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Schütteltrauma

Sie sind noch winzig klein, haben Bauchschmerzen, wollen getragen werden, schreien, weil Schreien ihre einzige Möglichkeit ist, sich auszudrücken. Doch das Schreien der Kleinsten kann Eltern verzweifeln lassen. Hebamme Sabine Winter.

Von Claudia Thoma | 15.02.2005
    Es sind nur diese Überforderungssituationen, die dazu führen, selten sind es Absichten, dem Kind Gewalt an zu tun. In der Regel geht es um Überforderung um Nichtwissen, ein Teufelskreis der entstehen kann.

    So weit aber, dass Eltern ihre Säuglinge schütteln, darf es nicht kommen. Schon leichtes Schütteln hat Folgen. Und das Schütteltrauma zählt zu den schwersten Formen körperlichen Misshandlungen. Dr. Claus Sieck, Kinder- und Jugendarzt aus Kiel hat einige solcher Fälle zu Gesicht bekommen.

    Es ist eben auch insofern eine der schwersten Formen von Misshandlung, weil es nicht nur eine sehr große Zahl von Todesfällen gibt, sondern auch eine riesengroße Zahl von schwer behinderten Kindern...insofern ist es auch eine besonders fiese Art der Kindesmisshandlung, weil sie nicht immer gleich zu sehen ist, hat aber dramatische Folgen.

    Mindestens 12 Prozent sterben an den Folgen des Schütteltraumas. Zwei Drittel tragen neurologische Langzeitschäden davon, von Seh-, Sprach - und Hörstörungen bis zu Lähmungen, Krampfleiden und geistiger Retardierung. ( 200 geschädigte Kinder mit Langzeitschäden pro Jahr.). Es kommt zu Hirnblutungen, zu Abrissen von Nerven und von Brückenvenen. Langzeitfolgen, die in der Regel schlimmer sind, als die Folgen eines Verkehrsunfalls, so die Erfahrungen des Oberarztes.

    Das Problem beim Schütteln ist, dass da so derartig extreme Kräfte entstehen, durch das Hin und Herschwappen des Gehirns entstehen nicht nur lineare Beschleunigungskräfte ...sondern es entstehen auch Rotationskräfte und Schwerkräfte, die diffus überall im Gehirn zum Abriss von Nervenverbindungen führen.

    Bei einem sich entwickelnden Gehirn sind diese Verletzungen irreparabel.
    Der Grund: multiple Nervenabrisse stören die Durchblutung des Gehirns. Wird das Gehirn nur unzureichend durchblutet, dann kommt es zu Sauerstoffmangel, zu Zelluntergang, zu Anschwellung von Nervenzellen, alles infolge eines gesteigerten Drucks im Gehirn.

    Dieser gesteigerte Druck ist für die schweren Symptome verantwortlich, die man bei der Aufnahme der Kinder sieht, Krampfanfälle, Erbrechen,...durch diesen massiven Hirndruck...oder auch Hirnödem genannt, resultiert als schwerer Folgeschaden ein Phänomen, wo Gehirngewebe sich auflöst, das gesamte Gehirn durchlöchert wird, so ähnlich wie ein Schweizer Käse.

    Das betroffene Kind bleibt schwer behindert, das Gehirn bleibt unterentwickelt, schrumpft, mit der Folge, dass auch der Kopf kleiner bleibt.
    Äußerlichen Hinweise auf ein Schütteltrauma können beispielsweise Hämatome und Quetschungen ein. Gibt es solche Anzeichen nicht, dann können auch schrilles Schreien, apathisches Verhalten, eine gestörte Temperaturregulation darauf hin deuten. Zum Teil benehmen sich Eltern auch auffällig.

    Die ohne dass überhaupt ein Vorwurf, ein Verdacht geäußert wurden gleich sagen, ich hab´ meinem Kind aber nichts angetan...das sind oft weitere Hinweise...

    Schreiambulanzen bieten eine Möglichkeit der Hilfe. Mit der Präventionskampagne aber will man frühzeitig ansetzen, schon bei der Geburtsvorbereitung, bei den Hebammen, die ja auch nach der Geburt in die Familien kommen. Sabine Winter z.B.

    Frühe Warnzeichen sind, dass die Eltern ihre Überforderung äußern, dass die Eltern verzweifelt sind, im Streit, sich über ihre Schlaflosigkeit beklagen und eben auch mangelnde Unterstützung erfahren. Weitere Zeichen sind körperliche Vernachlässigung oder eine schwierige soziale Situation. Ich denke, dass das Phänomen des Schütteln in allen Familien vorkommen kann und in allen sozialen Schichten...aber es gibt gefährdete Familien.

    Und da die Schreiambulanzen nach den Erfahrungen der Kieler Hebamme nicht alle Familien erreichen, muss es Alternativen geben.

    Das wären sozial schwache Familien, die sich oft auch nicht an solche Institutionen wenden können und diese Familien brauchen ein sehr nieder schwelliges Angebot, vielleicht eine aufsuchende Begleitung. ..die müssen erst mal selbst wahrnehmen, dass sie Hilfe brauchen.

    Kinderschutzverbände kamen zu der alarmierenden Erkenntnis, dass immer mehr jüngere Kinder Gewalterfahrungen machen, die strafrechtlich verfolgt werden müssen.

    Die Landesvorsitzende des Kinderschutzbundes aus S-H, Irene Johns.

    Das werte ich erst mal als Erfolg, d.h. wie erkennen früher, wenn Kinder Gewalt erfahren und können früher helfen, aber leider häufig immer noch nicht früh genug. Da müssen mehrere Dinge zusammenkommen, in der Regel ist es so, dass es ich um so genannte Schreikinder handelt, Babys, die mehr als drei Stunden am Tag und mehr als fünf Tage die Woche schreien... sie wissen vielleicht nicht wie sie mit ihrem Säugling umgehen, sie haben noch andere Belastungen, wirtschaftliche, psychische und dann greifen sie das Kind und schütteln es, damit es endlich ruhig ist und das ist für das Kind verheerend, da setzen wir mit unserer Kampagne an.