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Schmidteinander in den Medien

90 Jahre wird der Altkanzler Helmut Schmidt am Tag vor Weihnachten - ein Grund zum Feiern, ohne Frage. Und schon seit seinem 80. Ehrentag scheint Helmut Schmidt machen zu können, was er will, von Rundfunk und Presse wird es mit Wohlwollen kommentiert. Aber ist so viel Unterwürfigkeit in Ton und Haltung wirklich nötig?

Von Brigitte Baetz | 20.12.2008
    Es dräut die Musik, es streichen die Geiger und bedeutungsvoll rauscht das Schilfrohr am Brahmsee. Helmut Schmidt, der Macher, der begnadete Rhetoriker, der Held im Kampf gegen RAF und Weltwirtschaftskrise, der Freund der Künste und des Schachspiels ist längst von Deutschlands Medien in den Stand eines säkularen Heiligen erhoben worden.

    90 Jahre wird er am Tag vor Weihnachten, ein Grund zum Feiern, ohne Frage, und schon seit seinem 80. Ehrentag scheint Helmut Schmidt machen zu können, was er will, von Rundfunk und Presse wird es mit Wohlwollen kommentiert. Während sich Deutschlands Raucher aus den Kneipen ins zugige Freie schleichen müssen, um ihrem Laster zu frönen, quarzt der Altkanzler unter dem entzückten Beifall der Journaille wo er nur geht und steht.

    "Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt" heißt gar eine wöchentliche Kolumne in der Wochenzeitung "Die Zeit". Chefredakteur Giovanni di Lorenzo interviewt darin seinen eigenen Herausgeber und der regelmäßige Leser kommt nicht umhin, sich vorzustellen, wie di Lorenzo von einem kleinen Hocker aus Schmidt das Feuerzeug unter die Nase hält, um sich anschließend von Deutschlands beliebtestem Ex-Politiker über Gott und die Welt belehren zu lassen.

    Da stehen auch die Kollegen vom Fernsehen nicht abseits und profitieren von Helmut und seiner Frau Loki, die auch als Paar schon eine Art Marke geworden sind. Reinhold Beckmann, beispielsweise, der für das Erste das große Interview mit dem Altkanzler zu dessen 90sten machen darf, hat mit Loki ein Buch herausgegeben. Keine Frage, dass es mit den Memoiren ihres Mannes auf der Bestsellerliste des Spiegel steht.

    Zeit seines Politikerlebens hat Schmidt aus seiner Verachtung den Journalisten gegenüber keinen Hehl gemacht. "Wegelagerer" nannte er sie und meinte, die Bedeutungsvollen dieser Zunft ohnehin an nur einer Hand abzählen zu können. Angesichts der demutsvollen Sendungen und Artikel über den Jubilar kann man Schmidts Einschätzung nachvollziehen.

    Natürlich wird man einen betagten Staatsmann, der sich als Führungspersönlichkeit in dramatischen Situationen hohes Renommee erworben hat, nicht ausgerechnet zu seinem Ehrenfest allzu kritischen Fragen aussetzen, aber ist so viel Unterwürfigkeit in Ton und Haltung wirklich nötig? Den Vogel schießt dabei "Die Zeit" ab, die ihrem Herausgeber zwei Sonderbeilagen widmet: Der Staatsmann, und Der Publizist und Privatmann.

    Die meisten Artikel übrigens stammen aus Schmidt eigener Feder. Ansonsten dürfen brave Abiturienten Fragen an den Elder Statesman richten und gestandene Zeit-Journalisten bestätigen, welche Wohltat es sei, mit einem wie Schmidt in einer Redaktion tätig sein zu dürfen.

    Wer vor Jahren die amüsante Reportage des Ex-Zeitmitarbeiters Cordt Schnibben lesen durfte, der beschrieb, wie Schmidt in der Freitagskonferenz die Politikredaktion des Blattes als Geisel nimmt und unter vollständiger Vertilgung des Kekstellers langatmige Analysen zur Weltwirtschaftspolitik vorträgt, der mags kaum glauben. Natürlich fehlen in der Jubelnummer auch die üblichen verdächtigen Schmidt-Freunde nicht, von Giscard d´Estaing bis Henry Kissinger, die wir auch in allen Fernsehsendungen noch einmal bewundern dürfen.

    Einen Starschnitt wie in Bravo hat man sich zwar erspart, aber immerhin eine Bonus-DVD beigelegt: "Bewegende Gespräche", so die Eigenwerbung, mit dem Altkanzler. Eine Sammlung alter Fernsehinterviews, die zu bestätigen scheinen, dass die Journalisten früher anscheinend auch nicht kritischer waren als heute.

    Immerhin: Der "Spiegel" hat es geschafft, in seinem großen Schmidt-Titel ein differenziertes Bild des Altkanzlers zu zeigen. Dazu hat der Zeit-Herausgeber vermutlich selbst beigetragen. Ganz Medienprofi, zögerte er die Autorisierung eines Interviews so lange hinaus, bis es der Zeit-Beilage nicht mehr in die Quere kommen konnte und vom Spiegel nicht mehr zu verwenden war. Die Redakteure mussten improvisieren und brachten deshalb ihre eigenen Gedanken zu Papier. Vom Vorgehen her auch nicht das Schlechteste und zur Nachahmung empfohlen.
    Helmut Schmidt, einer der Großen der deutschen Nachkriegsgeschichte, kann das verkraften.