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Schöne neue Spielwelt

In der Musik hat der digitale Vertrieb von Audiodateien die CD fast abgelöst, das gleiche Schicksal droht nun auch den Videospielen. Ob Nintendo oder Sony, die einstigen Platzhirsche dürften in ihren Elektromärkten bald alleine spielen. Das wahre Milliardengeschäft findet im App-Store statt, auf Mobilgeräten und in sozialen Netzen.

Von Christian Schiffer | 18.04.2012
    Einen Trailer gibt es schon zu "GTA 5", dem großen Videospiel des kommenden Jahres. Wenn "GTA 5" dann endlich erscheint, werden Fans die Läden stürmen, 60 Euro auf den Tisch knallen, zu Hause eine Scheibe auspacken, sie mit zittrigen Fingern in ihre Konsole schieben und dann für Tage verschwinden. So ist man es gewohnt, so oder so ähnlich war es immer. Doch das könnte sich ändern. Es zeichnet sich immer stärker ab: Das klassische Computerspiel gerät mächtig unter Druck, sagt Markus Schwerdel von der Computerspielzeitschrift "GamePro":

    "Es gibt tatsächlich immer noch dieses: 'Ich gehe in den Laden, schiebe es in die Konsole - und fertig'. Aber es gibt auch ganz viele andere Modelle. Ganz groß im Kommen ist zum Beispiel Free-to-play. Das heißt: Ich spiele das Spiel erst einmal umsonst, lade es mir gratis aus dem Internet, darf es so lange spielen, wie ich will. Ich komme aber irgendwann an einen Punkt, wo ich sage: Ich muss jetzt Geld ausgeben, damit ich schneller vorankomme. Damit ich meine Häuser schneller bauen kann, damit meine Pflanzen schneller wachsen, damit ich stärker bin. Und erst ab diesem Punkt zahle ich dann."

    Dieses Geschäftsmodell gibt es vor allem bei Social Games, wie etwa dem berühmt-berüchtigten "Farmville". Und dieses Geschäftsmodell bringt Geld, sehr viel Geld. Der Wert von Zynga, der Firma hinter "Farmville", wurde schon auf zehn Milliarden US-Dollar geschätzt; Hersteller klassischer Computerspiele wie THQ fahren dagegen horrende Verluste ein, der Umsatz des Computerspiel-Urgesteins Nintendo ist um 50 Prozent gesunken. Schuld daran ist auch Apple: Für das IPhone und das iPad gibt es immer mehr Spiele, die oft nur sehr wenig kosten. Ein Beispiel: Die App "Angry Birds" wurde bereits 50 Millionen Mal heruntergeladen. Das Spiel kostet gerade einmal 79 Cent. Nintendo hat dem Konkurrenten deswegen vorgeworfen, Computerspiele regelrecht zu entwerten. Markus Schwerdel dagegen findet: Nur weil ein Spiel wenig kostet, muss es nicht schlecht sein:

    "Das sind sehr liebevolle Spiele, in die sehr viel Arbeit hineingeflossen ist. Nur ist das Geschäftsmodell ein ganz anderes, als es Nintendo gewohnt ist. Nintendo will auf einen Schlag seine 40 Euro bekommen; und hier geht der Entwickler ein Risiko ein bei diesen Handy-Spielen und muss erstmals das Vertrauen der Spieler gewinnen und dann erst fließt Geld. Damit ist Nintendo nicht glücklich, denn das widerspricht völlig dem, was sie seit Jahren machen."

    Um aus ihren Spielen noch mehr Geld herauszupressen, setzen die Hersteller klassischer Computerspiele vor allem auf "Downloadable Content", kurz DLCs. Das muss man sich vorstellen, wie ein Hemd, das man im Laden kauft, bei dem aber zwei Knöpfe fehlen, die man dann für Geld nachkaufen muss. Bei Computerspielen heißt das: Der Gamer zahlt für das Spiel und dann noch mal: etwa wenn er ein Bonuslevel ausprobieren oder seinem virtuellen Fußballer ein neues Trikot spendieren möchte. Und auch sonst sucht die klassische Spielindustrie krampfhaft nach neuen Geschäftsmodellen. Ein Spiel kaufen und dafür einen festen Preis zahlen, das wird es in der Zukunft nicht mehr geben, meint Markus Schwerdel:

    " Ich zahle vielleicht stundenweise - oder ich zahle nur für den Content, den ich nutze. Ich spiele keinen Multiplayer, also zahle ich auch kein Multiplayer. So etwa wird die Zukunft sein."

    Man zahlt so lange, wie man spielt. Irgendwo her kommt einem das bekannt vor. Damals hieß es bei Videospielautomaten "Insert Coin". Und wer länger zocken wollte, musste nachwerfen. Die Rettung für das klassische Computerspiel: Sie könnte also in der Vergangenheit liegen.