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Schnäppchenjagd bei Schlecker

Es ist das bittere Ende für die rund 13.000 verbliebenen Schlecker-Mitarbeiterinnen: Am Freitagmorgen haben sie mit dem Abverkauf der restlichen Waren begonnen. Bis Ende Juni sollen die letzten Filialen geschlossen werden. Wie es mit den Tochterunternehmen Ihr Platz und Schlecker XL weitergeht, bleibt zunächst unklar.

Von Karsten Zummack | 08.06.2012
    "Guten Morgen. Morgen. "

    Heute morgen Punkt 8 Uhr in einer Schlecker-Filiale in der Potsdamer Innenstadt. So voll war es hier wohl noch nie. Etwa 20 Kunden, meist ältere Leute, drängen sich zur Ladenöffnung in die engen Gänge, stürzen hektisch Richtung Regale. Schließlich locken üppige Nachlässe, wie die Verkäuferinnen erklären.

    "Alle Produkte 30 Prozent, außer Altware - verkaufen wir 50 Prozent weniger."

    Geduldig beantworten die beiden Verkäuferinnen die Fragen der Kundschaft. Obwohl ihnen ein anstrengender Tag bevorsteht. Sie müssen im Akkord kassieren - und wickeln damit gewissermaßen ihre eigenen Arbeitsplätze ab.

    "Also für mich ist es schrecklich, muss ich mal sagen. Kein normaler Tag. Weil ich bin fast 14 Jahre bei Schlecker angestellt."

    In den kommenden Tagen muss sie mit ihrer Kündigung rechnen. Wie es dann weiter geht, ist noch unklar, sagt die Verkäuferin, die ihren Namen nicht nennen will. Ihre Kollegin möchte mit uns gar nicht sprechen, winkt leicht genervt ab. Dann eilt sie zur Kasse, wo bereits die ersten Kunden warten.

    Die Kasse spuckt ellenlange Belege aus, die Nachlässe werden einzeln automatisch vom Normalpreis abgezogen.

    "74 Euro 83 bitte."

    Ein kräftiger Mann in Arbeitskluft, schleppt mühsam volle Tüten aus dem Laden. Fast 75 Euro hat er bezahlt, sich komplett eingedeckt mit Drogerieartikeln.

    "Frau hat einen Einkaufszettel gegeben und dann habe ich das geholt. Badartikel, Duschzeug, Toilettenpapier, Küchenrolle, Rasierer und, und, und. Ich habe wahllos gegriffen. 30 Prozent ist ganz schön viel."

    Das meinen auch andere Kunden, die überquellende Einkaufskörbe zum Auto schieben. Eine Passantin murmelt im Vorbeigehen etwas von Leichenfledderei. Dahinter, am Schaufenster, prangt ein großer rot-weißer Aufkleber mit dem Dank für die langjährige Treue und dem Hinweis "Wir schließen am 29.6. Ab sofort 30 Prozent auf alles."

    Der Ausverkauf - das letzte Kapitel in der unrühmlichen Geschichte von Schlecker. Einzig Hoffnung machen können sich die rund 5000 Mitarbeiterinnen bei den Töchtern Ihr Platz und Schlecker XL. Die ins Stocken geratenen Verhandlungen über den Verkauf an den Münchner Investor Dubag sollen dem Vernehmen nach heute fortgesetzt werden.

    Dem Gros der Schlecker-Mitarbeiterinnen dürfte dies aber wenig helfen. Mitgefühl bei den Kunden in Potsdam:

    "Schlimm finde ich das. Kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. - Kann man nur eine Wut haben. - Schlecht ist das. Wie sollen sie das mit den Leuten machen? Die kriegen keine Arbeit. - Furchtbar. Vor allem tut mir das um die Verkäuferinnen leid. Die sollen nun erst einmal etwas anderes finden, nicht."

    Sagt's und packt Haarspray und Duschbad in den Einkaufswagen. Viele der älteren Kunden trauern auch der Einkaufsmöglichkeit direkt vor der eigenen Haustür hinter-her. In spätestens drei Wochen ist hier Schluss, sagt die Schlecker-Mitarbeiterin.

    "Wir verkaufen das jetzt alles ab und dann ist für uns der Fall erledigt."

    "So. Ich bedanke mich."