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Schwedens Olympiabewerbung 2026
"Wir werden die Ersten sein, die die Spiele klimapositiv ausrichten"

Stockholm bewirbt sich um die Austragung der Olympischen Winterspiele 2026. "Wir wären so stolz", sagte Richard Brisius, Chef der Stockholmer Bewerbung, im Dlf. "Wir haben ein fantastisches Konzept, die nachhaltigsten Olympischen und Paralympischen Winterspiele aller Zeiten auszurichten."

Richard Brisius im Gespräch mit Andrea Schültke | 13.04.2019
Richard Brisius, Chef der Stockholmer Bewerbung um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2026, sitzt während einer Pressekonferenz an einem Mikrofon.
Richard Brisius, Chef der Stockholmer Bewerbung um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2026 (imago / Bildbyran / Andreas L. Eriksson)
Andrea Schültke: Schweden hat die Staatsgarantien zugesagt, das heißt, Sie können sich für die Winterspiele 2026 bewerben. Was bedeutet es für Sie, die Chance zu haben, Winterspiele nach Schweden zu holen?
Richard Brisius: Die Chance und der Traum, die Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2026 nach Schweden zu bringen bedeutet so viel für so viele Leute in Schweden, weil wir eine echte Winternation sind. Aus dem Winterwunderland Schweden kommen winterliebende Menschen. Wir haben an allen Olympischen Winterspielen teilgenommen von Beginn an, aber wir hatten nie die Chance, sie auszutragen. Es ist fast unsere Pflicht, sie auszutragen. Wir wären so stolz und wir haben ein fantastisches Konzept, die nachhaltigsten Olympischen und Paralympischen Winterspiele aller Zeiten auszurichten.
Schültke: Wie groß ist die Unterstützung der schwedischen Bevölkerung. Ich habe gelesen, die schwedische Bevölkerung unterstützt die Olympiabewerbung nur zu 55 Prozent?
Brisius: 55 Prozent sind eine Menge für Schweden, ich weiß nicht, was das für Deutschland bedeuten würde. Aber ich denke, je nördlicher in Europa man geht, desto skeptischer werden die Menschen in solchen Dingen. Also sind 55 Prozent Zustimmung für die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Winterspiele einfach enorm. Wir sind sehr glücklich und wir fühlen die breite Unterstützung der Öffentlichkeit, der Wirtschaft, der Politik und der Zivilgesellschaft.
Olympische Werte statt immenser Investitionen
Schültke: In vielen Ländern hat man große Probleme mit dem Internationalen Olympischen Komitee, der Veranstaltung, den Kosten und dem Erbe. Ist überhaupt noch ein Traum Olympische Spiele auszureichten?
Brisius: Ja, es ist auf jeden Fall ein Traum. Was wir nicht vergessen dürfen: Natürlich geht es bei Olympia in erster Linie um Sport, aber auch um die olympischen Werte wie Freundschaft und Respekt und immer versuchen, das Beste zu geben. Nun hat das Internationale Olympische Komitee die Organisation der Spiele reformiert. Unter der olympischen Agenda 2020, die der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach ins Leben gerufen hat. Es hat sich alles verändert – die Bewerbung und die Organisation der Ausrichtung. Es ist nun smarter und kosteneffizienter. Es geht vor allem um die Investitionen. Bei den vergangenen Spielen gab es einen großen Ausbau von Sportstätten und immense Investitionen. Nun wird es das komplette Gegenteil sein. Es geht bei den Spielen nun darum: Nutze, was du hast und wo es ist, und baue nichts Neues. Und deshalb haben wir die perfekten Voraussetzungen hier in Schweden.
Schültke: Immer wieder verweisen Sie auch auf die Agenda 2020 des IOC. Auch die wird aber international kritisiert. Zum Beispiel werden die Garantien allein für das Sicherheitskonzept, die das IOC verlangt, auf 415 Millionen Euro geschätzt. Können Sie abschätzen, wie teuer die Winterspiele werden?
