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Schottland
Hoch das Bein

Das Nachtleben von Glasgow ist bekannt für seine unzähligen Pubs, Bars und Clubs. Im "Sloans", dem wohl ältesten Pub der Stadt, treffen sich jeden Freitag Tanzwütige aus aller Welt, und wirbeln beim traditionellen Ceilidh über den ehrwürdigen Tanzboden. Das ist nicht nur schweißtreibend, sondern macht eine Menge Spaß.

Von Franz Michael Rohm | 21.09.2014
    An ihrem unteren Ende trifft die Haupteinkaufsstraße Glasgows, die Buchanan Street, auf die Argyle-Street, an der ein großes Outlet-Center liegt. Freitagabend herrscht hier hektische Betriebsamkeit. Mit Tüten bepackte Menschen strömen aus den Einkaufszentren und Geschäften nach Hause.
    Andere sind bereits auf dem Weg in die Pubs und Clubs der schottischen Metropole.
    Fast übersieht man den kleinen Durchgang zwischen zwei Fassaden der Argyle-Street. Nach wenigen Schritten hat man das Gefühl, eine Zeitreise in die Vergangenheit zu machen.
    Dicht gedrängt stehen alte Häuser. Schwarz und grau verwittert schimmert der ehemals rosafarbene Sandstein. In der Luft liegt ein säuerlicher Geruch. Eine Ecke weiter erreicht man das klein und geduckt wirkende Sloans. 1779 als Gasthaus mit Pferdewechselstation errichtet, hat das Gasthaus eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Vor zwanzig Jahren schließlich wurde es im Stil des späten 19. Jahrhunderts restauriert.
    Der Schankraum ist gegen acht Uhr gepackt voll. Um die ovale Theke drängen sich Einheimische und Touristen. Aus zwölf Hähnen fließt das Bier in Strömen.
    Neben normalen Pubgängern fallen herausgeputzte junge Leute auf. Manche der Männer tragen den klassischen Kilt zum körperbetonten weißen Hemd, einige Frauen in eleganten Kleidern ziehen die Blicke auf sich.
    Diese Gruppe wartet darauf, dass die Kasse für den Ballsaal im Stockwerk über dem Pub öffnet. Dort spielt jeden Freitagabend spielt eine Band zum Ceilidh auf. So heißt das traditionelle schottische Tanzvergnügen.
    Jeder Tanz hat spezielle Schritte
    Ab um halb neun strömt das Tanzvolk nach oben. Schnell füllt sich der Ballsaal. Die rund hundert Tänzerinnen und Tänzer bewundern die vielen vergoldeten Stuck-Dekorationen in Form von Weinstöcken und die gewölbte Decke des langgestreckten Saals.
    Auf einer kleinen Bühne sitzt ein Musiker-Trio mit Gitarre, Fiddel und Metallflöte. Allen Smith, der Flötenspieler, ist gleichzeitig der Ansager.
    Ohne Ansage geht es nicht. Denn die meisten Gäste kennen sich nicht aus mit dem Ceilidh. Jeder Tanz hat spezielle Schritte, da muss Allen viel erklären.
    Es dauert eine Weile, bis alle begriffen haben, dass die Tanzpartnerin immer links des Mannes steht, dass eine Polkadrehung mit und die Walzer-Drehung entgegen dem Uhrzeigersinn gemacht wird. Nach einigen tumultösen Versuchen geht es schließlich los.
    Bereits nach dem ersten Tanz breiten sich im Saal mit dem dunklen Eichenparkett tropische Temperaturen aus. Zum Glück gibt es zwei Bars, an denen die Gäste ihre Flüssigkeitsdepots wieder auffüllen können.
    Ständig neue Tänze stellt Allen vor: Solche, bei denen große Kreise gebildet werden, und Männer und Frauen sich abwechselnd in der Mitte abklatschen. Oder welche mit vier Paaren, die jeweils über Kreuz wie bei einer mittelalterlichen Quadrille miteinander tanzen. Oder die, bei denen nach jedem Chorus der Partner getauscht wird.
    Beim Ceilidh schmeckt das Bier besonders gut
    Obwohl einige Tänzer Orientierungsprobleme haben, geht das Ceilidh-Vergnügen ohne größere Zusammenstöße vonstatten. Die es kapiert haben, helfen den anderen, und allen macht es Spaß. Auch Weegee aus Edinburg und Christina aus Mexiko.
    "Ich bin das erste Mal hier. Mein Freund hier ist aus Australien zu Besuch. Wir wollten, dass er einen Ceilidh erlebt, unsere schottische Tanz-Kultur. Ich habe Ceilidh in der Schule gelernt und manchmal auf Hochzeiten getanzt. Es macht einfach einen Riesenspaß, jeder kann mitmachen. Und man kommt ganz schön ins Schwitzen. Beim Ceilidh schmeckt das Bier besonders gut."
    "Ich war schon ein paar Mal hier, ich studiere hier in Glasgow. Es ist toll und eine gute Sache, wenn man mit Freunden hierherkommt. Es ist völlig anders als in Mexiko."
    Nach etwas mehr als einer Stunde gibt es eine Pause. Flötenspieler Allen Smith entspannt sich in der Garderobe und erklärt das Besondere des Ceilidh.
    "Ceilidh ist hunderte Jahre alt. Die Musiken und Tänze wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Von dieser traditionellen Musik gibt es kaum Noten. Man spielt sie nach Gehör. Unser Hauptaugenmerk liegt darauf, dass alle Spaß haben. Auch wenn sie nicht alle Schritte hinbekommen. Ceilidh ist ein sehr unterhaltsamer und sozialer Tanz, denn man wechselt laufend die Tanzpartner. So lernt man viele neue Menschen kennen und das macht Spaß. Genau darum geht es.
    Kurz darauf sitzen die Musiker wieder auf der Bühne und Allen sagt den "Dosydo" an, bei dem sich die Tanzpartner Rücken an Rücken im Kreis drehen. Und so geht es weiter, und weiter, und weiter.