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Schrittmacher für Licht

Physik. - Das Tempolimit für Licht liegt, so will es Albert Einstein, bei 300.000 Kilometern pro Sekunde - schneller geht es nicht. Aber durchaus langsamer: Schweizer Physiker entwickelten eine Methode, um die Licht-Geschwindigkeit ganz nach Belieben zu verlangsamen und zu beschleunigen, und damit fit zu machen für die Datenübertragung.

Von Ralf Krauter | 30.08.2005
    Als es US-Physikern 1999 gelang, einen Lichtstrahl in einer Wolke kalter Atome auf das Tempo eines Radfahrers abzubremsen, war das eine Sensation und die kontrollierte Manipulation der Lichtgeschwindigkeit erlebte einen Boom. 2001 gelang es erstmals, einen Lichtstrahl komplett anzuhalten, kurz zu speichern und dann wieder freizusetzen - Stop-and-Go auf Knopfdruck. Der rasche Fortschritt brachte Anwendungen allerdings nicht wirklich näher, weil als Lichtbremsen entweder ultrakalte Gase oder spezielle Kristalle dienten - beides zu kompliziert und teuer für den Einsatz in der optischen Telekommunikation. Viel praktischer wäre es doch, die Lichtgeschwindigkeit direkt in einer Glasfaser steuern zu können, dachten sich die Wissenschaftler des Nanophotonik-Labors der Polytechnischen Hochschule in Lausanne. Die Forscher um Dr. Luc Thevenaz machten sich an die Arbeit und waren mit einer vergleichsweise simplen Anordnung erfolgreich.

    "Unser Versuchsaufbau muss nicht gekühlt werden und ist so klein, dass er auf einen Tisch passt. Er benötigt keine teuren Laser oder optischen Kristalle und kann Licht sehr verschiedener Wellenlängen bremsen - insbesondere auch jener Wellenlängen, die für die Glasfaserkommunikation genutzt werden. Deshalb ist unsere Entdeckung ein sehr wichtiger Schritt für praktische Anwendungen."

    Als Lichtbremse verwenden die Physiker einen zweiten Laserstrahl, den sie gegenläufig zu dem zu verzögernden Signal durch eine handelsübliche Glasfaser schicken. Weil sich zwei Lichtstrahlen normalerweise - anders als zum Beispiel Wasserstrahlen - ungestört durchdringen, mussten die Forscher aber tief in die Trickkiste greifen, um die gewünschte Wechselwirkung zu erzielen. Sie nutzen einen speziellen nichtlinearen optischen Effekt, die so genannte stimulierte Brillouin-Streuung.

    "Die Überlagerung der gegenläufigen Laserstrahlen erzeugt in der Glasfaser eine Schallwelle, die dazu führt, dass die Atome des Lichtleiters durchgeschüttelt werden. Diese akustische Welle wiederum beeinflusst ihrerseits die Ausbreitung der beiden Laserstrahlen. Über die vermittelnde Wirkung der schwingenden Atome wird so Energie von dem einen Laserstrahl auf den anderen übertragen. Und das führt zu einer starken Veränderung der Ausbreitungsgeschwindigkeit. "

    Mit ihrem Versuchsaufbau können die Forscher einen Laserstrahl kontrolliert auf ein Drittel seiner normalen Geschwindigkeit abbremsen.

    "Wir können einen Lichtpuls in einem zwei Meter langen Glasfaserkabel um maximal 30 Nanosekunden verzögern. Und zwar positiv wie negativ. Das heißt: Wir können ein Signal auch auf Überlichtgeschwindigkeit beschleunigen."

    Aber halt: Laut Relativitätstheorie ist die Lichtgeschwindigkeit doch das universell gültige Tempolimit. Schneller als Licht geht nicht, sagt Albert Einstein - und behält damit weiterhin recht. Denn auch wenn ein Teil des Lichtpulses in Lausanne schneller ist als erlaubt: Die darin enthaltene Information gelangt nicht schneller ans Ziel als Licht - und nur darauf kommt es im Sinne Einsteins an. Mögliche Anwendungen in der optischen Datenübertragung verspricht deshalb allein die bremsende Wirkung der Apparatur. Die Leistungsfähigkeit heutiger Glasfasernetze wird vor allem dadurch limitiert, dass die optischen Signale an den Knotenpunkten in elektrische Pulse umgewandelt werden müssen, bevor sie weiter verteilt werden können. Optische Verzögerungsschleifen könnten diese zeitraubende Umwandlung überflüssig machen.

    "Stellen sie sich ein optisches Netzwerk vor, bei dem zwei Datenpakete zeitgleich an einem bestimmten Punkt einlaufen. Derzeit gibt es keine Möglichkeit, einem der beiden Pakete zu sagen: Warte mal einen Moment hier, bis ich das andere Paket verschickt habe. Mit unserer Technik lassen sich solche optischen Verzögerungsschleifen realisieren. "