Robert Pfaller: "Erwachsenensprache"

Die Janusköpfigkeit der gegenwärtigen Politik

Robert Pfaller: "Erwachsenensprache"
Robert Pfaller kritisiert die ständigen Warnungen vor verletzender Sprache. © Fischer Verlag
Verschenkt von Lesart- und Sachbuchredakteurin Svenja Flaßpöhler · 04.12.2017
Warum stürzen Politiker über dumme Macker-Sprüche, aber nicht über Waffenlieferungen an Saudi-Arabien? Solche Phänomene untersucht der Philosoph Robert Pfaller in seinem neuen, im besten Sinne provozierenden Buch.

Worum geht es?

Ich verschenke dieses Jahr Robert Pfaller: "Erwachsenensprache. Über ihr Verschwinden aus Politik und Kultur". In diesem Buch geht es um die Janusköpfigkeit der gegenwärtigen westlichen Politik, allen voran die der USA, die ja einerseits überhaupt nicht zimperlich sind, also, es gibt: Waffengesetze, die regelmäßig zu Massenschießereien führen, 13,5 Prozent der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze.
Wir haben es mit Kriegseinsätzen zu tun und so weiter. Gleichzeitig aber - und hier kommt die Janusköpfigkeit - haben wir es zu tun mit ständigen Warnungen vor Erwachsenensprache. Also vor einer Sprache, die möglicherweise die eigenen Gefühle verletzt. Und genau auf diese Janusköpfigkeit macht Pfaller in seinem Buch aufmerksam.
Er identifiziert zwei scheinbar entgegengesetzte Mechanismen die aber ineinander greifen, dass die Infantilisierung der Gesellschaft auch zu deren Entsolidarisierung und Entpolitisierung führen, weil alle sich nur noch um ihre eigenen Befindlichkeiten kümmern.

Was ist das Besondere?

Mich begeistert, wie zielsicher Pfaller das Herz der gegenwärtigen Debatten trifft. Tatsächlich erleben wir ja allerorten, wie die Kultur durchgeschrubbt wird, um das Individuum vor Schmutz zu schützen. Und da ist natürlich die "me too"-Debatte und der Diskurs um Sexismus nur das prominente Beispiel, mit dem wir es gegenwärtig zu tun haben.
Man mag sagen, das ist begrüßenswert, dass es eine solche Kampagne gibt. Doch Pfaller beleuchte die andere Seite, die wir eben auch sehen müssen. Anstatt dass die Leute sich gemeinsam gegen die neoliberale Ausbeutung stemmen, kümmert man sich darum, dass die eigenen Gefühle geschützt werden. Das ist, wenn man so will, nicht nur infantil, sondern auch narzisstisch.

Wem wollen Sie es denn schenken – und warum?

Ich schenke das Buch meiner Kollegin Simone, weil es sie und all jene herausfordert, die in Anti-Diskriminierungsdiskursen nichts anderes sehen wollen als einen gesellschaftlichen Fortschritt. In dieser Sichtweise gibt es einen blinden Fleck und den leuchtet Robert Pfaller auf erhellende Weise aus.

Robert Pfaller: Erwachsenensprache. Über ihr Verschwinden aus Politik und Kultur
S. Fischer, Frankfurt/Main 2017
256 Seiten, 14,99 EUR

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