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Schneller als die Polizei erlaubt
Mit Computerprogrammen gegen Einbrecher

Vor gut zehn Jahren gruselte uns Hollywood-Regisseur Steven Spielberg in seinem Blockbuster "Minority Report" mit einem Polizei-System, das Morde voraussagen konnte, bevor sie begangen wurden. So weit sind wir noch nicht - aber Computerprogramme versuchen schon, Einbrüche vorherzuberechnen.

Von Keywan Tonekaboni | 01.11.2014
    Zwei Hände sind mit Handschellen gefesselt.
    Zwei Hände sind mit Handschellen gefesselt. (picture alliance / dpa - Daniel Bockwoldt)
    Predictive Policing heißt das Konzept prägnant auf Englisch. Und schaut man sich die Berichte der letzten Wochen an, Keywan Tonekaboni, da könnte man meinen: Predictive Policing ist jetzt Realität geworden.
    In der Tat. Wobei etwas abschwächen muss man es schon. Im Film war es ja ein hellseherisches Orakel, dass aus einem Tempel heraus die Namen der Opfer und Täter rief. Die Polizisten mussten sich dann aus aufgezeichneten Traum-Bildern den Ort rekonstruieren. Was es jetzt aber gibt, ist im Prinzip eine Big-Data Anwendung für die Polizei. Die Polizei füttert das System mit Daten vergangener Verbrechen und das über einen langen Zeitraum. Die Anwendung versucht, in diesen Daten nun ein Muster zu erkennen. Es berechnet dann Gebiete, wo in den nächsten Tagen eine erhöhte Gefahr besteht. Also, an welchem Ort etwas passieren könnte, aber halt nur grob wann. Das System nennt aber auf keinen Fall einen bestimmten Verdächtigen oder Täter.
    Predictive Policing meint also software-gestützte Verbrechensprävention. Einer, der so eine Software entwickelt hat, ist der Soziologe Thomas Schweer.
    "Ich hab damals in einem Projekt gearbeitet, wo es um das Verhältnis zwischen Polizisten und sozialen Randgruppen ging und bin zur damaligen Zeit viel mit der Polizei draußen gewesen. Und in einer Nachtschicht ist mir dann die Idee gekommen, kann man Polizisten gezielter in gefährdete Räume lenken?"
    So beschreibt der Soziologe Dr. Thomas Schweer, die Idee hinter seiner Software "Precobs". Gemeinsam mit zwei Informatikern hat Schweer das Programm entwickelt. Derzeit beschränkt sich Precobs auf die Vorhersage von Einbrüchen, genauer: Orte mit erhöhter Einbruchsgefahr. Eingesetzt wird es bereits bei der Polizei in Zürich. Und in Bayern hat gerade ein Pilotprojekt begonnen. Das Prinzip hinter Precobs ist einfach: Es analysiert Einbruchsdaten nach Mustern.
    "Diese Muster finden sie in größeren Datenmengen, wir gucken uns also die Daten der Vergangenheit an, suchen diese Muster und können dann die Räume identifizieren, die als besonders gefährdet gelten."
    Um die Software zu nutzen, geben Polizisten die Informationen über aktuelle Einbrüche ein. Die Software berechnet anhand dieser und der Daten der letzten drei bis fünf Jahre dann die Orte mit erhöhter Gefahr. Also die Stellen, an denen in den nächsten zwei bis sieben Tagen ein weiterer Einbruch erwartet wird. Auf einer Karte sehen die Beamten diese Bereiche dann rot eingefärbt – als Kreise mit einem Durchmesser von maximal 500 Metern. Die Polizei kann dann überlegen, welche Schlüsse sie aus den Hinweisen zieht, beispielsweise ob sie eine Streife dort öfters vorbeifahren lässt. Die Theorie hinter den Prognosen nennt sich "Near Repeats".
    "Near repeats bedeuten, dass zwischen einer Ersttat und einer Folgetat ein enger zeitlicher und räumlicher Bezug besteht."
    Als Grundlage für die Prognosen dienen lediglich Tatort und Tatzeit von vorangegangenen Verbrechen, sowie die Vorgehensweise und die erstandene Beute. Personenbezogene Daten wie Täterprofile oder Mobilfunkdaten werden nicht verwendet. Thomas Schweer hält das auch nicht für notwendig.
    "Ich bin nicht überzeugt, dass je mehr Daten ich rein tue in ein System, reinfüttere in ein System, dass die Qualität der Prognosen linear steigt, also irgendwann gibt es auch eine kritische Schwelle."
    Auch Bedenken über den Umlauf der Daten zerstreut Schweer. Precobs läuft auf den Rechnern der Polizei, wo auch die Daten liegen. Dadurch sollen diese nicht in die falschen Hände gelangen. Anders sieht es da beim kalifornischen Konkurrenten PredPol aus. Dieser bietet eine ganz ähnliche Software an, mit einem gravierenden Unterschied - Kommunikationschef Donnie Fowler sieht sein Unternehmen vor allem als Dienstleister:
    "Wir sind vor allem ein Cloud-Software-Anbieter. Die Polizei übermittelt uns ihre Daten in die Cloud, wir führen die Prognosen in der Cloud durch, und liefern die Vorhersagen den Polizeibeamten auf Karten zurück für ihre täglichen Einsätze."
    Ganz gleich ob klassische Software oder Cloud-Dienst: Beide Systeme können erfahrene Polizisten nicht ersetzen. Die Vorhersagen sollen stattdessen dazu dienen, die Beamten effizienter einzusetzen.