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Schrumpfkur für Schlecker

Es gab sie quasi an jeder Ecke, und das war Geschäftsprinzip: Billige Drogeriemarktprodukte für alle, ohne weit laufen zu müssen. Jahrzehntelang erfolgreich, verstaubten Konzept und Verkaufsräume von Schlecker nach und nach. Jetzt wird saniert, Tausende bangen um ihren Job - und fürchten, auch die Insolvenz ist reine Kosmetik.

Von Lutz Heyser | 15.03.2012
    Die Hackstraße im Stuttgarter Osten. Lauter Verkehr, Straßenbahnen. Eine Ampelkreuzung. Enger Bürgersteig. Dicht aneinandergedrängt stehen hier die Mietshäuser aus den 50er-Jahren. Die Fassaden schmutzig-grau und beige von all den vielen Abgasen. Satellitenschüsseln vor den Fenstern. Im Erdgeschoss ein Döner-Laden, eine Bäckerei, ein Zeitungskiosk, ein Billig-Juwelier. Mittendrin - Hausnummer 37: eine Schlecker-Filiale. Blau-weiß und übergroß das Firmenschild über dem Eingang, blau-weiß auch der Schriftzug in den drei Schaufenstern. Dazwischen ein Plakat: 30 Prozent auf alles, verspricht es. Der Ausverkauf hat begonnen. Schlecker - For You - Vor Ort, lautet der Slogan darunter. Drinnen im Geschäft - der Straßenlärm bleibt draußen - Stille und Leere. Regalreihen in billigem Silber, in Blau und Weiß. Trübes Licht. Rasierwasser und Parfüms links von den zwei Kassen. Rechter Hand geht´s zu CDs und Spielfilmen, Damenstrumpfhosen und Make-up, Taschentücher, Tiernahrung, Luftballons und Konfetti, zwischendrin eine Dose mit Thunfisch für 1,29. Kein Kunde in Sicht. Eine einsame Verkäuferin sortiert hinten im Geschäft Toilettenpapier und Essigreiniger in die Regale, kommt kurz nach vorne zur Kasse gelaufen, fragt freundlich, ob sie helfen kann, wirkt gestresst. Eine Schlecker-Filiale. Eine von noch knapp 5400 in Deutschland. In den kommenden Wochen wird fast jedes zweite Geschäft schließen müssen. Die meisten in den Großstädten. Auch dieser Laden in Stuttgart ist darunter. Seit gestern ist es offiziell. Die Drogeriemarkt-Kette hat die vorläufige Schließliste der rund 2400 Märkte nun veröffentlicht. Vorläufig, weil bis zum Wochenende auch die Gewerkschaft ver.di die Liste noch einmal genau ansehen will und überprüfen, ob Schließungen in Einzelfällen doch noch zu vermeiden sind. In der Folge werden aber dennoch wohl mehr als 11.000 Mitarbeiter, die meisten von ihnen Frauen, viele alleinerziehend und gering qualifiziert, ihre Arbeit verlieren. Denn seit Ende Januar ist die Drogeriemarktkette Schlecker pleite. Die Insolvenz der 100 Prozent Tochter IhrPlatz, eine Art Edel-Schlecker, folgte wenig später.

    "Wir haben die ganzen Jahre für das Unternehmen gearbeitet, waren immer da, und jetzt geht alles kaputt."
    "Und ich denke, wenn es jetzt Männer betreffen würde, würde die Situation ganz anders aussehen. Ich muss sagen, mir geht schon ziemlich die Luft jetzt aus. Hier muss jetzt einfach was passieren, denn so geht's nicht weiter."

