Mittwoch, 24. April 2024

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Schokolade zum Frühstück

Fürs neue Jahr hat Bridget Jones sich viel vorgenommen, etwa das Rauchen aufzugeben, weniger Alkohol zu trinken, alle Kleider, die sie mehr als zwei Jahre nicht getragen hat, an Obdachlose zu geben, nie mehr hereinzufallen auf Alkoholiker, Workaholics, Beziehungspaniker, Typen mit festen Freundinnen oder Ehefrauen, Frauenfeinde, Größenwahnsinnige, Chauvis, emotionale Flachwichser, Schmarotzer, Perverse. Statt dessen trägt sie sich mit dem Gedanken, eine Rentenversicherung abzuschließen und drei mal pro Woche ins Fitnesscenter zu gehen, und zwar nicht nur, um Sandwiches zu essen. Sie will sich keine Bücher von unlesbaren, hochliterarischen Autoren mehr ins Regal stellen, nur um Eindruck zu schinden, und sie will sich keine ausgefallene Unterwäsche mehr kaufen, da sie sowieso keinen Freund hat, der eine solche Anschaffung wert wäre. Sie will überhaupt nicht mehr ausgeben, als sie verdient.

Simone Hamm | 27.01.1998
    Glücklicherweise setzt Bridget Jones die guten Vorsätze nicht in die Tat um, denn ein Roman über eine kreuzbare Mrs. Jones wurde die Leser und Leserinnen wohl kaum so zu Lachtränen hinreißen wie Helen Fieldings "Schokolade zum Frühstück" es vermag.

    Die britische Kolumnistin hat einen sehr unterhaltsamen, überaus witzigen Roman über eine jener Frauen Anfang dreißig geschrieben, die zwar herabsehen auf die selbstgefälligen Ehefrauen, die plopp, plopp, plopp ein Kind nach dem anderen in die Welt setzten, sich in Spitzenjobs dumm und dämlich verdienen und scheinbar leichtfüßig in die innersten Kreise der guten Gesellschaft vordringen, die aber einen Anflug von Neid nicht verhehlen können, wenn sie an ihre eigene Situation denken: ohne Freund, ohne Spitzenjob und gequält von den Freundinnen, die eine gute Partie gemacht haben, mit dem hingeflöteten Satz: Was macht denn die Liebe? Bridget Jones hat richtiggehende Anfälle von Lebensangst, fürchtet, einsam und allein zu sterben und Wochen später gefunden zu werden, angenagt vom eigenen - noch nicht vorhandenen - Schäferhund.

    Bridget Jones ist ein Kind der Cosmopolitan-Kultur, komplexbeladen durch die Fotos der Supermodels und die vielen, vielen Psychotests. Sie schwankt hin und her zwischen dem Wunsch, einen Mann zu ehelichen, wenngleich auch einen passableren als ihre Freundinnen,und dem Wunsch einen bitterbösen Artikel zu schreiben über all die hart arbeitenden Ehefrauen. In dem lautete es dann etwa so: "Wenn sie von der Arbeit kommen, brechen sie regelmässig in Tränen aus, weil sie, obwohl sie völlig erschöpft sind, Kartoffeln schälen und die ganze Wäsche in die Maschine stopfen müssen, während ihre feisten, aufgeschwemmten Ehemänner rülpsend vor dem Fernseher hocken, und gnadenlos nach ihrem Fressen schreien. An anderen Abenden fallen sie mit unmodernen Kittelschürzen in große , schwarze Löcher, nachdem ihre Ehemänner angerufen und gesagt haben, daß sie wieder Überstunden machen müßten, obwohl Geräusche von quietschender Lederkleidung und sexy Singlefrauen, die im Hintergrund kichern, eine ganz andere Geschichte erzählen."

    "Bridget Jones Diary" - Bridget Jones Tagebuch - ist der Originaltitel von "Schokolade zum Frühstück". Der tägliche Eintrag beginnt mit der Angabe von Gewicht, Zigaretten-und Alkoholkonsum, Kalorienverbrauch : Kalorien 2452 ( nicht sehr gut), die Treppe hinuntergegangen um nach valentinartigem Umschlag zu schauen 18mal (psychologisch schlecht, aber trainingsmässig sehr gut), und dem Vermerk der genauen Anzahl der gekauften Lose.

    Am Ende des Jahres zieht Bridget Jones Bilanz: Da hat sie es auf 5277 Zigaretten gebracht und auf 11.090.265 Kalorien. Sie hat 32,5 Kilo zugenommen zugenommen und 33 Kilo abgenommen, sie hatte 42 richtige und 387 falsche Lottozahlen. Sie hatte zwei Freunde, den einen aber bis zum Neujahrstag erst wenige Tage. Einen einzigen Neujahrsvorsatz hat sie gehalten. Welchen, sagt sie nicht.

