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Schottland
Commonwealth Games für den Aufschwung

In Glasgow werden am Mittwoch die Commonwealth Games eröffnet, mit 6.000 Teilnehmern aus mehr als 70 Ländern und Regionen. Sie verbindet die Wurzeln im Vereinigten Königreich. Die schottischen Gastgeber versprechen sich von den Spielen vor allem einen Aufschwung für die Stadtentwicklung.

Von Ronny Blaschke | 24.07.2014
    Blick auf das Polizeihauptquartier in Glasgow.
    Die Polizei in Glasgow East ist in ständiger Alarmbereitschaft. Der Stadtteil gilt als Problemviertel. (picture-alliance / dpa / Lars-Marten Nagel )
    Die Londoner Zeitung "Times" hat den Osten Glasgows als die härteste Gegend Großbritanniens bezeichnet. In keiner Region Europas sterben so viele Menschen an Alkoholkonsum. Im Stadtviertel Calton liegt die Lebenswartung der Männer bei Mitte fünfzig. Schwächere konkurrieren hier oft mit noch Schwächeren: Junge Eltern ohne Arbeit, Senioren mit kleiner Rente und Drogenabhängige. Zum Beispiel hat die Hälfte der Menschen mit einer Behinderung keinen Job.
    Soziale Missstände in Glasgow East
    Peter McMahon hat sein ganzes Leben in Glasgow East verbracht. Er lebt mit einer Zerebralparese, einer Störung des Nervensystems. Es hat Zeiten gegeben, da traute er sich nicht aus dem Haus:
    "Menschen mit einer geistigen Behinderung wie ich werden zu einer Zielscheibe. Einmal saß ich im Bus auf dem Weg nach Hause. Ein Schulmädchen hat mich an die Fensterschreibe gedrückt, zwei Freundinnen von ihr fanden das witzig. Der Bus war voll, niemand hat mir geholfen. Ich war schockiert und habe mich vier Wochen lang in meiner Wohnung eingeschlossen, ich wollte niemanden sehen. Aber es hätte noch schlimmer kommen können. Sie hätten mich auch mit einem Messer angreifen können."
    Peter McMahon steht an der London Road, die durch den Osten Glasgows führt. Der Gärtner blickt auf den Celtic Park, das Fußballstadion seines Lieblingsvereins. Auf der anderen Seite der Straße ist ein moderner Sportkomplex entstanden. Dahinter liegt das Athletendorf für die sechstausend Teilnehmer. Es soll später 700 Wohnungen und einem Seniorenheim Platz bieten. Peter McMahon freut sich über neue Straßen und Bushaltestellen. Glasgow befinde sich im Aufbruch, sagt er, viele Menschen haben wieder eine Aufgabe:
    "Ich werde bei den Spielen als Helfer aktiv sein. Ich habe mich beworben und einen Posten erhalten. Ich werde am Bahnhof unseren Gästen den Weg weisen. Ich habe das schon einmal gemacht: 2005, als die Special Olympics für Sportler mit geistiger Behinderung in Glasgow stattfanden. Damals habe ich die Schwimmwettbewerbe verfolgt, das war wunderbar. So kann ich einen Beitrag für unsere Gemeinschaft leisten."
    Arbeitsplatzmangel und Bevölkerungsschwund
    Glasgow wurde einst von der Industrialisierung Schottlands im 19. Jahrhundert geprägt. Doch das Britische Imperium zerbrach, der Schiffbau wanderte nach Asien ab, die letzten Hochöfen wurden in den siebziger Jahren still gelegt. Neue Einkaufszentren konnten den Aderlass der Arbeitsplätze nicht stoppen, berichtet George Redmond. Der Leiter einer Genossenschaftsbank vertritt Glasgow East im Stadtrat, für die Arbeiterpartei Labour:
    "Und niemand machte sich Gedanken, wie dieser Verlust ausgeglichen werden könnte. In dieser Gegend sind innerhalb von zwanzig Jahren fast siebzig Prozent der Einwohner weggezogen. Ins Umland oder in andere Stadtteile. Es gibt viele Probleme in dieser Gegend. Wir brauchten ein Ereignis, und dann haben wir zusammen eines der größten städtischen Regenationsprogramme Europas auf die Beine gestellt."
    Commonwealth Games für den Fortschritt
    Immer wieder bemühte sich die Verwaltung um öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen und Wettbewerbe. Oben auf ihrer Agenda: der Sport. Die Commonwealth Games sollen den Fortschritt nun auch in den gebeutelten Osten bringen. Die Investitionen in die Infrastruktur belaufen sich auf eine Milliarde Pfund, also 1,3 Milliarden Euro. George Redmond:
    "Ich freue mich auf den 4. August, wenn die Spiele vorbei sind und die Menschen hier endlich von den Investitionen profitieren können. Es ist Wohnraum für 20.000 Menschen entstanden, es gibt 10.000 neue Arbeitsplätze. Und ich hoffe, es werden sich viele Unternehmen hier ansiedeln."
    Die Unterstützung für die Spiele in der größten Stadt Schottlands war parteiübergreifend. Shona Robison ist in der schottischen Regionalregierung Ministerin für Gesundheit und Sport:
    "Achtzig Prozent der beteiligten Firmen haben ihren Sitz in Schottland. Einige sind sehr klein, sie haben eine schwere Rezession hinter sich und vielleicht konnten sie gerade durch die Commonwealth Games überleben. Es gibt mehr als fünfzig Programme, die auf die Nachhaltigkeit der Spiele setzen. Wir hoffen, dass viele Menschen mehr Sport treiben und sich gesünder ernähren. Dieser Wandel passiert nicht über Nacht, die Programme sind auf einige Jahre ausgelegt. Es ist uns wichtig, die Psychologie zu ändern."