    Die Geschäfte gehen trotzdem weiter, vorerst zumindest. Seit der Insolvenzanmeldung versucht nun ein Insolvenzverwalter bei Schlecker und IhrPlatz die Dinge zu ordnen und zu retten, was noch zu retten ist. Doch die Zeit drängt. Nur noch zwei Wochen lang darf Schlecker für die Fortführung dieses Geschäftsbetriebes Kredite aufnehmen, so ist es im Insolvenzverfahren geregelt. Beginnt dieses offiziell zum ersten April, muss die Drogeriemarkt-Kette entweder wieder schwarze Zahlen vorweisen, oder wird ganz schließen müssen. Schwierig ist diese Ungewissheit vor allem für die Schlecker-Beschäftigten, zum Beispiel für die Filialleiterin Dana Rau:

    "Es ist immer noch ungewiss. Man weiß noch nicht: Welche Filialen werden jetzt geschlossen? Welche Mitarbeiter werden jetzt gekündigt? Wann wird dies erfolgen? Gut, bis Ende März. Das wissen wir. Aber es ist trotzdem noch vieles ungewiss. Man weiß nicht, wer jetzt betroffen ist. Jeder muss jetzt um seinen Arbeitsplatz fürchten."

    Dana Rau wird bleiben dürfen, vorerst zumindest. Ihre Filiale steht nicht auf der Schließliste. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet die hochgewachsene blonde Frau mit dem kurz geschnittenen Haar nun als Verkäuferin für Schlecker. Ursprünglich kommt die 32-Jährige aus Sachsen. Dort hat Dana Rau bei der Drogeriekette ihre Ausbildung gemacht. Inzwischen leitet sie eine kleine Filiale mit vier Angestellten im Großraum Stuttgart und engagiert sich darüber hinaus auch als Betriebsrätin:

    "Also für uns war´s am Anfang nicht einfach. Wir kannten das ja nicht. Wir wussten nicht, wie wir vorgehen sollen. Wir waren wirklich auf Hilfe angewiesen. Und so nach und nach kriegen wir´s jetzt hin."

    Hilfe bei der Betriebsratsarbeit kam von der Gewerkschaft ver.di, etwa von Christina Frank, die im Großraum Stuttgart zahlreiche Schlecker-Filialen betreut und die Betriebsräte dort berät. Auch in diesen schwierigen Zeiten:

    "Also im Moment haben wir viel zu tun mit Schlecker. Es geht ja auch darum, auch wenn man den einzelnen Damen jetzt noch nicht viel sagen kann, wie´s weitergeht, muss man trotzdem für sie da sein. Wir sind die Klagemauer. Die Leute müssen sich bei uns aussprechen können. Viele sind alleinerziehend. Die haben Kinder. Aber die haben niemanden, wo sie ihre Sorgen und Nöte abladen können. Die rufen dann bei uns an und lassen ihre Verzweiflung dann bei uns raus. Das ist auch richtig so. Weil es macht sonst krank, wenn man das mit sich rumtragen muss und nicht mehr schlafen kann. Und das ist auch eine wichtige Funktion, die wir haben."

    Inzwischen gibt es bei Schlecker so viele Betriebsräte wie bei keiner anderen Drogeriemarkt-Kette. Es gab bis zur Insolvenz einen ordentlichen Tarifvertrag für die Mitarbeiter. Und eine tarifgerechte Entlohnung. Doch gegen kein anderes Unternehmen gab es so viele Beschwerden und Strafverfahren, etwa gegen Vorgesetzte, weil sie zum Beispiel versucht haben, Verkäuferinnen zu drohen und zu nötigen, sagt die Gewerkschaft. Schlecker ändere sich, doch bis diese Veränderungen überall ankommen, dauere es - gerade im mittleren Management der Verkaufs- und Bezirksleiter. Schlagzeilen machte Schlecker auch immer wieder wegen Überfällen auf die Filialen. Diese galten, weil dort oft nur eine einzige Verkäuferin arbeitet, Räubern als leichtes Ziel. Die Geschäfte hatten lange Zeit aus Spargründen nicht mal ein Telefon, bis bei einem vereitelten Diebstahl eine Verkäuferin starb, weil sie niemanden zu Hilfe rufen konnte. Auch das hat sich in der Zwischenzeit geändert. Im Großen und Ganzen sei Schlecker daher eine Erfolgsgeschichte, sagt die Gewerkschaft ver.di auch: das Kapitel Leiharbeit etwa, mit dem Schlecker noch vor ein paar Jahren so viele Negativ-Schlagzeilen gemacht hatte, weil man fest angestellte Mitarbeiter gekündigt und, illegal, durch billigere Leiharbeitskräfte ersetzt hatte, ist passé. Aus Sicht der Gewerkschaft hätte Schlecker damit das Paradebeispiel für einen Sinneswandel hin zum Guten sein können. Hätte, wenn nun die Pleite nicht wäre. Bernhard Franke, Landesfachbereichsleiter Handel der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in Baden-Württemberg :

