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Schleswig Holstein: Statt Studiengebühren Steuern rauf

Waltraud Wende ist Wunschkandidatin der schleswig-holsteinischen SPD für das Bildungsamt. Sollte sie den Job in einer Regierung aus SPD, Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband bekommen, plant sie - statt Studiengebühren - Steuererhöhungen.

Manfred Götzke sprach mit Waltraud Wende | 07.05.2012
    Manfred Götzke: Eine spannende Wahlnacht in Schleswig-Holstein liegt hinter uns und eine Dampel vor uns. Die Dänen-Ampel aus Grünen, SPD und dem Südschleswigschen Wählerverband der dänischen Minderheit ist im Moment die wahrscheinlichste Koalitionsoption, wenn auch nur mit einer Stimme Mehrheit im Kieler Landtag. Kommt es tatsächlich so, heißt die neue Bildungsministerin des Landes wohl Waltraud Wende. Sie ist zurzeit Präsidentin der Uni Flensburg, parteilos und Wunschkandidatin der SPD für das Bildungsamt. Im Wahlkampf haben wir uns allerdings manchmal gefragt: warum eigentlich? Denn anders als die SPD spricht sich Waltraud Wende für Studiengebühren aus. Wie das zusammenpasst, kann sie uns nun erklären. Frau Wende, wird es in Schleswig-Holstein bald Studiengebühren geben?

    Waltraud Wende: Das ist schön, dass Sie mich danach fragen. Ich habe da zwischen zwei Rollen zu switchen: Als Präsidentin einer finanziell absolut unterfinanzierten Universität wusste ich mir nicht anders zu helfen, als dieses Thema anzugehen und zu sagen, ich möchte nachgelagerte, sozialverträgliche Studienabgaben. Das ist etwas anderes als Studiengebühren. Als Ministerin hätte ich natürlich andere Gestaltungsmöglichkeiten und da würde ich auf die Studiengebührenfrage sofort – würde ich von dieser Frage Abstand nehmen und würde das Geld, das wir im Bildungs- und Wissenschaftssystem brauchen, versuchen anders zu generieren, nämlich über Steuern. Steuern, die dann gezielt abfließen in das Bildungssystem.

    Götzke: Nun kann ein Land ja nicht mit ähnlichen Möglichkeiten Steuern erheben wie der Bund. Wie wollen Sie das Geld bekommen?

    Wende: Aber man kann natürlich über den Bundesrat versuchen, Punkte zu machen, und man muss dann eben – also Torsten Albig und ich, wir müssen gemeinsam versuchen, Einfluss auf Berlin zu gewinnen. Und wir haben ja demnächst dann auch noch mal eine neue Wahl im Bund, und da hoffen wir ja auch auf veränderte Vorzeichen, und dass man dann neu gestalten kann. Das Wichtige, das mir ist, auch deutlich zu machen, dass Bildung – das die Zukunftsfrage ist. Wenn wir unsere jungen Menschen nicht entsprechend qualifizieren, werden wir damit Transfer- und Sozialkosten generieren, die weitaus höher sind, als wenn wir jetzt in Bildung investieren. In Bildung investieren heißt, dass wir die Steuern entsprechend vielleicht dann auch hochsetzen müssen. Das muss ja nicht gewaltig sein, aber ein oder zwei Punkte. Und das Geld, das wir auf diese Weise generieren würden, das würde den Universitäten und auch den Schulen sehr viel nutzen.

    Götzke: Die Hochschulen fordern ja 35 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich, zehn Jahre lang. Wie wollen Sie sich dafür einsetzen, dass dieses Geld zusammenkommt? Kurzfristig.

    Wende: Ja, kurzfristig ist es eben sehr, sehr schwer. Wir werden sicherlich die ein oder andere Million generieren können, indem wir gucken, wo können wir was einsparen, wie können wir dadurch die Universitäten auch starkmachen. Wir wissen alle, wir können nach Kiel schauen, wenn wir uns die Universität Kiel anschauen, da brauchen Sie gar nicht reingehen, da brauchen Sie sich nur die Gebäude von außen anschauen, dann sehen Sie, wir haben einen Rieseninvestitionsstau, da muss was passieren und wir müssen gucken, wie wir das Geld dann eben im Haushalt so umleiten, dass wir da die Universität Kiel zumindest auch in ihrer Architektur erhalten können. Wenn irgendwann die Gebäude eingestürzt sind, das Schwimmbad ist bereits zugemacht, dann haben wir keine Zukunft mehr in diesem Land.

