Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Schüler und Studierende in Berlin demonstrieren für bessere Lernbedingungen

Schüler in Berlin demonstrieren gegen Lehrermangel, Fehlstunden und eine Schule ohne Selektion. Vor allem mehr Geld für die Bildung statt für Banken ist das zentrale Anliegen der Protestler.

Von Philip Banse | 17.11.2011
    Gegen Mittag versammelten sich erste Schüler und Studierende im Zentrum Berlins, direkt zwischen Alexanderplatz und dem Boulevard Unter den Linden. Auf Transparenten stand "Bildung ist ein Grundrecht" und "Gleiche Bildungschancen für alle".

    "Sieht jetzt nicht so wunderschön aus, weil das haben gerade eben erst gemacht."
    Auch die Schüler der Klasse 8a der Reinold Burger Oberschule in Berlin Pankow hatten - mithilfe einer Lehrerin - ein gelbes Transparent gemalt, ihre Forderung:

    "Recht auf Bildung, Recht auf Mathelehrer! Unsere Lehrer haben uns ziemlich unterstützt. Solange wir ein Foto machen, dass wir hier gewesen sind, schreiben sie uns auch keine Fehlstunden auf."

    Lehrermangel sei das größte Problem an ihrer Sekundarschule, sagen die 8-Klässler:

    "Wir haben in unserer Schule zum Beispiel keinen Mathelehrer und das ist ziemlich scheiße, weil wir sollen jetzt eine Mathearbeit schreiben und haben keine Ahnung, was da ran kommt und deswegen bewegt uns das, hier hin zu kommen."

    Auch ein Musiklehrer fehle an ihrer Schule. Da fielen schnell mal acht Stunden aus in der Woche, sagt Achtklässler Moritz Arend:

    "Wir haben uns auch schon an den Direktor gewandt wegen des fehlenden Mathelehrers. Der sagte, wir müssen damit eben klar kommen."

    "Ich hatte mit meinem Vater Streit, dass es nichts bringt. Der frage, wo gehst du denn hin? Und ich so: Naja, streiken, Schulstreik. Wofür denn? Naja, für Ausbildungsplätze, Bildungsplätze. Da hat er gesagt, bringt doch eh nichts, Streiken macht keinen Sinn. Und ich so: Vielleicht bringt es ja doch was, man kann sich nicht immer nur verstecken, man muss auch mal auf die Straße dafür gehen, wenn man was möchte."

    Und dennoch: Nach den ganzen Bildungsprotesten der letzten Jahr habe sich wenig bis gar nichts geändert, klagt Susanne Frick, Zwölftklässlerin und eine der Initiatoren des Protests. Das sei auch der Anlass für die heutigen bundesweiten Demonstrationen. Der Gesellschaft müsse Bildung insgesamt wichtiger werden.

    "Die Kernanliegen haben sich im Grund nicht geändert. Wir fordern weiterhin eine Schule für alle, eine Schule ohne Selektion, in der man nicht für die Wirtschaft zur Schule geht, sondern um wirklich was zu lernen. Wir fordern mehr Geld für die Bildung, vor allem Geld für Bildung statt für Banken, Konzerne und Kriegseinsätze. Uns wird immer erzählt, es sei kein Geld da und wir sehen, dass es in Banken gepumpt wird und wir müssen in marode Schulgebäude gehen und zu viel Geld für Schulbücher bezahlen."

    Nun hat auch die CDU auf ihrem Parteitag beschlossen, die Hauptschule abzuschaffen. Schülersprecherin Frick sagt, das sei nicht der richtige Weg:

    "Definitiv nicht. Dass, was wir jetzt erleben, ist eine Zusammenlegung von Haupt- und Realschule. Für uns bedeutet das aber nicht, dass es eine Schule für alle gibt. Für uns bedeutet das eine Spaltung von Gymnasiasten und denen, die auf die Restschule gehen. Wir haben dadurch noch stärker zwei Klassen: die Gewinner und die Verlierer und sprechen uns natürlich dagegen aus."

    Natur gingen auch Studierende auf die Straßen. Auch sie, weil nach den Bildungsprotesten der vergangenen Jahre zu wenig passiert sei:

    "Wenn man sich anguckt, dass das Berliner Hochschulgesetz neu gefasst worden ist und die Forderung der Studierenden immer war: Weniger Zwang, weniger Druck, weniger Regelstudienzeit, denn wir wollen da freier studieren, das ist ein Ansatz, der auch jetzt ohne viel Geld möglich wäre. Und genau da hat sich nichts getan und deshalb müssen wir an diesem Punkt auch heute wieder ansetzen."

    Sagt eine Studierende von der Humboldt Universität. Das Bundesbildungsministerium würde argumentieren: Dank des milliardenschweren Hoschulpakts hätten in den letzten drei Jahren über 180.000 zusätzliche Menschen ein Studium anfangen können. Bis 2015 sollen weitere 275.000 zusätzliche Studierende hinzukommen.

    "Aber die Frage, die sich mir stellt, ist: Wie hat sie denn diese Studienplätze geschaffen? Sicherlich ist für einen kurzen Zeitraum mehr Geld in die Hochschulen geflossen. Das ist aber kein Geld, das geflossen ist in mehr Räume, in mehr Lehrende, Lehrende, die Festanstellungen bekommen, die fair bezahlt werden. Wir haben im Moment den Zustand an Hochschulen, dass Tutoren und Tutorinnen, die eigentlich nicht diese Aufgabe haben, 60 Stunden im Monat arbeiten, aber nur für 40 bezahlt werden, weil die Lehrkräfte einfach fehlen. Und dafür ist kein Geld da."