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Schließung der Westbalkanroute
"Es war die richtige und notwendige Maßnahme"

Er habe von Anfang an jegliche Form der offenen Grenzen abgelehnt, zog der österreichische Außenminister Sebastian Kurz in einem ARD-Interview Bilanz. Mit der Schließung der Balkanroute sei der Zustrom der Flüchtlinge massiv gesunken. Schreckliche Bilder seien nicht zu vermeiden, wenn man Menschen den Zutritt verwehre.

Von Ralf Borchard | 08.03.2017
    Österreichs Außenminister Sebastian Kurz vor einem Gipfel der EU Außenminister
    Infolge des Türkei-Deals würden auch dort Menschen gestoppt, "meist ohne europäische Fernsehkameras". (picture alliance / dpa / Julien Warnand)
    Sebastian Kurz sieht sich voll und ganz bestätigt – gerade weil er für die Schließung der Balkanroute vor einem Jahr heftig kritisiert wurde, auch in Berlin und Brüssel. Für den 30-Jährigen ist es eine Art stiller Triumph:
    "Die Westbalkanrouten-Schließung hat funktioniert. Wir haben es geschafft, innerhalb von wenigen Tagen den Zustrom an Menschen von 15.000 am Tag auf weniger als 1.000 zu reduzieren. Mit dem Türkei-Deal ist dann noch einmal reduziert worden auf rund um die 100 pro Tag - und jetzt gilt es natürlich, die Grenzen weiterhin zu sichern, gegen Schlepper anzukämpfen, damit hier die Zahlen weiterhin so niedrig bleiben, wie sie derzeit sind."
    Kritik an der ursprünglichen deutschen Willkommenspolitik
    Auch wenn Kurz Angela Merkel nicht ausdrücklich erwähnt - seine Bilanz ist auch eine Kritik an der ursprünglichen deutschen Willkommenspolitik:
    "Ich habe von Anfang an jegliche Form der Einladungspolitik, der offenen Grenzen abgelehnt und auch für falsch empfunden. Ja, auch in Deutschland hat sich sehr viel aus meiner Sicht jetzt in die richtige Richtung bewegt. Was uns in Europa aber nach wie vor fehlt, ist die Konsequenz, auch klare Entscheidungen zu treffen. Wir sollten auf die Italienroute schauen und sagen: da ist der Zustrom jedes Jahr weiter gestiegen, weil dort einfach nach wie vor die falsche Politik gemacht wird."
    "Wer illegal ankommt, muss gestoppt, versorgt und zurückgestellt werden"
    Auch Italien müsse Flüchtlinge schon auf der Mittelmeerroute zurückweisen, statt sie auf das Festland zu bringen, fordert Kurz:
    "Entscheidend ist: wenn jemand an der Außengrenze illegal ankommt, muss er dort gestoppt, versorgt und zurückgestellt werden. Wenn wir das endlich praktizieren würden, auch bei der Mittelmeer-Italienroute, dann werden wir wie bei der Westbalkanrouten-Schließung erleben, dass innerhalb von wenigen Tagen der Zustrom massiv sinkt, weil die Menschen ja nicht kommen, um auf Lampedusa zu sein, sondern sie wollen nach Österreich, Deutschland oder Schweden. Kann ich menschlich zu hundert Prozent nachvollziehen, aber das können wir nicht leisten."
    Und wohin will Kurz die Flüchtlinge zurückstellen- nach Libyen etwa, wo weitgehend Chaos herrscht und schwere Menschenrechtsverletzungen dokumentiert sind?
    "Das können Herkunftsländer sein, das können Transitländer wie Libyen sein, aber das können auch andere Länder sein wie Ägypten oder Tunesien oder andere in der Region, mit denen wir Vereinbarungen schließen."
    Auch in der Türkei würden Menschen gestoppt - ohne Fernsehkameras
    Heißt das, auch die Entscheidung des ungarischen Parlaments, Internierungslager mit Containern und Stacheldraht direkt an der Grenze zu schaffen, ist aus seiner Sicht richtig? Braucht es solche Bilder zur weiteren Abschreckung? Kurz sagt dazu:
    "Wenn man ihnen den Zutritt in ein Land verwehrt, wenn man sie zurückstellt, dann entstehen furchtbare Bilder, ob wir das wollen oder nicht. Und diese Bilder schockieren mich auch jedes mal selbst, wenn ich sie sehe. Aber das passiert auch durch den Türkei-Deal. Der Unterschied ist nur, wenn es in der Türkei geschieht, dann ist das meist ohne europäische Fernsehkameras und dann glauben viele, dort findet es nicht statt. Aber wenn dort Menschen gestoppt werden, dann ist das nicht anders, als wenn sie an der mazedonisch-griechischen Grenze oder an der ungarischen Grenze gestoppt werden."
    Sebastian Kurz - eine Führungspersönlichkeit der nächsten Generation
    Das US-Magazin "Time" hat Sebastian Kurz als eine von zehn Führungspersönlichkeiten der nächsten Generation porträtiert – und dabei ausdrücklich auf die Schließung der Balkanroute verwiesen. Ist auch das für ihn Genugtuung, gar ein Ritterschlag?
    "Nein, aus meiner Sicht nicht. Wir haben das getan, was wir damals für richtig erachtet haben. Es war die richtige und notwendige Maßnahme und ich würde es auch wieder tun."