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Schüleraustausch ist prägend

Auch in diesem Jahr werden 1300 deutsche Schüler irgendwo auf der Welt ein Jahr lang in einer Familie vor Ort leben und dort zur Schule gehen. "Was bringt ein Austauschjahr auf lange Sicht"? wollte deshalb der Verein AFS wissen. Die Studie zeigt unter anderem: Ein Drittel der ehemaligen Austauschschüler studierte später auch im Ausland.

Von Dieter Nürnberger | 14.10.2008
    "Irgendetwas mir Sprachen, mit Kultur, mit anderen Ländern - das alles hat sich verfestigt durch den Auslandsaufenthalt, dass ich das unbedingt gern machen wollte. Ich habe dann Deutsch als Fremdsprache abgeschlossen, habe nun schon einige Zeit als Deutsch-Dozent gearbeitet, beziehungsweise als Ausbilder für Deutschlehrer im Ausland."

    Paul Voerkel aus Leipzig war vor zehn Jahren Austauschschüler in Frankreich. Und seitdem hat dem heute 28jährigen die Beschäftigung mit Fremdsprachen nicht mehr losgelassen, auch beruflich nicht. Damit passt Paul Voerkel genau in die Statistik. "Was bringt ein Austauschjahr auf lange Sicht"? wollte der Verein AFS, interkulturelle Begegnungen wissen. AFS ist die Abkürzung für American Field Service, der seit Jahrzehnten den weltweiten Austausch von Schülern organisiert. So werden auch in diesem Jahr 1300 deutsche Schüler irgendwo auf der Welt ein Jahr lang in einer Familie vor Ort leben und dort zur Schule gehen. Interkultureller Austausch - das sei immer wichtiger, sagt Anette Gisevius, sie ist beim AFS Referentin für interkulturelles Lernen.

    "Das hängt mit internationalen Firmen zusammen. Die brauchen Mitarbeiter, die sich nicht nur mit den Kollegen im Nachbarbüro gut verstehen und kommunizieren können, sondern auch mit den Kollegen in den anderen Ländern oder Kontinenten. "

    Für die Studie gaben rund 2500 ehemalige AFS-Programmteilnehmer Auskunft über ihre Auslandserfahrung und vor allem auch darüber, in welchem Maße dies ihre persönliche und berufliche Entwicklung geprägt hat. Die stärksten Auswirkungen hat dies natürlich auf die Fähigkeit, eine Sprache fließend zu sprechen und anzuwenden. Die Studie sagt, die Wahrscheinlichkeit, dass dies gelingt, sei bei Austauschschülern um 20 Prozent höher als bei Altersgenossen ohne Schüleraustauscherfahrung. Und in vielen Fällen würde dies auch bei der späteren Studienfachwahl eine Rolle spielen. Die 26jährige Caroline Hapke war beispielsweise über den AFS ein Jahr lang in Neuseeland gewesen.

    "Ich habe nach dem Auslandsaufenthalt mein Abitur beendet und begann dann ein Studium der Internationalen Pädagogik. Ich wollte mit Menschen arbeiten, auch mit unterschiedlichen Behörden, mit fremden Sprachen. Man kann sich in verschiedenen Bereichen spezialisieren. Etwa im Bereich internationale Jugendarbeit - das würde dann auch an den Schüleraustausch inhaltlich anknüpfen. Aber auch Entwicklungszusammenarbeit oder Arbeit mit Migranten in Deutschland ist möglich. Es bezieht sich also nicht unbedingt auf das Ausland, sondern auch auf die Einwanderungsgesellschaft. "

    Die Studie zeigt: Ein Drittel der ehemaligen Austauschschüler studierte später auch im Ausland. Ein Schüleraustausch soll vor allem interkulturelle Kompetenz vermitteln, sagt Anette Gisevius vom AFS. Und dies gelinge in aller Regel auch.

    "Es gibt viele ehemalige Teilnehmer, die sich Berufe im internationalen Feld ausgesucht haben. Aber auch viele, die sich internationale Firmen ausgesucht haben. Die arbeiten dort durchaus auch in klassischen Berufen - etwa in der Buchhaltung. Aber stets mit Menschen aus anderen Nationen zusammen."

    Ist das Interesse an einer bestimmten Kultur oder deren Sprache erst einmal geweckt, dann habe dies auch Auswirkungen im späteren Werdegang, sagt die Studie.

    "Man hat erfahren, wie es ist in einer anderen Kultur zu leben. Und oft will man diese Erfahrung auch wiederholen - beispielsweise durch ein Studienjahr im Ausland."

    Auch gesellschaftlich habe so ein Austauschjahr durchaus Auswirkungen. "Emotionale Wirkungen", heißt es konkret in der Studie. Ein Beispiel: Rund 25 Prozent der Freunde ehemaliger Austauschschüler leben im Ausland oder sind Ausländer. Das ist eine vergleichsweise hohe Quote, sagt Anette Gisevius vom AFS.

    "Teilnehmer, die mit uns weg waren, fühlen sich viel sicherer, wenn sie mit Menschen aus anderen Kulturen zusammen sind. Sie haben weniger Angst, weniger Berührungsängste. Und aus Angst erwächst ja häufig auch Ablehnung. Wenn man offen und entspannt in diesem Umgang ist, dann gibt es in der Regel auch nicht diese Vorurteile gegenüber ausländischen Menschen, sondern ein größeres Interesse am Anderssein. "

    In diesem Jahr feiert die deutsche Sektion des American Field Service 60jähriges Bestehen. Bärbel Helmers ist heute 72 Jahr alt, sie war 1953 Austauschschülerin, damals in den USA. Ihre Empfehlung an junge Leute ist recht eindeutig.

    "Für denjenigen, der dafür geeignet ist - der nicht zu schüchtern ist, der nicht an Heimweh leidet - ist es eine fabelhafte Sache. "