    In dürre Zahlen hat sie das Jahr zusammengefaßt, das sie zuvor auf 247 Seiten ausgebreitet hatte: der tägliche Kampf gegen die Gewichtszunahme, die Verliebtheit in den blasierten Chef, die weinseeligen Treffen mit den Freundinnen im Café Rouge, denen Bridgit Jones ihr Herz ausschüttet wie auch ihrem Freund Tom, einem freundlichen Mann, der zuhören kann, einfühlsam ist - und schwul. Er meint, daß Homosexuelle und Frauen in den Dreißigern eine Schicksalsgemeinschaft bilden: sie enttäuschten ihre Eltern und würden von der Gesellschaft als Mißgeburten angesehen.

    Helen Fieldings Roman ist gespickt mit Toms sarkastischen Lebensweisheiten und der Art von Ratschlägen, die jeder gern hört und niemand befolgt. Als Bridget etwa bei einem Neujahrstruthahncurryessen mit einem frisch geschiedenen Anwalt verkuppelt werden soll, erklingt Toms Warnung in ihrem Ohr: Mark Darcy "drehte sich um und enthüllte, daß das, was von hinten wie ein harmloser marineblauer Pullover ausgesehen hatte, in Wirklichkeit einen V-Ausschnitt sowie ein in verschiedenen Gelb- und Blautönen gehaltenes Rautenmuster hatte - wie es unter anderem die ältere Garde unter Englands Sportreportern bevorzugt. Wie mein Freund Tom häufig bemerkt, ist es erstaunlich, wieviel Zeit und Geld man bei der Partnersuche sparen kann, wenn man genau auf die Einzelheiten achtet. Eine weiße Socke hier, ein paar rote Hosenträger dort, ein grauer Slipper oder ein Hakenkreuz reichen meistens aus, um einem klarzumachen, daß es zwecklos ist, sich die betreffende Telefonnummer zu notieren und Geld für teure Restaurants aus dem Fenster zu werfen, weil sowieso nie was daraus werden wird."

    Solche Gleichsetzungen wie die vom grauem Slipper und Hakenkreuz, die Gleichsetzung von schlechtem - aber beispielsweise in Hamburg durchaus üblichen Geschmack - mit den Insignien des Faschismus, sind Helen Fieldings Stilmittel. Sie ist wie ihr überkandideltes alter ego Bridget Jones eine moderne Frau, eine postmoderne Frau.

    Das weiß Helen Fielding, damit spielt sie, läßt Freunde über Bridget Jones sagen: "Bridget gehört zu denen, die glauben, der Moment, in dem bei Herzblatt die Trennwand fällt, wäre kulturell auf demselben Niveau wie Othellos Monolog ‘Wird dies dein Bild mich fort vom Himmel schleudern’.. (Bridget ist) eindeutig eine bedeutende Vertreterin der Postmoderne."

    Bridget Jones ist passionierte Serienguckerin, kann aber auch über Sarajewo diskutieren. Bridget ist eine fähige Verlagsangestellte, wechselt aber zu einem Boulevard TV- Sender, wo sie die üblichen Themen vorbereitet: Sex in der Kirche, lesbische Vergewaltigungsopfer, arbeitslose Jugendliche. Und wenn keiner kommt, hilft sie schon mal mit Geld nach. Sie trägt Designer-Klamotten und guckt auf die Namen der Label. Wenn sie im Kaufhaus zu weinen anfängt, dann garantiert vor einem Phillip-Starck Sieb für 185 Pfund, und wenn sie einen Ingwerpudding in die Mikrowelle schiebt, ist der von Marks and Spencer.

    Helen Fieldings "Schokolade zum Frühstück" ist schnell und urkomisch geschrieben, ein Buch für einen Strandtag, für einen verregneten Sonntag. Seinen großen Erfolg in Großbritannien verdankt der Roman wohl vor allem den Wiedererkennungsmomenten. So schrill wie Bridget Jones sind wir zwar nicht, aber unglücklich allein, zu dick, zu dünn, zu wenig schlagfertig, zu wenig geistreich haben wir uns doch alle einmal gefühlt. Und von einer übermächtigen Mutter, die alles besser kann und besser weiß, für die Selbstzweifel ein Fremdwort ist und die mit sechzig noch eine Karriere als Fernsehmoderatorin startet, die den Vater verläßt, um sich mit einem jungen portugiesischen Kleinkriminellen mit Männerhandtäschchen zu vergnügen, von so einer oder einer anderen übermächtigen Mutter wollten wir uns doch alle schon längst befreien.

    Und weil jeder weiß, wie das ist, wenn man ein Telefon anstarrt, das partout nicht klingeln will, und das, wenn es dann doch klingelt, nur die besserwisserischen Ratschläge der Mutter am Ende der Leitung parat hat, deshalb ist "Bridget's Diary" so ein enormer Erfolg beschieden.