    "Bei Schlecker haben wir inzwischen ganz normale Verhältnisse. Ich sag das auch immer wieder gerne und in der jetzigen Situation umso häufiger: Es gibt aus gewerkschaftlicher Sicht keinen Grund mehr, dass Kundinnen und Kunden nicht bei Schlecker einkaufen gehen. Ein stiller Boykott, der vielleicht irgendwann mal beschlossen worden ist, der muss nicht aufrechterhalten werden. Schlecker ist ein ganz normales Unternehmen. Und in der gegenwärtigen Situation sind die Frauen ganz stark drauf angewiesen, dass die Kundinnen und Kunden ihnen ihre Treue halten. Beziehungsweise auch wieder zurückkehren."

    Der massive Kundenschwund in der Vergangenheit, wohl die Hauptursache für den Niedergang der Drogeriemarkt-Kette Schlecker. Die Gesellschaft für Konsum-Forschung aus Nürnberg, kurz GfK, hat ihn untersucht. Ihr Ergebnis: Kauften im Jahr 2007 noch rund 60 Prozent aller Haushalte bei Schlecker ein, so waren es vier Jahre später im Jahr 2011 gerade noch 43 Prozent, was einem Käuferrückgang von mehr als sechs Millionen Kunden entspricht. Der Marketingexperte Professor Markus Voeth von der Universität Hohenheim:

    "Schlecker hat mal begonnen mit einer Marke, die gut, vor allem aber günstig war. Und wo man eben mit 'überall vor Ort' eben günstige Drogerie-Markt-Produkte kaufen sollte. Und was man bei Schlecker feststellen kann, ist, dass die Firma über die Zeit eigentlich die Antennen für den Markt verloren hat. Weil der Markt hat sich verändert, aber Schlecker ist an dem alten Geschäftsmodell hängen geblieben. Und dementsprechend war die Marke irgendwann ruiniert, weil sie letztlich nicht mehr aus der richtigen Zeit stammte und dazu hat dann natürlich auch alles drum herum beigetragen: Was letztlich aber nur ein Indiz dafür ist, dass man einfach die Zeichen der Zeit nicht verstanden hatte."

    Dabei war es zu Beginn der Unternehmensgeschichte von Schlecker gerade dieses Gespür für die "Zeichen der Zeit", die den Gründer Anton Schlecker so erfolgreich werden ließ: 1975 eröffnete der gelernte Metzger im baden-württembergischen Kirchheim unter Teck sein erstes reines Drogerie-Geschäft. Bislang hatten die Kunden Toilettenpapier, Zahnpasta und Seife in der Apotheke oder beim Drogisten eingekauft, zu teils deutlich höheren Preisen, als sie Schlecker nun anbieten konnte. Daher der große Erfolg. Innerhalb von nur zwei Jahren wurde aus dem einen kleinen Drogerie-Markt eine Kette von rund 100 Geschäften in ganz Süddeutschland. Immer nah bei den Kunden zu sein, die es nie weit bis zur nächsten Schlecker-Filiale haben sollten, so lautet die Erfolgsformel, die über lange Zeit auch funktioniert hat. In den 1990er-Jahren folgte dann die Expansion des Geschäftsmodells ins Ausland, nach Österreich, den Niederlanden, Spanien, Frankreich und 1999 schließlich Italien. Bis zum Jahr 2007 wächst Schlecker ununterbrochen auf dann 14.000 Läden weltweit, die allerdings im Inneren nach wie vor noch den Charme der 70er-Jahre ausstrahlen.

