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Schreinerei im Odenwald
Chef mit Anfang 20

Das Handwerk hat Nachwuchssorgen. Und in immer mehr Handwerksbetrieben wird der Generationenwechsel zum Problem. Wie es gehen könnte, zeigt eine Schreinerei im Odenwald. Dort ist der neue Chef erst 24 Jahre alt. Jünger als seine Mitarbeiter. Sein Glück: Er kannte den Betrieb schon als Azubi.

Von Ludger Fittkau | 15.02.2019
    Junger Mann neben einem Meisterbrief
    Junger Chef: Moritz Schumacher (Deutschlandradio / Moritz Schumacher)
    In der lichtdurchfluteten Schreinerwerkstatt hat sich der Auszubildende Lucas Katzenmeier ein Brett auf die Werkbank gelegt. Das Holz stammt von einer Douglasie, die hier im Odenwald eher selten verarbeitet wird. Normalerweise dreht sich hier alles um Eiche, Buche oder Esche:
    "Hier die Kanten, die mache ich jetzt. Dass sie nicht mehr so scharf sind."
    Lucas Katzenmeier ist Auszubildender im ersten Lehrjahr der Schreinerei Bellut in Oberzent im Odenwald. Wo sich jetzt sein Arbeitsplatz befindet, stand noch vor zehn Jahren eine alte, baufällige Scheune. Dann entschloss sich die Schreierei mit ihren 5 Mitarbeitern, sich auf dem alten Bauernhof anzusiedeln. Die Scheune wurde abgerissen und auf dem Grundstück ein moderner Holzbau als Schreinerwerkstatt errichtet. Die Energie für die Maschinen kommt überwiegend aus einer im Jahr 2011 errichteten Photovoltaik-Anlage auf dem Dach.
    "Ging schneller, als ich gedacht habe"
    Chef der modernen Schreinerei ist seit dem ersten Januar dieses Jahres der 24 Jahre alte Moritz Schumacher. Dass er in so jungen Jahren schon eine Schreinerei leiten wird, hätte er vor ein paar Jahren auch nicht gedacht, gibt der sportliche junge Mann zu:
    "Na gut, das ging ein bisschen schneller, als ich gedacht habe. Ich habe früher schon gedacht: Ja, ich mache mich irgendwann selbstständig. Aber der Herr Bellut hat mich dann schon in der Ausbildung gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, den Betrieb zu übernehmen. Da war ich dann erst mal überrascht. Aber umso länger ich darüber nachgedacht habe, umso besser hat es mir gefallen. Und da habe ich gedacht: Dann mache ich es jetzt einfach, und bis jetzt klappt es."
    Moritz Schumacher geht voran durch die Schreierei, in der ein eindrucksvoller Maschinenpark steht. Der Betrieb ist spezialisiert auf Wohnungsinnenausbau, vor allem auf Treppen aller Art:
    "Das ist die Kreissäge, die man in jedem Betrieb findet. Hier hinten, wo der Kollege steht, dass ist eine Breitband-Schleifmaschine, da kann man große Teile gleichmäßig mit schleifen. Hier haben wir ein CNC-gesteuertes Bearbeitungszentrum, mit dem wir die Treppenwangen und auch Schränke mitfräsen."
    Nach dem kleinen Rundgang durch die Werkstatt stapft Moritz Schumacher über eine Treppe in die erste Etage. Dort steht sein Schreibtisch in der Ecke eines Ausstellungsraums. Bettgestelle, Treppenstücke und Holzproben für Geländer sind hier aufgebaut. Moritz Schumacher bieten seinen Kunden in der Region gerne an, in den Odenwald zu kommen und sich die Produkte der Werkstatt vor Ort anzuschauen:
    "Es entsteht meist so, dass die Kunden bei uns anfragen. Dann fahre ich erst mal `vor Ort´, schaue mir die Situation an, kann man da eine Treppe machen, wie muss man die Treppe machen und dann geht es meistens erst ins Design, welches Holz wird genommen. Und dann sage ich: Okay, wir haben hier eine Ausstellung, da können sie sich verschiedene Sachen angucken. Und dann kommen die auch gerne mal in den Odenwald und schauen sich das hier an."
