Dienstag, 19. März 2024

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Schröders umstrittener Rosneft-Job
"Eine unglaubliche Provokation"

"Schröder, der sich immer als der große ökonomische Internationalist versteht, kann so ein Amt nicht annehmen", kritisierte der Ökonom Rudolf Hickel im Dlf. Das Unternehmen stehe unter EU-Sanktionen und werde vom Russlands Präsident Putin für strategische Interessen genutzt. Schröders Verhalten schädige das Vertrauen in die Demokratie in Deutschland.

Rudolf Hickel im Gespräch mit Dirk Müller | 17.08.2017
    Altkanzler Gerhard Schröder im Gespräch mit Rosneft-CEO Igor Setschin auf dem Economic Forum St. Petersburg im Jahr 2012
    "Dem Wohle des Unternehmens zu dienen, das kann in schwersten Widerspruch führen, beispielsweise mit deutschen, aber auch mit EU-Interessen", warnte der Ökonom Rudolf Hickel im Dlf. (dpa / AFP Kirill Kudryavtsev)
    Dirk Müller: Die Russland-Geschäfte von Gerhard Schröder, auch unser Thema mit dem Bremer Wirtschafts- und Finanzwissenschaftler Professor Rudolf Hickel. Guten Tag!
    Rudolf Hickel: Guten Tag, Herr Müller!
    Müller: Herr Hickel, kann Geld stinken?
    Hickel: Ja, Geld kann stinken, "pecunia non olet" stimmt nicht, Geld kann stinken. Und vor allem verstehe ich überhaupt nicht, dass Schröder die Aufregung, die jetzt entstanden ist über diese Entscheidung, dass er die so abtut als Wahlkampfverhalten. Da muss man einfach auf die Substanz zurückgehen, worum geht es: Er hat ja erstens schon mal, wenn wir uns erinnern, 2005 das Mandat bei Gazprom für die Pipeline, den Vorsitz im Aufsichtsrat übernommen, damals gab es schon Kritik, dass ein Kanzler, unmittelbar bevor er aus dem Amt geschieden ist, bereits das schon in die Wege geleitet hat. Wir kennen übrigens in der Wirtschaft in der Zwischenzeit das Prinzip des Abkühlens, das heißt also, dass zumindest eine Anstandsfrist gewahrt wird. Und was jetzt passiert ist, ist doch eine unglaubliche Provokation, die muss auch Schröder, der ja zu den Intelligenten gehört, gesehen haben. Hier, ist doch klar, hier ist ein strategisch wichtiges Unternehmen. Und ich zitiere mal Rosneft: Das Unternehmensmotto sagt, glaube ich, alles: Russland zum Vorteil! Das erinnert mich so ein bisschen an die Trump-Parole "America first". Das heißt, Russland zum Vorteil, da ist er verpflichtet, auch nach dem Aktienrecht - das ist ja eine Aktiengesellschaft -, dem Wohle des Unternehmens zu dienen. Und das kann in schwersten Widerspruch und in Auseinandersetzung führen beispielsweise mit deutschen, aber auch mit EU-Interessen. Insoweit ist es schon eine sehr starke Provokation, die er sich da erlaubt.
    "Ein sehr strategisch aufgestelltes Unternehmen"
    Müller: Wobei das jetzt ja nicht, Herr Hickel, sehr erstaunlich ist, also, dass Rosneft sagt, wir müssen zum eigenen Vorteil wirtschaften. Und wenn Gerhard Schröder angestellt, mit viel Geld und Tantiemen überzogen wird, dann muss er eben dafür eintreten.
    Hickel: Ja, man muss sehen, ich glaube, man versteht den ganzen Vorgang deshalb nur dann, wenn man die Interessen und die Strategie des Unternehmens sich anschaut. Das ist ja vergleichsweise, auf den Weltmärkten haben die sechs Prozent an der Ölproduktion, das ist nicht so viel, sie haben zwölf Prozent Anteil in Deutschland an Geschäften. Aber es ist ein Unternehmen, das auch sozusagen auf Anweisung von Putin massiv expandiert. Wenn man sich mal genauer die Geschäfte anschaut, dann wird das ja noch alles viel zweifelhafter. Beispielsweise hat jetzt Rosneft einen Kredit vergeben an Venezuela, sechs Milliarden. Interessant ist, dass bereits schon im Nordirak die Kurden schon mal vorab bezahlt werden für spätere mögliche Öllieferungen, in Ägypten sind sie eingestiegen bei dem Zohr-Gasfeld, also, das ist im Grunde genommen ein sehr strategisch aufgestelltes Unternehmen. Und vor allem ist es so - das macht dann die Einigkeit aus zwischen den Unternehmensinteressen, also dem Chef Setschin, und Putin auf der anderen Seite -, das ist ein Unternehmen, das einerseits wirklich Geschäfte machen will, das ist das eine, auf der anderen Seite aber auch genutzt wird von der Regierung in Russland, vor allem von Putin genutzt wird für strategische Interessen. Und das ist schon eine Provokation und da kann ein Bundeskanzler, auch Gerhard Schröder, der sich immer als der große ökonomische Internationalist versteht, kann so ein Amt nicht annehmen.