    "Das, was mal in den 70er- und 80er-Jahren tatsächlich eine Alternative war, wo es auch gar nicht auf die Ladenausstattung ankam, sondern darauf, dass man halt 20 Cent oder damals noch Pfennige günstiger vielleicht Drogerie-Markt-Produkte beziehen konnte. Das hat sich halt im Laufe der Zeit überlebt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil im Schlecker die Produkte inzwischen gar nicht mehr 20 oder 30 Cent oder Pfennig weniger gekostet haben. Aber auf der anderen Seite, weil der Kunde halt plötzlich nicht mehr bloß billig kaufen wollte, sondern weil der Kunde eben auch in einer etwas komfortableren Ladenatmosphäre Drogerie-Markt-Produkte erwerben wollte."

    Die Mitbewerber von Schlecker sind da inzwischen weitaus erfolgreicher: Die DM-Drogeriemärkte aus Karlsruhe oder die Drogerie-Kette Rossmann etwa haben verstanden, dass billig nicht alles ist. Und dass es gerade im Bereich Drogerie- und Kosmetikprodukte auch auf eine Wohlfühl-Atmosphäre der Kunden in den Geschäften ankommt. Fast 14 Milliarden Euro geben die Deutschen Jahr für Jahr alleine für Kosmetik-Produkte aus. Das Geschäft mit dem schönen Schein und dem süßen Duft ist damit eigentlich ein sehr Lohnendes. Doch während Schlecker den Niedergang erlebt und sich nun in der Sanierung und im beginnenden Plan-Insolvenzverfahren weiter wird gesundschrumpfen müssen, wachsen DM und Rossmann, die Nummern 1 und 3 der Branche, Platz 2 hält nach wie vor Schlecker – noch - weiter beständig. Zum Erfolgsrezept der Vorsitzende der Geschäftsführung der DM-Drogeriemärkte Erich Harsch:

    "Kosmetik, wie überhaupt der ganze Bereich Schönheit, Körperpflege, ist natürlich ein Kern-Profilierungsbereich für die Drogerie-Märkte. Und deswegen für uns auch besonders wichtig. Ich freue mich, dass das immer mehr ein wichtiger Grund für die Kunden wird, welche Unternehmen sie mit ihren Einkaufsgeldbeträgen unterstützen wollen. Und ich denke, das ist sicher mit ein Grund dafür, dass DM so erfolgreich sich entwickelt in den letzten Jahren, weil die Werte die bei DM existieren, die bei DM auch gelebt werden, diese Werte werden geschätzt von den Verbrauchern, und das ist ein wichtiger Grund für die Kundinnen und Kunden, zu DM zu gehen und nicht wo anders hin."

    Und während DM, Rossmann und die Müller-Drogeriemärkte weiter wachsen, kreist über der Schlecker-Unternehmens-Zentrale in Ehingen bei Ulm der Pleitegeier. Das Unternehmen hat zwar in den vergangenen anderthalb Jahren auch versucht einen Teil der Filialen aufzuhübschen und zu renovieren – Fit for future – nannte sich das Programm, doch am Ende war dafür einfach nicht mehr genug eigenes Geld da, um noch die Wende aus eigener Kraft zu schaffen. Am Ende musste die Tochter des Unternehmensgründers Anton Schlecker, Meike, auf einer denkwürdigen Pressekonferenz, Ende Januar öffentlich eingestehen, dass von dem einstigen Milliardenvermögen ihrer Familie inzwischen so gut wie nichts mehr da ist:

    "Meine Familie hat in den letzten Jahren dreistellige Millionenbeträge in das Unternehmen eingelegt, um die Restrukturierung zu stützen. Selbst mein Bruder und ich haben den größten Teil unseres Vermögens in die Firma eingebracht, um die Restrukturierung schneller vorwärts zu bringen. Noch mal klar: Ich will mich hier nicht beschweren, und wir werden auch zurechtkommen, aber: Es ist kein signifikantes Vermögen mehr da, das dem Unternehmen hätte helfen können. Sonst würde ich hier nicht sitzen. Sonst hätten wir die Insolvenz mit Sicherheit nie angemeldet."

