Freitag, 19. April 2024

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Schostakowitsch: Streichquartette

Heute mit einer Aufnahme aus dem Bereich Kammermusik. Dazu begrüßt Sie am Mikrophon Norbert Hornig. * Musikbeispiel: Schostakowitsch - Streichquartett Nr.3, 1.Satz Der Beginn des ersten Satzes aus dem Streichquartett Nr.3 F-Dur op.73 von Dmitri Schostakowitsch. Schostakowitsch schrieb das Werk im Jahre 1946. Es gehört zu seinen beliebtesten und am meisten aufgeführten Quartetten. Das Philharmonia Quartett Berlin hat dieses unmittelbar zugängliche Werk zusammen mit den Quartetten Nr.7 und Nr.12 für das Label Thorofon eingespielt. In einer Zeitspanne von fast vier Jahrzehnten komponierte Schostakowitsch insgesamt 15 Streichquartette. Erst spät, nach der 5.Sinfonie, näherte er sich dieser Werkgattung und orientierte sich dabei am großen Vorbild Ludwig van Beethoven. Seinen ersten Versuch, den er 1938 unternahm, bewertete der selbstkritische Komponist noch nicht sehr hoch. Umso intensiver beschäftigte ihn die Gattung Streichquartett in der Folgezeit. Es entstand schließlich ein gewaltiger Werkzyklus, der im Gesamtschaffen des Komponisten so gewichtig dasteht wie die 15 Sinfonien.

Norbert Hornig | 08.11.1998
    Im Gegensatz zum Erstlingswerk war Schostakowitsch mit dem enorm farbigen und abwechslungreichen dritten Quartett außerordentlich zufrieden. Das fünfsätzige Stück entstand nach Vollendung der stimmungshellen neunten Sinfonie. Es ist gleichsam ein Kompendium von Stilmitteln, die den typischen Schostakowitsch-Klang jener Zeit ausmachen. Im dritten Satz wütet ein martialischer Marsch im Stechschritt-Muster, den Schostakowitsch mit Ironie einfärbt. Die direkte Parallele zum Finale der neunten Sinfonie ist hier unüberhörbar. * Musikbeispiel: Schostakowitsch - Streichquartett Nr.3, 3.Satz Der 3.Satz aus dem Streichqaurtett Nr.3 F-Dur op.73 von Dmitri Schostakowitsch, gespielt vom Philharmonia Quartett Berlin. Das Philharmonia Quartett Berlin wurde im Jahre 1985 gegründet. Es setzt sich zusammen aus Mitgliedern des Berliner Philharmonischen Orchesters. Der Primarius, Daniel Stabrawa, stammt aus Krakau. Er kam 1983 in das Orchester und rückte drei Jahre später zum ersten Konzertmeister auf. Sein Kollege Christian Stadelmann, der seine geigerische Ausbildung bei Thomas Brandis in Berlin erhielt, gehört den Berliner Philharmonikern seit 1985 an. Heute ist er Stimmführer der zweiten Violinen. Der Bratschist Neithart Resa studierte bei Michel Schwalb‚ und Max Rostal zunächst Violine. Erst später wechselte er, auf Anraten von Max Rostal, zur Bratsche über. Seit 1978 ist er erster Solobratschist des Orchesters. Bereits im Jahre 1977 kam der Cellist Jan Disselhorst zu den Philharmonikern, nach Studien bei Alexander Molzahn in Frankfurt und bei Wolfgang Boettcher in Berlin.

    Ob zum Vergnügen in privatem Rahmen oder mit professionellen Ambitionen: Traditionell widmen sich die Mitglieder der Berliner Philharmoniker intensiv auch der Kammermusik. Eine Vielzahl von Kammermusik-Formationen sind so aus den Reihen des Orchesters hervorgegangen, Streichquartette gibt es gleich mehrere. Das Philharmonia Quartett gehört sicher zu den gefragtesten Ensembles aus den Reihen des Orchsters. Regelmäßig unternehmen die Musiker Tourneen durch Europa, Amerika und Japan. Auch als Schallplattenensemble ist das Philharmonia Quartett Berlin erfolgreich. Mit den Schostakowitsch-Quartetten Nr.3, 7 und 12 hat das Ensemble jetzt seine siebte CD bei Thorofon vorgelegt. Hören Sie als nächstes Musikbeispiel den 2.Satz aus dem siebten Streichquartett. Es ist das kürzeste und konzentrierteste aller Schostakowitsch-Quartette. Das Werk entstand im Jahre 1960 - der Komponist widmete es seiner 1954 verstorbenen ersten Frau Nina Wassiljewna. Trauer und Verzweiflung finden ihren Ausdruck in knirschenden Dissonanzen. Verglichen mit dem dritten Quartett wirkt die Musik ernster und karger, dafür gewinnen neue klangfarbliche Mittel an Bedeutung. * Musikbeispiel: Schostakowitsch - Streichquartett Nr.7 2. + 3.Satz Der zweite und dritte Satz aus dem Streichquartett Nr. 7 fis-moll op.108 von Dmitri Schostakowitsch. Es musizierte das Philharmonia Quartett Berlin. Die Interpretation des Philharmonia Quartetts bewegt sich erwartungsgemäß auf höchstem instrumentaltechnischen Niveau. Die Perfektion und Brillanz, die auch das Berliner Philharmonische Orchester auszeichnen, spiegeln sich hier gleichsam in kleinerem Rahmen wieder. Das Spiel des Philharmonia Quartetts ist geprägt von großer Klarheit und Deutlichkeit. Das Geflecht der Stimmen bleibt stets durchhörbar. In dieser Hinsicht hat auch die Klangtechnik sehr gute Arbeit geleistet. Die Musiker aus Berlin nähern sich der Musik von Schostakowitsch mit Strenge und einer gewissen Sachlichkeit. Nichts gerät ihnen außer Kontrolle, auch in den eruptiven und motorisch aufgeheizten Passagen nicht. Der Gesamteindruck rundet sich zu einer geschlossenen, emotional stets beherrschten Interpretation, die mitreißt, aber ohne jeden vordergründigen Effekt auskommt. So auch im Streichquartett Nr.12 von 1968, in dem Schostakowitsch erstmals Elemente der Zwölftontechnik eingearbeitet hat. * Musikbeispiel: Schostakowitsch - Streichquartett Nr.12, 2.Satz Die Neue Platte. Der zweite Satz aus dem Streichquartett Nr.12 Des-Dur op.133 von Dmitri Schostakowitsch in einer Interpretation mit dem Philharmonia Quartett Berlin. Die Aufnahme ist auf dem Label Thorofon erschienen. Noch einen schönen Sonntag wünscht Ihnen Norbert Hornig.