Freitag, 19. April 2024

Archiv

Schreibkultur
Vom Alltagsgegenstand zum Kultobjekt

Das Schreiben mit der Grafitmine hat Tradition - und auch Zukunft. Davon ist Anton Graf von Faber-Castell, Familienoberhaupt und Vorstand von Faber-Castell, fest überzeugt. Sein Glaube manifestiert sich in einer luxuriösen Bleistift-Serie, bei der der Stift auch 195, 350 oder gar 10.000 Euro kosten kann.

Von Jörg Stroisch | 19.11.2013
    Das Bild zeigt einen brauen, hölzernen Bleistift, der auf einem weißen Blatt Papier liegt. Neben ihm steht auf dem Papier ein runde, goldfarbene Hülle für die Spitze. Auf dem Papier steht geschrieben: Der teuerste Bleistift der Welt. Weißgold mit drei Brillanten. Limitierte Auflage, 99 Stück, 10.000 Euro.
    Der teuerste Bleistift der Welt (picture alliance / dpa: Jens Kalaene)
    Der Bleistift schrappt - unverkennbar - über das Papier. In seinem satten Schwarz legt sich das Grafit bei den sehr weichen Stiften auf das Papier, in einem blassen Grau bei den sehr harten. Und es kratzt kräftig ...
    2,3 Milliarden pro Jahr entstehen alleine in den Fabriken von Faber-Castell, eine davon auch in Stein bei Nürnberg.
    Die graue Grafit-Mine wird in dieser Rohstiftschleuse in zwei Holzhälften gepackt. Es riecht nach Leim, ein ganz spezieller, der die Vibration abfängt, wenn der Stift auf den Boden fällt. knallig-lila ist diese Charge, später läuft sie noch durch Trichter, über Bänder, in Sammelkästen, wird mehrfach mit wasserlöslichem Lack bepinselt, beschriftet, angespitzt, die Rutschnoppen kommen drauf, verpackt. Stark automatisiert, rasant und laut. Die Grundidee für den Bleistift gibt es aber so schon seit Jahrhunderten: “This is the oldest pencil in the world. In the 1960s, but it actually dates back to 17th century. As you can see it is actually a piece of graphite that is put into two slats of wood, like a sandwich. And that is how in former time pencil made.“
    Sandra Suppa von Faber-Castell erklärt einem Gast den ältesten Bleistift der Welt. In den den 60er-Jahren wurde der gefunden, hergestellt aber schon im 17. Jahrhundert. Das Prinzip war einfach: Ein viereckiges Stück Grafit wurde zwischen zwei Holzplättchen gelegt, wie ein Sandwich.
    Typisch Grün: Das sind die Bleistifte von Faber-Castell. Denn das war die Regimentsfarbe von Alexander Graf von Faber-Castell Anfang des 20. Jahrhunderts. Zwei Ritter kämpfen deshalb auch auf dem Firmenlogo - aber mit Bleistiften. Der Bleistift ist eben echte Schreibkultur seit mindestens 350 Jahren hier in Nürnberg. Vier Weltunternehmen sind hier heute zu Hause.
    Die Form macht's dabei: Bleistifte sind oft sechseckig, dann rollen sie nämlich nicht weg. Runde mögen aber Vielschreiber gerne, weil sie sich nicht so stark in die Hand eindrücken.
    Außerdem lassen die sich dann besser kauen... Bismarck zumindest nutzte seinen Bleistift zum Pfeifenstopfen. Und wer genau hinschaut, sieht auf dem Ausstellungsstück auch noch die Gebissabdrücke des Fürsten.
    Das würde seinem Besitzer, Anton Graf von Faber-Castell, aber nicht im Traum einfallen. Der macht aus seinen Bleistiften eine regelrechte Passion: “Mein liebstes Schreibgerät, zumindest derzeit, ist der perfekte Graf von Faber-Castell-Bleistift, der sich eben auszeichnet, dass man den Stift aufgrund des gefederten Clips mit sich tragen kann. Außerdem enthält er ein sehr gut funktionierenden Spitzer und einen Radierer hat er, der ebenfalls von guter Qualität ist. Also, man hat so sein kleines Schreibbüro mit sich.“
    Und außerdem würden ihm bei diesem Bleistift auch die Zähne brechen, denn die Aufsatzkappe für das Radiergummi ist platiniert. Und es wäre nebenbei auch noch ein ziemlich kostspieliger Biss. Dieser Bleistift kostet - zwischen 195 Euro und 10.000 Euro.
    Das sind dann schon echte Liebhaber, die sich so was gönnen. Frauke Klotz-Willenbrink von “Graf von Faber-Castell“ sieht aber auch eine andere Zielgruppe: "Der Bleistift an sich ist das kleinste Segment im Bereich des Premiumsegments. Und der Bleistift ist einfach besonders von Kreativen das Schreibgerät. Und das wird es in der Zukunft sicherlich bleiben.“
    In den aufstrebenden Nationen Asiens und Lateinamerikas ist der Bleistift das Schreibgerät Nummer 1 in Schulen. Die weltweit größte Stiftfabrik ist in Brasilien. Und auch sie gehört: Faber Castell. In der westlichen Hemisphäre hingegen erobert sich der Bleistift langsam aber sicher in der urbanen Kultur- und Kreativszene die Rolle als Kultprodukt: Ein Designklassiker, der bezahlbar ist und von der Stilsicherheit seines Benutzers zeugt.
    Es gibt sie noch, die schönen Dinge... Und so schrappt der Bleistift hoffentlich auch die nächsten 350 Jahre übers Papier. In eine gute, also eine mattgraue oder tiefschwarz gefärbte, Zukunft.