Archiv

Schottlands Natur im Wandel
"Der Wald erinnerte mich an eine Geriatrie"

Dundreggan, ein kleiner Ort in den schottischen Highlands, ist so etwas wie das Mekka der Aufforstungsbewegung. Alan Watson Featherstone, der Gründer der Initiative "Trees for Life", hat sich ein Gebiet mit einigen Überresten des kaledonischen Waldes ausgesucht - in 250 Jahren soll es wieder bewaldet sein. Doch bis dahin ist es ein langer Weg.

Von Gabor Paal | 10.08.2016
    Viele Freiwillige Unterstützen das Wiederaufforstungsprojekt. Setzlinge werden gezogen und gesetzt.
    Viele Freiwillige Unterstützen das Wiederaufforstungsprojekt in den schottischen Highlands. (Deutschlandradio / Gabor Paal)
    Dundreggan, ein kleiner Ort in den Highlands westlich von Loch Ness, ist so etwas wie das Mekka der Aufforstungsbewegung. Aufforstung ist eigentlich das falsche Wort. Denn kein Forst, kein Nutzwald soll hier entstehen. Vielmehr soll der ursprüngliche Naturwald, der einst weite Teile der Highlands bedeckte, erneuert werden. Ein Wald, der hauptsächlich aus Laubbäumen bestand, aber schon früh gerodet wurde, um Platz zu schaffen für Landwirtschaft und vor allem die Schafzucht. Noch heute gibt es in Schottland mehr Schafe als Menschen.
    Caledonia, der alte römische Name für Schottland
    Nun pflanzen ein knappes Dutzend freiwilliger Helfer neue Bäume, ziehen Samen, stecken junge Setzlinge in ein Beet. Alan Watson Featherstone, der Gründer der Initiative Trees for Life, graue Haare, Pferdeschwanz. Er schaut in der Regel Donnerstags vorbei, um zu sehen, wie es läuft:
    "Ich habe 'Trees for Life' 1986 gegründet mit dem Ziel, den kaledonischen Wald in den Highlands zu erneuern. Ich fühlte mich kalt in dieser kahlen Landschaft. Die letzten paar Bäume rangen ums Überleben und fielen ihrem Alter zum Opfer. Ich sah, wie sie ihre Samen abwarfen, wie aber alle jungen Triebe vom Wild gefressen wurden. Der Wald erinnerte mich an eine Geriatrie, und mir wurde klar: wenn nichts geschieht, sind in fünfzig Jahren alle Bäume weg. Ich dachte, irgendwer sollte etwas dagegen unternehmen. Und mir dämmerte, dieser irgendwer könnte ja ich sein."
    Der ursprüngliche kaledonische Wald soll wieder entstehen
    Das Kerngebiet des Projekts ist 50 Kilometer lang und 50 Kilometer breit. Es reicht von diesem Tal – Glenmoriston - über knapp 1000 Meter hohe Bergzüge bis ins nördliche Paralleltal – Glen Affric. Featherstone hat sich das Gebiet ausgesucht, weil es hier noch ein paar Überreste des kaledonischen Waldes gibt. Und weil es zwar von Straßen begrenzt wird – aber keine Straßen hindurchführen. Es ist wirtschaftlich kaum erschlossen und soll – so die Vision - in 250 Jahren wieder bewaldet sein.
    Manche Hänge sind zwar schon bewaldet, aber mit kommerziellem Nutzwald, Fichten und Douglasien, in Reih und Glied gepflanzt, in monotonem Dunkelgrün. Genau das, was Featherstone nicht will. Er will den ursprünglichen, kaledonischen Wald mit seinen vielen Nuancen von hellem Grün im Sommer und bunt-leuchtendem Laub im Herbst. Wo der einzige Nadelbaum die Scots Pine, die hier heimische Waldkiefer ist, ansonsten lauter Laubbäume: Birken, Eschen, Ebereschen, Eichen, Eiben, Wacholder – und ein Baum, der Featherstone besonders am Herzen liegt: Die Espe, auch als Zitterpappel bekannt.
    Alan Watson Featherstone, der Gründer der Initiative Trees for Life in Schottland.
    Alan Watson Featherstone, der Gründer der Initiative Trees for Life in Schottland. (Gabor Paal)
    Featherstones Initiative "Trees for Life" genießt in Großbritannien einen guten Ruf. An freiwilligen Helfern mangelt es nicht. Manche kommen für einen Tag, manche für eine Woche, manche, wie Emily, auch für zwei Monate:
