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Schnelle Diagnose

Eine internationale Forschergruppe hat herausgefunden, dass Typ-1-Diabetes bereits sicher diagnostiziert werden kann, bevor sich die Krankheit mit ihren Symptomen zeigt. Das frühere Erkennen verbessert die Chancen für Therapien.

Von Monika Stiehl | 14.08.2013
    Diabetes des Typs 1 wurde bislang erst erkannt, wenn die Krankheit voll ausgebrochen war. Mediziner am Helmholtz Zentrum und der TU München haben nun gemeinsam mit Forschern aus Dresden, den USA und Finnland entdeckt, dass mit einem einfachen Bluttest die Krankheit bereits deutlich vor ihrem Ausbruch diagnostiziert werden kann.
    Die Forscher haben sich zunutze gemacht, dass der Angriff des Immunsystems beim Typ-1-Diabetes mit der Bildung ganz bestimmter Antikörper verbunden ist. Typischerweise treten vier verschiedene auf, wenn die insulinproduzierenden Inselzellen der Bauchspeicheldrüse von der körpereigenen Immunabwehr angegriffen werden. Daher lag es nahe, diese vier Antikörper als diagnostische Marker für die Krankheit zu verwenden.

    "Zwei Dinge wollten wir herausfinden: einerseits wann die Antikörper entstehen und ob alle Kinder, die Antikörper entwickeln, auch an Diabetes erkranken."

    Professorin Anette Ziegler, Direktorin des Instituts für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München, hat dazu in der größten internationalen Studie dieser Art Kinder mit, aber auch ohne erhöhtes Diabetes-Risiko begleitet. Das Einzigartige an dieser Studie: Die rund 13800 Kinder aus Deutschland, Finnland und den USA, wurden von Geburt an regelmäßig untersucht und das über einen Zeitraum von zwanzig Jahren. Das Ergebnis:

    "Wir haben erstens gefunden, dass diese Antikörper, wir nennen das Serokonversion, dass diese sehr früh stattfindet, meistens in den ersten zwei Lebensjahren. Und dass, wenn mindestens zwei der Antikörper vorhanden sind, praktisch alle Kinder an Diabetes erkranken. Also manche Kinder erkranken schon nach 6 Monaten, manche brauchen 10 Jahre, aber innerhalb von 20 Jahren nach dem erstmaligen Auftreten der Antikörper waren wirklich alle Kinder an Diabetes erkrankt."

    Und dabei war es ganz egal, ob die Kinder aus einer Risikofamilie stammten, in der es bereits Diabetes-Erkrankungen gab, oder aus der Allgemeinbevölkerung. Durch den Bluttest ist es also möglich, über alle Bevölkerungsgruppen hinweg Typ-1-Diabetes in einem Stadium zu diagnostizieren, in dem noch keine Symptome aufgetreten sind. Das heißt in einer Phase, in der die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse noch arbeiten und der Blutzuckerspiegel normal ist. Die frühe Diagnostik bietet große Chancen. Denn die insulinproduzierenden Zellen werden nicht von heute auf morgen zerstört. Wenn es gelänge, die überschießende Immunreaktion des Körpers in der Frühphase zu kontrollieren, könnte die Krankheit aufgehalten oder im Verlauf zumindest gebremst werden, so die Hoffnung der Forscher.

    "Wir arbeiten sehr stark an Impfstudien, aber auch anderen milden Immuntherapien, mit denen wir versuchen wollen, diesen Krankheitsprozess aufzuhalten. Bei den Impfstudien versuchen wir letztlich, diese Antigene, gegen die die Antikörper gerichtet sind, als Impfstoff zu geben und versuchen so eine ähnliche Wirkung wie eine Desensibilisierung, die ja bei allergischen Erkrankungen eingesetzt wird, hier durchzuführen und dadurch letztlich das Immunsystem zu überlisten und Toleranz wieder gegen diese Antigene herzustellen."

    Erste Hinweise, dass sich die Krankheit so verzögern lässt, gibt es bereits.

    Diabetes mellitus Typ 1 ist mittels Bluttest vorhersehbar geworden. Das sollte nach Ansicht der Forscher Konsequenzen haben. Professorin Ziegler hofft, dass der Bluttest als Reihenuntersuchung bei Kindern in die Gesundheitsvorsorge aufgenommen wird. Die Möglichkeit der frühen präventiven Therapie, wie bei den Impfstudien, ist nur ein Argument dafür Ziegler:

    "Die Krankheit wird immer noch sehr häufig zu spät erkannt und die Kinder haben schwere lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisungen. Es gibt immer noch Kinder, die bei Diagnose an der Krankheit versterben. Und durch so eine Frühdiagnose kann das natürlich verhindert werden."
    Bereits jetzt können sich Kinder auf Typ-1-Diabetes testen lassen. Im Institut für Diabetesforschung in München wird der Bluttest kostenlos angeboten. Und es gibt auch kommerzielle Tests, die der Kinderarzt durchführen kann. Insbesondere für Risikogruppen könnte das sinnvoll sein, also für Kinder mit einem Geschwisterkind oder mit Eltern, die bereits an der Krankheit leiden.