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Schlechte Umfragen, schlechte Stimmung

Unmittelbar vor dem Beginn des Parteitags von Labour in Brighton am 22. September sind die Umfragewerte der Oppositionspartei so schlecht wie nie. Vor einem Jahr noch lag Labour 14 Prozentpunkte vor den regierenden Konservativen. Jetzt liegen beide Parteien gleich auf.

Von Jochen Spengler | 20.09.2013
    Das hat noch gefehlt. Nach einem Sommer des Missvergnügens für Ed Miliband, den Oppositionsführer und Chef der Labour-Partei, miserabler Umfrageergebnisse - unmittelbar vor dem Beginn des diesjährigen Parteitags in Brighton. Vor einem Jahr noch lag die oppositionelle Labour-Partei satte 14 Prozentpunkte vor den regierenden Konservativen. Jetzt herrscht Gleichstand – beide liegen bei jeweils 36 Prozent.

    Das ist für eine Oppositionspartei 18 Monate vor der Wahl viel zu wenig, um einen Wechsel realistisch erscheinen zu lassen. Doch Labour hat es sich selbst zuzuschreiben: Kaum jemand weiß, wofür die Partei eigentlich steht. Es war nicht bloß Rhetorik, als Vizepremier Nick Clegg vor wenigen Tagen seine Liberaldemokraten auf ihrem Parteitag höhnisch fragte:

    "Wer hier kennt Labours Schulpläne - irgendeiner? Wohlfahrt? Was würden sie für das Gesundheitssystem tun? Für die Industrie? Gegen Verbrechen. Nein?"

    Tatsächlich hat die sozialdemokratisch orientierte Labour-Partei bislang nichts vorgelegt, wohl aber gegen alle Einsparmaßnahmen der Regierung gestimmt, immer mit der Begründung, deren Sparpolitik ginge zu weit und zu rasant. Keine Strategie, nur eine Taktik ist erkennbar, und die Vermutung des Liberalen-Chefs Clegg dürfte so falsch nicht sein:

    "Labour hat keine Vision für Großbritannien vorgelegt, weil sie nicht geglaubt haben, dass sie es müssten. Sie haben die letzten drei Jahre träge damit verbracht, zu hoffen, dass unsere Sparpolitik die Wähler schon in ihre Arme treiben würde."

    Doch dies erweist sich als ein fataler Irrtum. Statt zu scheitern, trägt "Austerity" erste Früchte und die Wirtschaft nimmt langsam Fahrt auf, wovon die Regierungsparteien 2015 profitieren dürften. Hinzu kommt, dass der Labour-Vorsitzende Ed Miliband nicht überzeugt.

    Seine Werte sind schlecht, sagt der Meinungsforscher Peter Kellner.
    Etwa bei Minus 30. Typischerweise sagen etwa 25 Prozent, er macht’s ganz gut, aber 55 Prozent sagen, er macht’s schlecht. Und der Rest kennt ihn nicht oder sagt: Weiß nicht. Es gibt kein Zeichen irgendwelcher Besserung.

    Der erst 43-jährige Ed Miliband gilt vielen als zu zaudernd und wenig charismatisch. Oder, wie es sein Parteifreund, der Abgeordnete George Mudie, ernüchtert beschreibt:

    "Eins von Eds Problemen ist wirklich, dass er jung ist. Ich glaube, Ed versucht noch immer, sich selbst zu finden, und manchmal macht er Sachen, von denen er glaubt, ein Anführer müsse sie tun, statt seinem eigenen Urteil und Glauben zu folgen."

    Womöglich gehört dazu auch, dass er sich nun ausgerechnet mit jenen angelegt hat, die ihn gegen seinen populären Bruder vor drei Jahren ins Amt hievten: die mächtigen Gewerkschaften, die größten Geldgeber der Partei. Nach umstrittenen Stimm-Manipulationen zugunsten gewerkschaftsnaher Parlamentskandidaten kündigte Miliband im Frühjahr an, das Verhältnis zu den Unions reformieren zu wollen:

    "Ich bin ganz klar gegen solche Praktiken. Es ist falsch und eine schlimme, falsche Vorgehensweise, dass die Stimmen von Mitgliedern ohne ihr Wissen abgegeben werden; ich werde ohne Angst oder Gefälligkeiten, sondern im Namen von Transparenz und Fairness handeln, wenn es um die Auswahl von Kandidaten geht und die Art, wie die Labourpartei geführt wird."

    Drei Millionen Gewerkschaftsmitglieder sind automatisch bei Labour angegliedert – oft ohne ihr Wissen; für sie führen die Unions jährlich 8 Millionen Pfund Mitgliedsbeiträge an die Partei ab und haben dafür Stimmrechte. Das will Miliband ändern, doch Anfang dieses Monats warb er vor dem Gewerkschaftskongress nur noch halbherzig für die Abschaffung der kollektiven Mitgliedschaften.

    "Ich möchte, dass jedes einzelne angegliederte Mitglied ein tatsächlicher Teil unserer Partei wird, eine Stimme, die auf der aktiven Entscheidung beruht, unser individuelles Mitglied zu sein. Dann können wir eine Labour-Partei nicht von jetzt 200.000 Mitgliedern werden, sondern von 500.000 und vielen mehr."

    Der Beifall für Miliband war überschaubar. Denn der Preis für die Reform wäre der Machtverlust der Gewerkschaften, was der Labourchef erst gar nicht anzusprechen wagte. Die Unions verfügen über ein Drittel der Stimmen bei der Wahl des Parteichefs und können auf Parteitagen en bloc abstimmen, je nach Gusto der Gewerkschaftsbosse. Kein Wunder, dass sie nicht kampflos aufgeben und den Parteitag in Brighton zur Gegenwehr nutzen wollen. Eine Gewerkschaft kündigte schon an, statt bislang 1,2 Millionen Pfund nur noch 150.000 an Labour überweisen zu wollen. Wenn andere Unions nachziehen, dürfte sich der Kampf als eine Nummer zu groß für Ed Miliband erweisen.