Brisius: Da stimme ich nicht wirklich zu, was Sie gerade gesagt haben, mit den 415 Millionen Euro. Unser Budget ist 13,1 Milliarden schwedische Kronen. Das ist ein niedriges Budget, ein entsprechendes Budget und ein sicheres Budget. Das Einzigartige bei uns ist, dass wir kein Investitionsgeld brauchen – im Gegensatz wie die meisten - oder ich würde sogar sagen - alle der früheren Olympischen Spiele es hatten. Denn wir haben alle Sportstätten schon vor Ort und wir nutzen sie dort, wo sie sind.
Niedriges, aber sicheres Budget
Schültke: Zu Ihrem Konzept gehört, dass Sie zum Beispiel die Bob- und Rodelwettbewerbe im lettischen Sigulda austragen. Ist das für Sie alternativlos, bestehende Anlagen zu nutzen, selbst dann, wenn Sie in einem anderen Land stattfinden?
Brisius: Das ist ein sehr gutes Beispiel, das Sie anführen, was die Agenda 2020 betrifft. Wir haben keine Anlagen für die Bob, Rodel- oder Skeletonwettbewerbe. Das IOC sagte im Sommer 2017, dass niemand eine neue Anlage bauen soll – also geht und mietet eine in einem anderen Land. Davon haben wir profitiert, weil wir uns mit unseren lieben Freunden auf der anderen Seite der Ostsee, mit Lettland, Sigulda, verbunden haben. So gab es viele Vorteile und zwei Länder sind sehr glücklich damit.
Nachhaltigkeit als wichtiger Punkt der Bewerbung
Schültke: Klimaschutz wird immer wichtiger für die Gesellschaft. In Schweden hatte ja auch die "Fridays for future"-Bewegung ihren Anfang. Kann man Olympia klimafreundlich organisieren?
Brisius: Eine sehr wichtige und relevante Frage. Ich denke, ein sehr wichtiger Punkt unseres Bewerbungskonzeptes ist Nachhaltigkeit. Unsere Sportministerin gehört der grünen Partei in Schweden an. Und gemeinsam sehen wir die riesige Gelegenheit, die nachhaltigsten Winterspiele aller Zeiten auszurichten. Wir haben uns sehr große Ziele gesetzt: Wir werden die ersten sein, die die Spiele klimapositiv ausrichten, zum Beispiel. Wenn sie in Schweden sein werden, werden sie in der möglichst umweltfreundlichsten Weise ausgerichtet werden. Wir werden die Latte möglichst hoch legen. Wir haben zum Beispiel in unserem Kostenplan einen Spielraum für eine Klima-Kompensation, um ein klimafreundliches Reisen für alle Menschen zu erreichen, die die Spiele besuchen kommen – egal ob aus dem Ausland oder aus Schweden.
Weitere Ziele: Gesundheit und Integration
Schültke: Häufig wollen die Gastgeber Olympischer Spiele damit ja auch Erfolge und eine tolle Entwicklung für den Sport im eigenen Land erreichen. Was erhoffen Sie sich von diesen Spielen?
Brisius: Wir hoffen, damit drei Dinge zu erreichen: Als erstes Sport und die allgemeine Gesundheit. Wir haben ein Problem: Die Menschen sitzen immer mehr und bewegen sich immer weniger. Das gilt für alle Altersgruppen – Kinder wie Erwachsene. Durch den Sport haben wir einen ganz natürlichen Weg, um Menschen dafür zu begeistern und zu motivieren, sich mehr zu bewegen. Das ist das erste große Ziel. Das zweite dreht sich um Integration und Inklusion. Schweden ist ein großes Land. Wir sind zehn Millionen Menschen und fast 20 Prozent davon sind in einem anderen Land geboren. Wir wollen dieses fantastische Projekt dazu nutzen, alle in Schweden einzubeziehen, sich zu beteiligen, sich zu integrieren und als ein Land zusammenzukommen. Und drittens ist uns die Nachhaltigkeit wichtig. Da wollen wir neue Maßstäbe setzen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.