister Westerwelle hat in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung Anfang der Woche angekündigt, Berlin werde die Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten in Russland "sehr genau beobachten".

    Die Retourkutsche kam prompt. Der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma, Vjatscheslaw Nikonow sagte der russischen Zeitung Kommersant, Moskau werde seinerseits "genau verfolgen, wie in Deutschland und anderen Staaten der EU die Menschenrechte eingehalten" würden.

    Wladimir Grinin, Botschafter Russlands in Deutschland, hatte die Kritik des Bundestages an der russischen Politik bereits am Freitag zurück gewiesen. Sie sei "nicht konstruktiv". Russische Regierungskritiker kennen diese Formulierung seit langem. Arsenij Roginskij von der Menschenrechtsorganisation Memorial:

    "Die Regierungen haben hier schon immer, schon vor der Oktoberrevolution von 1917, während der Sowjetzeit und auch in den letzten 20 Jahren, sehr empfindlich auf Kritik aus dem Westen an der Innenpolitik reagiert. Es hieß immer, die Kritik sei feindlich und nicht konstruktiv. Das bedeutet nichts anderes als: Ich will das nicht hören. Der Vorwurf, nicht konstruktiv zu sein, ist eine Ausrede, die dazu dient, nicht darüber nachdenken zu müssen, wohin die russische Regierung das Land mit ihren Maßnahmen gegen die eigene Bevölkerung treibt."

    Der russlandkritische Beschluss des Bundestages geht auf Andreas Schockenhoff, den Russlandbeauftragten der Bundesregierung, zurück. Die Regierung Russlands will Schockenhoff nun nicht mehr als offiziellen Gesprächspartner akzeptieren.

    Während die Stimmung zwischen russischen und deutschen Politikern sinkt, laufen die wirtschaftlichen Beziehungen wie geschmiert. 6500 deutsche Unternehmen sind nach Angaben der Auslandshandelskammer in Russland aktiv. Die deutschen Exporte nach Russland stiegen in diesem Jahr bis Ende August um mehr als 14 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Auch die Importe aus Russland wuchsen. Deutschland bezieht Öl und Gas aus Russland. Russland seinerseits braucht dringend Investitionen und Know-how und setzt dabei auf deutsche Qualität. Bernd Hones, Lobbyist der deutschen Wirtschaft in Moskau, schwärmt dementsprechend von den Chancen für deutsche Geschäftsleute.

    "Russland ist das rohstoffreichste Land der Welt. Deswegen sind die Absatzchancen unglaublich attraktiv, und wahrscheinlich auf keinem anderen Land der Welt werden sich soviel Absatzchancen für deutsche mittelständische Unternehmen im Rohstoffsektor ergeben wie hier in Russland."

    Aus der Diskussion um die Menschenrechte in Russland halten sich die Wirtschaftsvertreter in der Regel heraus. Der Vorsitzende des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes, zum Beispiel, distanzierte sich am Sonnabend von der Bundestagsresolution. Er sei dagegen, die Freiheits- und Menschenrechte in Russland mit westlichen Maßstäben zu beurteilen. Und oft heißt es aus Kreisen der Wirtschaft, die Kritik an Russland bringt ohnehin nichts, sondern belaste die Beziehungen nur unnötig. Der russische Menschenrechtler Arsenij Roginskij meint dazu:

    "Vielleicht hat der Beschluss des Bundestages keinerlei praktischen Nutzen. Gut möglich, dass die russische Regierung keinen Deut von ihrer Position abrückt. Aber das Dokument ist moralisch wichtig. Es zeigt, dass die deutsche Politik von den gleichen Werten ausgeht wie die russische Zivilgesellschaft. Das ermutigt uns sehr."

    Unabhängig von den politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen sind die kulturellen und menschlichen Beziehungen zwischen den Ländern so eng wie nie. Es gibt zahllose Schüleraustausche, Städtepartnerschaften, Freiwilligenprogramme. Zurzeit finden das Deutschlandjahr in Russland und das Russlandjahr in Deutschland statt – mit Hunderten Kulturveranstaltungen.