    Die Finanzierungsprobleme von Schlecker: zutage getreten, als der Einkaufsverbund "Markant" um den Jahreswechsel 2011/2012 über mehrere Wochen die Belieferung der Schlecker-Filialen einstellte. Die Lieferanten waren nicht länger bereit, Schlecker die Ware auf Pump in die Regale zu stellen, weil Rechnungen in der Vergangenheit nicht beglichen und hohe zweistellige Millionenforderungen aufgelaufen waren. Die Folge waren große Lücken in den Regalen und noch weniger Umsatz in den Märkten. In der Summe sind es die Fehler der Vergangenheit, die die Drogeriemarkt-Kette Schlecker eingeholt haben und nun schmerzhaft korrigiert werden müssen. Nur konsequent deshalb, dass der Ulmer Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz zunächst einmal dafür gesorgt hat, dass Unternehmensgründer Anton Schlecker sich aus der Firma zurückzieht, vermutlich im Spätsommer dieses Jahres. Und auch seine Kinder Lars und Meike zwar weiter in der Firma bleiben dürfen, jedoch mit deutlich geschmälerten Kompetenzen. Schmerzhaft wird die Sanierung aber in erster Linie für die mehr als 11.000 Mitarbeiter, die der Insolvenzverwalter nun entlassen wird. Doch die Schrumpfkur müsse sein, sagt Arndt Geiwitz:

    "Wir haben seit 2006 eine Verlustsituation. Zuletzt in einem dreistelligen Millionen-Euro-Bereich. Und wir haben keine andere Möglichkeit, um uns massiv und schnell von den verlustreichen Filialen zu trennen. Um genügend finanzielle Luft zu haben. Und auf zukünftige Konzepte zu setzen. Eine andere Alternative gibt es leider, leider nicht."

    Alleine im vergangenen Jahr (2011) wurden bei Schlecker über 200 Millionen Euro Miese gemacht. Zu hohe Preise, ein schlechtes Sortiment, Läden, die eben keinen Wohlfühl-Faktor verströmten, und Fehler in der Personalpolitik. Der Personalabbau müsse sein, auch in dieser Größenordnung, sagt der Insolvenzverwalter:

    "Auf der anderen Seite halten wir über 13.500 Arbeitsplätze bei Schlecker alleine, ohne IhrPlatz, ohne die Auslandsgesellschaften und sind in der Lage, jetzt ein Zukunftskonzept darzustellen. Und hoffen, dass wir auf diese Art und Weise etwas Positives zustande bringen."

    Auch Verlustbringende Filialen werden weiter dichtgemacht. Fast die Hälfte der rund 5400 Schlecker-Märkte in Deutschland wird in diesen Tagen und Wochen geschlossen. Die Liste, welche Filialen das sein werden, ist seit Mitte dieser Woche bekannt. Knapp 3000 Schlecker-Läden sollen am Ende noch übrig bleiben und überlebensfähig.

    "Die wichtigsten Punkte sind, dass die Nachteile, die in diese schlechte Situation bei Schlecker geführt haben, insbesondere im Bereich der Preis- und Sortimentspolitik, im Bereich der Ladenkonzepte, der optischen Ladenkonzepte, dass diese Nachteile ausgeglichen und geändert werden. Wir brauchen hierfür aber etwas Zeit. Wir werden relativ kurzfristig uns von verlustreichen Filialen trennen müssen. Um dann mit einem gesunden Kern, den ich bei Schlecker sehe, in die Zukunft zu gehen."

    Mehr Zeit, der entscheidende Faktor beim Versuch die Drogeriemarkt-Kette Schlecker erfolgreich zu sanieren. In diesen Tagen, Ende März, erhalten nämlich die Schlecker-Beschäftigten eigentlich ihr letztes Gehalt durch die Bundesagentur für Arbeit. Mehr Zeit, auch deshalb, weil dem Unternehmensgründer Anton Schlecker die Lage seines Unternehmens über den Kopf gewachsen war und es der Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz nun schwer hat, überhaupt erst einmal die Fakten zu ergründen, meint Betriebsbetreuerin Christina Frank von der Gewerkschaft ver.di:

    "Also dieses Unternehmen ist eigentlich geführt worden, wie eine Würstchen-Bude und deshalb sind die Daten bislang völlig unzureichend. Und das ist auch unser Problem. Denn wenn wir jetzt hier versuchen, eine Alternative aufzubauen, müssen wir das unter einem immensen Zeitdruck machen. Und wir versuchen das trotzdem, auch Alternativen zu fordern. Und auch politische Forderungen aufzustellen."