    Götzke: Nun werden Sie ja, wenn es zu der geplanten Koalition kommt, auch für die Schulen zuständig sein, und da heißt ja das Streitthema Nummer eins Regionalschule. Die CDU wollte sie erhalten, die SPD will sie zu Gemeinschaftsschulen umwidmen, weiterentwickeln. Wollen Sie jetzt tatsächlich nach der letzten Schulreform im vergangenen Jahr 2012 die Schulstruktur wieder umstellen?

    Wende: Das klingt so gewaltig: Die SPD will die Regionalschulen nicht erhalten. Wenn man sich es mal genau anguckt, es geht um 65 Schulen in diesem Land. Die Regionalschule ist ein Zusammenschluss von Hauptschule und Realschule, wo eben der gymnasiale Bereich nicht in der Schule mit integriert ist wie im Vergleich zur Gemeinschaftsschule. Unsere Idee ist, dass wir die Regionalschulen zu Gemeinschaftsschulen ausbauen. Das macht man nicht von heute auf morgen, aber das macht man mittelfristig. In den Städten wählen die Eltern dieses Schulform nicht, weil sie nämlich die Perspektiven für ihre Kinder offen halten wollen. Die Gemeinschaftsschule hält diese Perspektive offen, weil sie eben den gymnasialen Zweig auch hat. Und deswegen sind wir für den Umbau der Regionalschule in die Gemeinschaftsschule, und das ist keine Revolution, sondern das ist eine langsame Entwicklung, und da braucht keiner vor Angst haben.

    Götzke: In Nordrhein-Westfalen hat Rot-Grün mit der Union einen Schulfrieden geschlossen, sich also langfristig auf eine parteiübergreifend akzeptierte Schulstruktur geeinigt. Wäre so etwas in Schleswig-Holstein denkbar mit Ihnen?

    Wende: Also ich möchte keinen Schulkrieg. Sondern ich möchte genau den Schulfrieden erhalten. Und ich hatte in den letzten zehn Tagen, dass jetzt hier begonnen wird mit einem Schulkrieg, aber nicht von uns, sondern von der anderen Seite, die uns unterstellt, wir wollen Schulstrukturen kaputtmachen. Genau das wollen wir nicht, sondern wir wollen ein plurales und differenziertes Bildungssystem. In diesem pluralen und differenzierten Bildungssystem soll es qualitativ hochwertige Gymnasien geben und die wird es auch in Zukunft geben. Darüber hinaus wollen wir aber auch die Gemeinschaftsschule entwickeln und die Gemeinschaftsschule bis zur Klasse 13, dass sie auch das Abitur ermöglicht. Da wollen wir Mittel reingeben. Da wollen wir die Mittel wieder zurückgeben, die der jetzige Schulminister, Herr Klug, da rausgezogen hat. Er hat nämlich Mittel den Gemeinschaftsschulen gekürzt für Differenzierungsstunden, diese Mittel wollen wir wieder zurückgeben, damit die Gemeinschaftsschulen sich entsprechend entwickeln können.

    Götzke: Kommen wir noch einmal zu einem letzten Thema, das Streitthema im Wahlkampf, ein anderes, waren die Lehrerstellen. Schwarz-Gelb wollte bis 2020 wegen sinkender Schülerzahlen 3600 Stellen einsparen. Sie auch?

    Wende: Nein, ich nicht. Da haben wir uns ja auch im Wahlkampf schon geäußert, dass eben diese demografische Rendite wir folgendermaßen einsetzen wollen, dass wir ungefähr 1800 Stellen im System erhalten wollen, also als Lehrerstellen erhalten wollen, und zwar, weil wir damit die Lehrer-/Schülerrelation verbessern wollen. Wir wollen den Stundenausfall damit abbauen. Wir wollen Sprachangebote für Nicht-Muttersprachler machen. Wir wollen Weiterbildung für Lehrer und Lehrerinnen ermöglichen. Und das wird eben mit der einen Hälfte der demografischen Rendite passieren. Und die andere Hälfte möchte ich gerne, da wird aber noch zu reden sein mit der Fraktion, möchte ich gerne in den Bereich der vorschulischen Kinderförderung setzen in Kitas, und ich glaube, dass wir dann das Geld super investieren mit Blick auf die Zukunft dieses Landes.

    Götzke: Sagt Waltraud Wende, die Wunschkandidatin der SPD in Schleswig-Holstein für das Bildungsressort. Vielen Dank!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.