    Die Mitarbeiter älter als der Chef? Kein Problem
    Über einem Stück Treppe hängt an der Wand der Meisterbrief von Moritz Schumacher mit dem Datum 4.3. 2018. Dass einige seiner Mitarbeiter deutlich älter sind als er, hat der 24-Jährige offen angesprochen, als er den Betrieb zu Jahresbeginn übernommen hat:
    "Ja, ich habe da auch im Vorhinein gerade mit unserem Gesellen geredet, ob das für ihn okay ist. Ich bin da offen dran gegangen, und das wird auch akzeptiert und das klappt eigentlich gut."
    Moritz Schumacher ist der einzige im Betrieb, der Schreinermeister ist. Er weiß, dass der Vorbesitzer der Werkstatt gut beraten war, ihn schon früh an den Betrieb zu binden:
    "Gerade zur Übernahme eines Betriebes, ich kriege es mit, wenn ich auf Seminaren bin oder so was. Da suchen viele ältere Leute Nachfolger und haben es oft schwer. Da hatte ich Glück und der Herr Bellut, glaube ich auch."
    Keine Angst vor Verantwortung
    An einer Wand des Ausstellungsraumes lehnt noch ein Holzschild, das dokumentiert, dass der Vorbesitzer die Schreinerei dreißig Jahre geleitet hat. Für einen Mittzwanziger heute, der das Drachenfliegen liebt und die Leichtathletik, ist die Übernahme von Verantwortung für solche Zeiträume keine einfache Entscheidung:
    "Gut, man muss es sich sehr gut überlegen. Weil – wenn man den Schritt erst einmal gegangen ist, dann sollte man auch dranbleiben. Vorher habe ich halt mit vielen Leuten drüber geredet, das hat viel geholfen. Und auch mich beraten lassen von der Handwerkskammer, hier im Kreis gibt es auch einen Wirtschaftsverband, der mir geholfen hat. Mit der Bank war ich in Gesprächen. Und natürlich auch mit dem, von dem man es übernimmt, mit dem sollte man sich auch gut verstehen. Und vorher alles klären und Klartext sprechen und dann funktioniert das."
    Was Moritz Schumacher Mut macht: Seitdem der Betrieb vor zehn Jahren aus dem Rheintal auf den alten Bauernhof in die schöne Mittelgebirgslandschaft des Odenwaldes verlegt wurde, verändert sich auch langsam die Kundenstruktur. Man habe zwar aufgrund alter Bindungen noch viele Kunden aus der Rheinebene und von der Bergstraße am Fuße des Odenwaldes, erklärt Schumacher. Doch gerade, seitdem sich im Odenwald vor einem Jahr 19 Dörfer zur neuen Stadt "Oberzent" zusammengeschlossen haben, wird der Kontakt zu Sägewerken oder potentiellen Kunden auch im ländlichen Raum intensiver:
    "Die Firmen, die merken jetzt auch: Okay, wir können hier was draus machen. Und auch mit anderen Firmen jetzt auch beim Pferdemarkt, die Oberzent-Expo, das war jetzt eine neue Messe, die gut geklappt hat und wo schöne Kontakte zusammengekommen sind auch zwischen den Betrieben – ja das entwickelt sich im Moment ganz gut."
    "Mit Herzblut rangehen"
    Zum beruflichen Glück fehlt dem jungen Chef jetzt nur noch eines: Er will mit seinem Meisterstück gerne in Serie gehen. Es handelt sich um einen schön gestalteten Tischkicker:
    "Ich bin gerade dabei, das ein bisschen aufzubauen, habe gerade eine Webseite gemacht, da bin ich gerade ein bisschen dabei, das zu entwickeln."
    Eines hat sich Moritz Schumacher für die nächsten Jahre fest vorgenommen:
    "Man muss mit Herzblut rangehen und einfach machen"