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Schuhproduktion in Osteuropa
Arbeitsbedingungen wie in China

Arbeit im Akkord, Belastung durch Chemikalien und geringere Löhne als in China: Eine Studie wirft ein Schlaglicht auf die Schuhproduktion in Osteuropa. Mehrere Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen beklagen darin unfaire Arbeitsbedingungen.

04.07.2016
    Schuhe stehen auf einem Förderband, im Hintergrund arbeiten Hände an einem Schuh.
    In der Schuhindustrie Osteuropas herrschen selten faire Arbeitsbedingungen, kritisiert die Studie. (imago stock&people)
    *Die Arbeitsbedingungen in mittel- und südosteuropäischen Schuhunternehmen sind nach Angaben von Menschenrechtlern teilweise besorgniserregend. Die Kampagne "Change Your Shoes" hat für ihre Studie die Situation von Arbeitern in Albanien, Bosnien-Herzegowina, Rumänien, Polen, Mazedonien und der Slowakei unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: in den untersuchten Ländern sind mehr als 200.000 Menschen in der Schuhbranche tätig - zu meist extrem niedrigen Löhnen. In Albanien, Mazedonien und Rumänien liegt das Niveau den Angaben zufolge mitunter sogar unter dem von China. Die Löhne seien aber auch ohne den direkten Vergleich mit China extrem niedrig. Dort gelten die Arbeitsbedingungen als besonders schlecht. Die Löhne müssten laut der Studie vier bis fünf Mal höher liegen, damit die Arbeiter und ihre Familien davon leben könnten.
    Aber auch in den untersuchten Fabriken der Zulieferer in Südost- und Mitteleuropa sei der Akkorddruck teilweise so hoch, dass die Arbeiter keine Atemmasken oder Schutzkleidung gegen den Gestank von Leim und das Gift der Chemikalien trügen, weil dies das Arbeitstempo verlangsame.
    Laut Darstellungen der Organisation Südwind und der Netzwerke Inkota und "Change Your Shoes" steht auch die Bezeichnung "Made in Europe" selten für faire Arbeitsbedingungen.
    Keine transparenten Zuliefererketten
    In einem zweiten Bericht werfen die Organisationen Südwind und Inkota großen Markenanbietern zudem vor, sich kaum um die Zustände in ihren Zulieferfabriken zu kümmern. Von den 23 im Rahmen der zweiten Studie befragten Unternehmen antworteten lediglich zwölf - nur drei lieferten aus Sicht der Autoren halbwegs zufriedenstellende Antworten: Adidas, Eurosko und El Naturalista. Die wenigsten Schuhunternehmen könnten eine transparente Zulieferkette vorweisen, sagte Berndt Hinzmann von Inkonta. Für Verbraucher sei es nach wie vor sehr schwierig, sich für einen nachhaltig produzierten Schuh zu entscheiden, da die Marken nicht glaubwürdig informierten, geschweige denn tatsächlich nachhaltig produzierten.
    Schuhindustrie: Löhne entsprechen "landesüblichem Niveau"
    Für die deutschen Unternehmen weist der Bundesverband der Schuh- und Lederwarenindustrie die Vorwürfe zurück: Hauptgeschäftsführer Manfred Junkert sagte, er könne die "pauschalisierenden Behauptungen" aus der Studie nicht nachvollziehen. Seit Jahrzehnten engagierten sich die Hersteller für eine "nachhaltige Produktion im In- und Ausland". Die sozialen und ökologischen Standards zählten zu den höchsten weltweit. "Das außergewöhnlich hohe Niveau der Arbeitsbedingungen sowie der umweltbewusste Umgang unserer Branche mit Ressourcen werden international als vorbildlich beurteilt."
    Bei den Löhnen sieht Junkert wenig Spiel: Die Fachkräfte in Osteuropa seien "keineswegs unterbezahlt". Die Löhne entsprächen dem "landesüblichen Niveau". Zudem gebe es in den betroffenen Ländern eine starke Konkurrenz durch andere Industrien.
    (cvo/tzi)
    *Der Beitrag wurde aus redaktionellen Gründen überarbeitet.