    "Rosneft steht sozusagen unter EU-Sanktion"
    Müller: Herr Hickel, Sie haben eben gesagt, Gazprom kam viel zu früh, war schon im Grunde während der aktiven Amtszeit von Gerhard Schröder als Bundeskanzler eingeläutet worden beziehungsweise abgesprochen worden, auch dann mithilfe - wie auch immer - des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Jetzt ist aber dieser zeitliche Abstand ja nun definitiv da, wir reden ja über viele Jahre. Ist für Sie auch kein Unterschied?
    Hickel: Ja, doch, es gibt natürlich einen Unterschied. Es zeigt aber erst mal überhaupt die Anfälligkeit auf solche Jobs, deshalb habe ich es noch mal erwähnt. Aber in dem Fall muss man in der Tat noch mal in der Argumentation da zulegen: Es ist ja so, dass es hier um politisch-strategische Interessen geht und das Ganze - in dem Beitrag vor unserem Interview ist ja zu Recht darauf hingewiesen worden, dass Rosneft auch sozusagen unter EU-Sanktion steht. Und man muss ja sehen, das ist ja ein großer politischer Konflikt. Die EU hat Sanktionen erlassen, die EU wird jetzt die Sanktionen sogar gegen Russland verschärfen wegen dieser Gasturbinengeschäfte, die plötzlich von Siemens über Russland auf die Krim-Halbinsel geliefert worden sind. Das heißt also, das ist ein hoch explosiver Bereich und da geht es wirklich darum: Wie geht man künftig mit Russland um? Ich bin nicht unbedingt ein Anhänger von Sanktionen, aber in so einer Situation so einen Job zu übernehmen und dann noch zu sagen in der Öffentlichkeit, ich verstehe eure Aufregung nicht, und das Ganze dann zu einer Wahlkampftaktik zu machen der CDU zugunsten von Merkel, da muss man sich wirklich mal selber an die Nase greifen und fragen: Ist das eigentlich auch noch ethisch und, wenn man so will, politikstrategisch in dem ohnehin komplizierten und fragilen Verhältnis, in dem wir uns bewegen, ist das zulässig? Und man hätte eigentlich Schröder, wenn man hätte beraten können, sagen müssen: Das Amt geht einfach nicht!
    "Schröder hätte das Amt nicht annehmen dürfen"
    Müller: Nun sieht sich Gerhard Schröder ja schon in dieser Tradition der russischen Energiepolitik, seit vielen Jahren ist er da entsprechend engagiert. Wir haben folgende Zahl gefunden: 500.000 Dollar soll er dafür bekommen pro Jahr - das sind vier Sitzungen im Jahr, denen er beiwohnen muss, über die anderen Verpflichtungen ist noch nicht so viel bekannt, wir haben es jedenfalls nicht finden können. Das ist ja schon eine ganze Menge Geld. Das heißt also, ein Exbundeskanzler darf niemals sein Geld verdienen, wo er will?
    Hickel: Nein, in der Tat, da ist er so - das Geld verdient er, das zeigt übrigens, dass Schröder natürlich immer sehr stark getrieben ist, abgesehen von seiner Präsenz als internationaler Ökonom, die er da immer spielt, aber natürlich spielt auch das Geld eine ganz große Rolle. Ich freue mich übrigens, dass irgendjemand im Geschäftsbericht von 2016 entdeckt hat, dass für neun Vorstandsmitglieder 52 Millionen Dollar bezahlt worden sind, daraus ist ja die Ableitung gemacht worden. Und Schröder hat jetzt gesagt, es sei unter 600.000 Euro. Aber ich würde sagen, selbst - um das mal zuzuspitzen, um nicht da sozusagen eine Neiddebatte draus zu machen, die natürlich sehr naheliegt -, selbst bei einer Nichtbezahlung eines Aufsichtsratsmandats beziehungsweise bei einer Tantieme, selbst dann hätte Schröder nicht annehmen dürfen, weil er sich damit unmittelbar übrigens auch in die strategischen Interessen seiner Partei, der SPD, einmischt. Und deshalb verstehe ich Hubertus Heil überhaupt nicht - doch, ich verstehe es, weil es alte Freunde sind -, wenn der jetzt sagt, der Geschäftsführer der SPD, das sei eine reine Privatsache. Dann würde ich sagen, dann ist eigentlich das, was in den letzten Jahren zwischen Privatinteresse und politischem Fehlverhalten stattgefunden hat, das hat er nicht begriffen.