    Eine der Forderungen der Gewerkschaft ver.di lautet etwa eine Transfergesellschaft für entlassene Schlecker-Mitarbeiter zu gründen, um diese erst einmal weiter zu beschäftigen und für andere Jobs weiter zu qualifizieren. Staatliche Hilfen sollen dafür her, um das zu finanzieren. Zwischen 70 und 75 Millionen Euro werden gebraucht. Etwa als Kredit der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau. Das forderte gestern Landeswirtschaftsminister Nils Schmid im baden-württembergischen Landtag:

    "Was wir jetzt brauchen, ist, innerhalb von wenigen Tagen eine Zwischenfinanzierung für die Transfergesellschaft. Weil sonst 12.000 Frauen auf der Straße stehen. Ohne Anschlussperspektive arbeitslos sind."

    Doch die Opposition in Baden-Württemberg lehnt staatliche Hilfen für Schlecker ab. Reinhard Löffler von der CDU und FDP-Fraktionschef Hans-Ullrich Rülke:

    "Eine Insolvenz ist in der Sozialen Marktwirtschaft nichts Außergewöhnliches. Bei den Kleinen kommt der Gerichtsvollzieher, bei den Großen ein SPD-Minister. Da lohnt sich für die eitle Politik die mediale Bühne."

    "Es geht auch nicht, Steuerzahler für Managementfehler haftbar zu machen. Und genau das passiert bei Schlecker."

    Von den Steuerzahlern kann Schlecker fürs Erste keine Hilfen erwarten. Das Bundeswirtschaftsministerium hat inzwischen Pressemeldungen bestätigt, wonach die insolvente Drogeriemarkt-Kette kein Geld von der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau bekommt. Zur Begründung hieß es: KfW-Kredite seien nur auf kleine und mittlere Firmen ausgerichtet. Schlecker aber erfülle diese Kriterien für ein Darlehen der Förderbank nicht. Vielmehr, erklärte ein Sprecher von Bundeswirtschaftsminister Philip Rösler von der FDP, Baden-Württemberg müsse alleine für eine Transfergesellschaft aufkommen, da Schlecker eben dort seinen Sitz habe. Hier denkt Landeswirtschaftsminister Niels Schmid von der SPD zumindest über Alternativen zum KfW-Kredit nach, knüpft dies aber an Bedingungen:

    "Das Land hat Möglichkeiten, Bürgschaften oder zinsverbilligte Kredite zu vergeben. So haben wir das in anderen Fällen getan. Und bei einer Pleite, die ein in Baden-Württemberg ansässiges Unternehmen mit vielen Tausend Arbeitsplätzen betrifft, da werden wir auch dieses anbieten. Vorausgesetzt, es gibt ein solides Konzept."

    Auf ein solides Sanierungskonzept, auf einen möglichen Investor und auf eine Transfergesellschaft, die vielleicht doch noch zustande kommt, hofft nach wie vor auch die Schlecker-Verkäuferin Dana Rau. Und darauf, dass jetzt in der Insolvenz, die Kunden ihr und ihren Kolleginnen weiter die Treue halten und vielleicht sogar neue Kunden hinzukommen. Denn ohne die wird es nicht gehen.

    "Es gibt sehr viele Kunden, treue Kunden, die trotzdem weiterhin einkaufen kommen, auch wenn die Ware mal wochenlang nicht da ist. Die kommen immer wieder. Und wenn das so bleibt, also wenn die Kunden Vertrauen haben, dann denke ich, gibt es schon Chancen für Schlecker."