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Schleswig-Holstein
Bauingenieure händeringend gesucht

Massive Nachwuchsprobleme hat der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr in Schleswig-Holstein. Infrastruktur-Planer sind wegen des derzeitigen Baubooms überall gefragt - doch die Bedingungen in der freien Wirtschaft sind für viele verlockender als in der Verwaltung. Ein neuer Studiengang in Kiel soll Abhilfe schaffen.

Von Johannes Kulms | 19.10.2017
    Birger Böll
    Bauingenieur Birger Böll ist seit vergangenem Herbst verbeamteter Planer beim LBV (Deutschlandradio/Johannes Kulms)
    LBV - dieses Kürzel steht für Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr. Der LBV Schleswig-Holstein hat nicht nur einen sperrigen Namen - sondern auch massive Nachwuchsprobleme. Ein kleiner Werbefilm soll Abhilfe schaffen.
    "Wir machen die Planung, schreiben die Maßnahme aus, begleiten die Baudurchführung, machen die Abnahme und geben den Verkehr frei - da ist richtig Ingenieurgeist gefragt."
    Den Clip hat die schleswig-holsteinische Landesregierung produzieren lassen. Im kommenden Jahr soll er in die Kinos kommen.
    Aus der Privatwirtschaft zur Behörde
    Birger Böll muss nicht mehr angeworben werden. Der im Video in Szene gesetzte 33-jährige Bauingenieur ist seit vergangenem Herbst verbeamteter Planer beim LBV. Und hat so manches Klischee überdacht.
    "Als ich noch in der Privatwirtschaft war und am überlegen war, ob ich in die Verwaltung gehe, da denkt man vielleicht auch in Klischees, ne? Beamte sind faul."
    In seinem Büro hängt eine großflächige Bauskizze an der Wand - ein künftiger Autobahnabschnitt. Bei solchen Projekten prüft Böll die Entwürfe von Kollegen in technischer Hinsicht wie auch mit Blick auf die Finanzierung. Erst wenn die Genehmigung da ist, können die entsprechenden Projekte ausgeschrieben werden.
    "Also, wir haben hier natürlich immer vor dem Hintergrund, dass wir mit Steuergeldern umgehen, gewisse Hürden zu nehmen. Wir müssen wirtschaftlich arbeiten, das sind eben auch Hürden, die im Gesetz festgeschrieben sind. Da muss sich jeder dran halten."
    Freie Wirtschaft hat bessere Lockmöglichkeiten
    Mehrere Jahre lang hatte Böll zuvor bei einem Ingenieursbüro in Hamburg gearbeitet. Doch mit der Zeit wurde die Sehnsucht nach seiner schleswig-holsteinischen Heimat größer. Auch gab es Dinge, mit denen er sich nur wenig identifizieren konnte. Zum Beispiel, dass er an der Entwicklung von Luxuswohnungen mitarbeitete. Mit seinem neuen Job als Planer beim LBV fühlt Böll sich angekommen ist stolz darauf, für die Allgemeinheit zu arbeiten. Er habe mehr Sicherheit und wisse, dass er nur innerhalb des Bundeslands eingesetzt werden kann. Dabei ist ihm auch bewusst, dass die freie Wirtschaft gerade auf Berufseinsteiger verlockend wirkt.
    Die Baufirmen können punkten "durch flexiblere Arbeitsvertragsgestaltungen, Bonuszahlungen und Firmenwagen - dort eben etwas flexibler sind, als wir die an den Tarifvertrag gebunden sind, sie sind vielleicht auch ein bisschen schneller, was die Einstellung angeht."
    Schlechtere Karrierechancen und geringere Bezahlung in der Verwaltung
    Das bestätigt auch Oliver Koppel, Arbeitsmarktforscher am Institut der Deutschen Wirtschaft Köln - einer arbeitgebernahen Forschungseinrichtung. Planer seien angesichts des derzeitigen Baubooms gefragt. Bei der Bundesarbeitsagentur stünden 100 gemeldeten arbeitslosen Planern 165 offene Stellen gegenüber:
    "Das heißt, es gibt viel, viel mehr offene Stellen als es Personen gibt, die dort theoretisch arbeitssuchend sind. Und entsprechend schwer ist es eben auch für die Planungsbehörden oder selbst in der Privatwirtschaft ist es schwer, diese offenen Stellen adäquat zu besetzen."
    Die Probleme der Behörden seien wegen des Stellenabbaus der letzten Jahre hausgemacht, so Koppel. Zudem böte die freie Wirtschaft mehr Chancen, Karriere zu machen. Und mit 44.000 Euro böten größere Unternehmen ein höheres Einstiegsgehalt als Verwaltungen
    "Ein Einstiegsgehalt für einen Planungsingenieur in Nordrhein-Westfalen wäre etwa 38.000 Euro Jahresgehalt. Das ist einfach nicht marktadäquat, muss man sagen."
    Neuer Studiengang für Bauingenieure in Kiel
    Schleswig-Holsteins Landesregierung will dem Planermangel auch universitär begegnen. Im Jamaika-Koalitionsvertrag wurde die Einrichtung eines neuen Studiengangs für Bauingenieure festgeschrieben - an der Fachhochschule Kiel.
    "Das ist eine Ehre und eine Last für uns."
    Sagt Udo Beer, der Präsident der Kieler Fachhochschule. Schon in einem Jahr soll der Studiengang starten. Beer hofft, bis dahin das nötige Personal zusammen zu haben. Vor zehn Jahren hatte die damalige Landesregierung den Ingenieurszweig der Kieler Fachhochschule in Eckernförde schließen lassen. Der FH-Präsident glaubt: Mit einem neuen Studiengang in Kiel könnten am Ende auch mehr Planer für den LBV gewonnen werden. Denn sowohl Studierende wie auch Absolventen von Fachhochschulen seien sehr regional orientiert.
    "Also, die Erfahrung zeigt einfach, dass die Studierenden bei uns etwa zur Hälfte aus Kiel plus Umkreis 40 Kilometer kommen."