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Schmoldt für Korrekturen an Reformvorhaben

Hans-Joachim Wiese: Am Telefon begrüße ich jetzt den Vorsitzenden der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Hubertus Schmoldt. Guten Tag.

Moderation: Hans-Joachim Wiese | 15.06.2004
    Hubertus Schmoldt: Guten Tag, Herr Wiese.

    Wiese: Stimmen Sie mit Ralf Stegner überein, also eine inhaltliche Änderung der Agenda 2010, eine Abmilderung, aber keine personellen Konsequenzen?

    Schmoldt: Ich glaube, dass das eine richtige Einschätzung ist. Wir haben als Gewerkschaften schon zu Beginn des Reformprozesses gesagt: Reformen ja, aber sie müssen sozial vertretbar sein, das heißt, die Menschen dürfen nicht das Gefühl haben, dass sie Verlierer eines solchen Reformprozesses sind. Reformen lassen sich nicht gegen die Akzeptanz der Bevölkerung durchsetzen und das bedeutet keine grundsätzliche Abkehr sondern Korrektur im Detail.

    Wiese: Korrektur im Sozialen - was bedeutet das im Einzelnen? Sehen auch Sie Möglichkeiten in der Steuerpolitik?

    Schmoldt: Der Vorschlag verwundert mich deshalb ein bisschen, weil Herr Stegner eigentlich wissen müsste, dass das Steuerreformgesetz ein ganz schwieriges Unterfangen im Bundesrat war und es ja ein Kompromiss war, die CDU auf den niedrigen Spitzensteuersatz gedrängt hat und wer das jetzt ändern will müsste erneut durch den Bundesrat. Ich weiß gar nicht, wir man das bewerkstelligen kann. Also Vorschläge zu machen, von denen erkennbar ist, dass sie nicht machbar sind, weil der Bundesrat sie nicht passieren lässt, halte ich auch nicht für sehr klug. Das fördert eher die Politikverdrossenheit bei den Menschen.

    Wiese: Der Bundeskanzler hat ja deutlich gemacht, dass mit ihm eine Änderung der Reformpolitik nicht machbar sein werde. Welche Konsequenzen würden Sie ihm angesichts dieser Haltung nahe legen?

    Schmoldt: Ich glaube nicht, dass er seinen grundsätzlichen Reformkurs verlassen muss, auch darf, denn das würde ja eine Glaubwürdigkeitdebatte auslösen und insgesamt dem Reformprozess schaden. Aber nicht jedes Reformvorhaben, das auf den Weg gebracht wird, ist gleich in seiner Auswirkung auf die Betroffenen erkennbar und ich glaube, es ist überhaupt nicht schädlich, auch kein Zeichen von Schwäche oder Einknicken, wenn man erkennt, dass bestimmte Reformvorhaben in ihren Auswirkungen bestimmte Gruppen übermäßig treffen und dass man dort entsprechend korrigiert.

    Wiese: Welche meinen Sie konkret?

    Schmoldt: Beispielsweise die Verkürzung des Arbeitslosengeldes. Damit wird ja kein einziger zusätzlicher Arbeitsplatz entstehen. Beispielsweise die Höhe des neuen Arbeitslosengeldes II, das wir ja als ein zusammengelegtes Geld von Arbeitslosen- und Sozialhilfe begrüßen, das aber in seiner Größenordnung fatal ist. Auch die Frage Kündigungsschutz. Hier geht es wirklich um Detailfragen, die nicht das Grundsätzliche betreffen.

    Wiese: Aber diese Detailfragen sind doch Grundartikel der Agenda 2010, die lassen sich doch nicht einfach mit diesem Bundeskanzler abschaffen.

    Schmoldt: Das Ziel war ja, mit der Verkürzung des Arbeitslosengeldbezuges beispielsweise auf 12 oder 18 Monate die Arbeitslosen etwas schneller wieder in den ersten Arbeitsmarkt zurückzuführen. Das ist ein wichtiges und richtiges Ziel. Aber wenn keine Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt vorhanden sind, dann kann man noch so viel an der Bezugsdauer verkürzen, das bringt keine zusätzlichen Arbeitsplätze. Man muss ja auch immer Chancen haben, jemanden zurückzubringen. Und die Perspektive, mit einem verkürzten Arbeitslosengeldbezug dann schnell in das Arbeitslosengeld II zu kommen und damit dann nahe an die Armutsschwelle zu gelangen - das kann Politik nicht wollen.

    Wiese: Das alles sind ja Maßnahmen, die Zeit erfordern, aber es sind wieder etliche Wahlen an der Tagesordnung und die werden möglicherweise wiederum nicht gut ausgehen für die SPD. Welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen, falls die SPD weiterhin verliert?

    Schmoldt: Zunächst einmal kommt es natürlich darauf an, dass der langsam beginnende Konjunkturaufschwung leider im Moment sich wegen des Exports auch im Binnenland fortsetzt, das wird dann auch Arbeitsplätze zur Konsequenz haben, dann ist ja endlich erkennbar, dass diese Reformen, die zum Teil schwierig und bitter sind, Erfolge zeigen, dass wir damit wirklich auch etwas tun für mehr Arbeitsplätze, für die Zukunft dieses Landes, auch für die jungen Menschen und es wird sich auch im Wahlverhalten dann der Wähler mit Sicherheit niederschlagen.

    Wiese: Das war in den Informationen am Mittag der Vorsitzende der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Hubertus Schmoldt. Schönen Dank und auf Wiederhören.

    Schmoldt: Ich bedanke mich.