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Schottland
London und Edinburgh zanken sich um Atomwaffen

Die Meinungsumfragen zum bevorstehenden schottischen Referendum über die Abspaltung vom Vereinigten Königreich sagen ein immer knapperes Resultat voraus. Entsprechend gereizter werden die Argumente von Befürwortern und Gegnern der schottischen Unabhängigkeit. Nun wird um Rüstungsaufträge und den Standort der britischen Atomwaffen gestritten.

Von Martin Alioth | 17.04.2014
    Schottlands Erster Minister Alex Salmond
    Schottlands Erster Minister Alex Salmond ist für die Loslösung von Großbritannien (picture alliance / epa / Andy Rain)
    Schottlands Erster Minister, Alex Salmond, das Zugpferd der Separatisten, war gut in Form, als er letztes Wochenende seine Anhänger für den Endspurt mobilisierte:
    "Spending one hundred billion pounds over a generation on a new generation of nuclear weapons is an obscenity."
    Hundert Milliarden Pfund über dreißig Jahre für den Ersatz der existierenden nuklearen U-Boote auszugeben, sei obszön. Genau das aber plant die britische Regierung, denn die Vanguard-U-Boote, die mit amerikanischen Trident-Raketen bestückt sind, werden rostig.
    "Let me give this cast-iron guarantee: a yes-vote on September 18th is a vote to remove these weapons of mass destruction from Scotland once and for all."
    Salmond legte ein eisernes Versprechen ab: Ja zur Unabhängigkeit am 18. September bedeute Nein für diese Massenvernichtungswaffen auf schottischem Territorium. Denn die britischen Nuklearwaffen sind derzeit in schottischen Gewässern stationiert, genauer gesagt in Faslane im Mündungstrichter des Clyde vor Glasgow. Rumpf-Britannien müsste sich für teures Geld einen neuen Marinestützpunkt bauen. Rund ein Dutzend früherer britischer Generäle und Admirale warnte diese Woche düster, das würde Großbritanniens Status als Atommacht gefährden. Salmond und seine Separatisten wollen zwar neuerdings NATO-Mitglieder bleiben, aber eben ohne Atomwaffen. London droht schon mit Vergeltungsmaßnahmen. Der britische Verteidigungsminister Philip Hammond nutzte einen Besuch im schottischen Werk des französischen Rüstungskonzerns Thales:
    "The creation of a border between this facility and its largest customer would put at jeopardy the future prosperity of this business and the people who work in it and their families and dependents."
    Eine Grenze zwischen dieser Fabrik und ihrem größten Kunden würde die Arbeitsplätze der Belegschaft gefährden. Ein Ingenieur von Thales wurde im britischen Fernsehen zitiert, er empfinde das als Erpressung:
    "It just seems to reinforce the attitude and perception that already surrounds the No-campaign, to be honest, that of the negativity."
    Die Aussage bestätige die Haltung der Unabhängigkeitsgegner, die von Negativität gekennzeichnet sei. Das ist in der Tat ein Problem für die Befürworter des gegenwärtigen Zustandes: sie verfallen allzu gerne in Drohungen. Schottlands Regierungschef Salmond verspottete die englische Boykott-Gebärde, die auch künftige Aufträge der Royal Navy für schottische Werften umfasst:
    Yeah, it's kind of ironic. He made the comments at a French multinational company which emphasizes how friends and neighbours cooperate in defence."
    Es sei doch pikant, dass Hammond diese Aussagen ausgerechnet in der schottischen Filiale eines französischen Multis gemacht habe. Das illustriere, wie Freunde und Nachbarn in der Rüstungspolitik zusammenarbeiteten. Salmond und seine Scottish National Party haben ihre Zukunftsvision schon dramatisch verwässert, um die Zustimmung zur Unabhängigkeit zu maximieren. Einst wollten sie den Euro, heute nehmen sie mit dem Pfund vorlieb. Einst wollten sie eine Republik, nun darf die Königin bleiben. Auch den Austritt aus der NATO haben die Separatisten gekippt, doch bei den Atomwaffen werden sie wohl hart bleiben, denn das ist in Schottland populär.