    "Heute ist Baumschul-Tag. Wir werden diese Birkensetzlinge zum Überwintern hier ins Beet setzen, so dass wir sie nächstes Frühjahr ins Gelände pflanzen können. Gestern haben wir auch schon Bäume gepflanzt, vor allem Weiden und ein paar Birken. Ich mag diese praktische Arbeit, und die Landschaft ist toll."
    Die von "Trees for Life" bepflanzten Flächen heben sich deutlich ab von den kahlen Hügeln der Umgebung, die Großgrundbesitzern gehören. Die Hälfte von Schottland, sagt Featherstone, ist in der Hand von nur 80 Personen:
    "Unser Nachbar im Osten ist ein Däne, der nur zwei, drei Wochen im Jahr zur Jagd hierher kommt. Und er bewirtschaftet sein Land so, dass er viel zu schießen hat. Das Land talauf gehört einem Belgier, im nördlichen Paralleltal gehören einem Araber etwa 25.000 Hektar gehören, der auch nur ab und an einfliegt, um zu jagen. Diese Leute – nicht alle, aber viele – kommen nur her, um mit ihren Freunden zum Spaß Tiere zu erschießen."
    Als Featherstone Mitte der 80er-Jahre mit seiner Arbeit begann, war er ein Einzelkämpfer, halt so ein Ökofuzzi von der berühmten alternativen Findhorn Gemeinschaft. Das hat sich grundlegend gewandelt. Seine Stiftung führt er zwar in Eigenregie, aber das Ziel – die Wiederbewaldung Schottlands – hat sich auch die staatliche Forstbehörde längst auf die Fahnen geschrieben.
    Deren Vorzeigeprojekt liegt zwei Fahrtstunden weiter südlich. The Great Trossachs Forest, im Herzen des Nationalparks "Loch Lomond and The Trossachs". Das Projektgebiet liegt entlang des romantischen Loch Katrine, ein langgezogener von Bergen flankierter See, in dessen stillem Wasser sich die bewaldeten Hänge in herbstlichen Farben spiegeln. "Das Bild, das wir von Schottland im Kopf haben, hat hier seinen Ursprung", erklärt die junge Projektmanagerin Sue Morris und führt mich zu einer kleinen Schautafel am Rande des Sees, wo auf Knopfdruck ein Gedicht ertönt:
    "Es begann mit diesem Gedicht von Sir Walter Scott, Anfang des 19. Jahrhunderts. Lady of the Lake. Mit Lake – also dem See - war Loch Katrine gemeint. Dieses Gedicht lockte Leute nach Schottland, an diesen schönen Ort. Vorher galten die Highlands einfach als Land von Wilden. Walter Scott schuf das romantische Schottlandbild, das wir bis heute kennen - mit den schönen Lochs und dem herrlichen Bergland. Aber schon damals wurde hier intensive Schafwirtschaft betrieben. Die Schafe haben die Berge kahl geweidet. Insofern entspricht unser romantisches Schottlandbild nicht dem natürlichen Zustand der Highlands.… ja, wenn wir die Gegend wieder bewalden, könnte das die Erwartungen mancher Reisender enttäuschen. Aber ich glaube nicht, dass es sie vergraulen wird."
    "Waldwirtschaft gehört zu unserem Erbe"
    Auch Jo O’Hara, die Leiterin der Staatlichen Forstbehörde in Edinburgh ist zuversichtlich:
    "Wir haben Landschaftsarchitekten, die darauf achten, dass die Wälder mit der Landschaft im Einklang stehen. Auch darauf, dass der Wald von den zentralen Aussichtspunkten des Nationalparks gut aussieht. Der Wald soll sich in die Landschaft einfügen."
    Schottlands Streben nach Unabhängigkeit oder zumindest nach mehr Autonomie hat die neue Liebe zum Wald ebenfalls begünstigt, erklärt Jo O’Hara:
    "Waldwirtschaft ist bei uns generell ein größeres Thema als in England, dort gibt es noch viele andere Industriezweige, die wesentlich wichtiger sind. In Schottland gehört die Waldwirtschaft zu unserem Erbe und unserer Kultur. Und jetzt, da Schottland selbstbewusster geworden ist, entwickelt es zunehmend eine eigene Waldstrategie."
    In Schottland mit seinen harten Wintern wachsen Bäume langsam. Die Früchte unserer Arbeit sehen wir erst in 20, 30 Jahren. Aber ich finde es fantastisch. Ich sage immer, wenn ich 80 oder 90 bin, will ich mit dem Rollstuhl hier herumgefahren werden und sehen, wie die Bäume, die wir heute pflanzen, aussehen. Unsere Kinder und Enkel werden über unsere Arbeit noch sprechen, wenn wir nicht mehr da sind. "