    Positive Einflussnahme auf Putin ist "eine vorgeschobene Argumentation"
    Müller: Also, weil ein Exkanzler dann auch nach Ihrer Interpretation niemals nur Privatinteressen haben kann in einem solchen Zusammenhang?
    Hickel: Der kann schon Privatinteressen wahrnehmen, er kann durchaus auch Mandate wahrnehmen. Aber wenn es in so einem strategischen Bereich ist, wo es ja jetzt beispielsweise um die Zukunft der Sanktionspolitik - wobei es übrigens auch da um die Frage geht, inwieweit wir uns energiepolitisch mit einer neuen verträglichen Energiepolitik, also mit Windenergien viel mehr eher unabhängig machen und die Abhängigkeit abbauen von der Öllieferung, das sind ja alles Interessen, die dann zuwiderlaufen den Interessen, die Schröder sozusagen dann vertritt. Und da gibt es Kollisionen und die kann man so einfach nicht in der Verantwortung insgesamt übernehmen. Übrigens, wir haben ja gerade eine Studie …
    Müller: Herr Hickel, lassen Sie mich bitte hier noch mal ganz kurz intervenieren, wir haben nicht mehr so viel Zeit. Noch eine Frage, um auch Schröders Position noch einmal zu übernehmen, ein bisschen gegenzuhalten, was Sie sagen: Schröder sagt ja, gerade weil ich dort sitze und weil ich versuche, deutsche Interessen zu vertreten, ist das im Grunde ja eine fast effektivere, bessere Möglichkeit als das, was zwischen Merkel und Putin im Moment seit Jahren läuft, weil ich vor Ort bin, und sehe keinen grundsätzlichen Widerspruch zwischen russischen und deutschen Interessen, sondern kann beide Seiten zusammenbringen. Liegt darin nicht auch eine Chance?
    Hickel: Vorsichtig formuliert hat es entweder einen hohen Grad von Naivität, die Aussage; auf der anderen Seite ist ja Schröder nun bekannt, dass er nicht als Kritiker gegenüber Putin auftritt, etwa in seiner Energiestrategie, in seiner Machtpolitik …
    Müller: Aber vielleicht hat er Einfluss auf ihn?
    Hickel: … niemals öffentlich Kritik geübt hat. Ich halte von dieser Einflussthese nichts. Wenn man in diesem Machtsystem, so wie es ja ausgedrückt worden ist, sich einbinden lässt, dann ist man auch nicht sozusagen Partner im Sinne von Kritik und im Sinne von Veränderung von Positionen. Das halte ich da für eine vorgeschobene Argumentation, die ich nicht ernst nehmen kann. Und ich sage nur, wir haben ja gerade eine ganz neue Studie über den Verdruss über demokratische Institutionen in Deutschland von der Hans-Böckler-Stiftung, da kann ich nur sagen: Das sind so Beispiele, die sicherlich, um es vorsichtig zu formulieren, nicht das Vertrauen in die Institution der Demokratie in Deutschland stärken. Und das muss ein Bundeskanzler, der für Deutschland viel Arbeit geleistet hat, auch noch im Blick haben, wenn er solche sogenannten privaten Entscheidungen trifft.
    Rufschädigendes Verhalten
    Müller: Das hört sich fast so an, Herr Hickel, als würden Sie sagen, Gerhard Schröder ist Mittäter.
    Hickel: In dem Fall trägt er dazu bei, ja, ich denke schon, er trägt dazu bei. Man sieht das ja an den Diskussionen, die stattfinden, die sind teilweise irrational, aber trägt durchaus dazu bei, so nach dem Motto, das ist wieder so ein Beispiel - das ist zwar falsch und ich argumentiere auch dagegen, weil das ein übler Rechtspopulismus ist, aber man muss doch sehen: Das ist doch Nährboden dafür zu sagen, die da oben machen, was sie wollen, im Zweifelsfall nehmen sie Geld mit, im Zweifelsfall setzen sie ganz andere politische Strategien durch im Verhältnis zu dem, was wir diskutieren. Und das ist sozusagen rufschädigend. Das kann man so sagen. Das ist sicherlich nicht beabsichtigt von Schröder, um Gottes Willen, aber man muss ja irgendwann mal die Wirkungen des eigenen Handelns so reflektieren, dass wir weit über den eigenen Horizont hinausgehen. Und da sehe ich ein großes Problem.
    Müller: Bei uns heute Mittag live im Deutschlandfunk Professor Rudolf Hickel, Bremer Finanz- und Wirtschaftswissenschaftler. Danke für Ihre Einschätzungen!
    Hickel: Schönen Dank, Herr Müller!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.