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Schmerz lass nach

Der Kopf brummt, der Rücken sticht oder eine Narbe tut nach der Operation noch weh. Hält der Schmerz konstant länger als drei bis sechs Monate an, sprechen Ärzte von chronischen Schmerzen. Spezialisten führen unterschiedliche Therapieansätze zusammen und entwickeln individuelle Konzepte für die Patienten.

Von Lennart Pyritz | 28.05.2013
    "Es ging gut vor vier bis fünf Jahren los. Da taten mir die Füße nachts weh",

    sagt der 54-jährige Schmerzpatient Bernd Kohlgrüber.

    "Und dann stellte sich später heraus, nach einem langen Weg, dass ich Plantarfasziitis hatte, in beiden Füßen. Das ist eine Entzündung der Sehnen. Die Schmerzen wurden nicht besser, ich musste immer mehr Medikamente nehmen. Die Schmerzen waren so schlimm, dass ich nur noch in der Ecke gesessen hab teilweise und hab auch geheult."

    Sehr oft sind die Muskulatur und das Knochenskelett die Ursache für chronischen Schmerz. Die langfristigen Auswirkungen auf die Arbeit und das Privatleben sind oft verheerend. Der Schmerz selbst wird zur Krankheit; ein akuter Auslöser fehlt.

    "Wir als Schmerztherapeuten werden in erster Linie dann aktiv, wenn es eben keine behandelbaren Ursachen mehr gibt oder keine ausreichend wirkungsvolle kausale Therapie. Dann kommt die eigentliche Schmerztherapie zum Tragen."

    Dr. Kilian Kalmbach leitet die Abteilung für Anästhesie und Schmerztherapie am Evangelischen Krankenhaus in Köln-Kalk. Bevor sie einen spezialisierten Schmerztherapeuten finden, haben viele Patienten eine Odyssee durch unterschiedliche Arztpraxen hinter sich. Die Behandlungsmethoden sind dabei oft nicht aufeinander abgestimmt und bleiben wirkungslos.

    "Entscheidend ist für diese Patienten eigentlich, dass das, was ihnen hilft, möglichst zusammengeführt wird. Und dass dann verschiedene Therapeuten mit verschiedenen Therapieansätzen zusammenkommen und möglichst für den Patienten individuell das beste Konzept entwickeln. Das bedeutet multimodale Schmerztherapie."

    Dazu zählen Schmerzmittel, örtliche Betäubung, Krankengymnastik und psychologische Begleitung. Manchmal wird auch der Neurochirurg aktiv. Er kann den Schmerzreiz unterbrechen. Zum Beispiel mit der epiduralen Rückenmarkstimulation.

    "Da wissen wir, dass die Therapie hilfreich ist bei Patienten nach erfolglosen Rücken- oder Bandscheibenoperationen. Aber nur bei den Patienten, die ausstrahlende Schmerzen in die Beine erleben."

    Prof. Volker Tronnier, Direktor der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Lübeck.

    "Bei der epiduralen Rückenmarksstimulation wird in örtlicher Betäubung eine Stäbchenelektrode auf die Rückenmarkshaut aufgelegt. In einem zweiten Schritt, wenn die Therapie wirklich erfolgreich ist, wird diese Elektrode an einen Impulsgeber angeschlossen, sodass nachher das gesamte System unter der Haut liegt. Sie müssen sich das vorstellen so ein bisschen wie einen Störsender, der irgendwo in die Schmerzleitung eingebaut wird, sodass diese Signale das Gehirn mit den schmerzverarbeitenden Zentren im Gehirn nicht erreicht."

    Auch bei Nervenverletzungen und chronischer Migräne kann die Neurochirurgie helfen. Die Verfahren kommen allerdings nur für wenige Schmerzpatienten infrage und auch nur dann, wenn die klassische Kombinationstherapie nicht ausreicht. Entscheidend ist eine gute psychologische Begleitung. Zum einen können psychische Probleme das Schmerzempfinden verstärken. Zum anderen kann es den Patienten helfen, ihre innere Einstellung zum Schmerz zu verändern.

    "Ich hab selber angefangen, etwas anders zu denken. Ich hab auch jetzt mit Qigong angefangen, um mich etwas abzulenken. Nur ich merke wieder, wo ich im Berufsalltag werde, dass die Schmerzen wieder zunehmen."

    Die Erfahrung von Bernd Kohlgrüber, dass der Schmerz nicht ganz verschwindet, müssen viele Patienten machen. Schmerzspezialist Kilian Kalmbach:

    "Bei Patienten, die unter chronischen Schmerzen leiden, ist es häufig nicht möglich, sie komplett schmerzfrei zu machen. Das Ziel ist dann, dem Patienten zumindest dahingehend zu helfen, dass seine Schmerzen für ihn erträglich werden, und er wieder aktiv am Leben teilnehmen kann, und mit seinen Schmerzen leben kann."