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Schulbildung
Verbraucherkompetenz wird immer wichtiger

Die aktuelle Pisa-Studie fragte diesmal, ob Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, Wissen zu übertragen und zum Beispiel die für sie günstigste Fahrkarte am Automaten zu finden. An diesen praktischen Problemlösekompetenzen fehlt es in Deutschland offenbar. Die Forderung wird laut, das Thema Verbraucherbildung künftig in den Lehrplan zu integrieren.

Von Claudia van Laak | 17.06.2014
    "Viele posten, dass sie faule Säue sind, jetzt möchte ich Euch mal fragen, wenn Ihr zu mir ins Praktikum oder in die Lehre wollt, warum sollte ich Euch denn einstellen?"
    Der Datenschützer Thomas Floß an einem Berliner Gymnasium. Seit einigen Jahren schon bietet der Bundesverband der Datenschützer Projekttage für Schüler an. Was passiert mit meinen Daten bei Facebook oder Twitter? Was sollte ich posten, was Lieber nicht? Wie kreiere ich ein sicheres Passwort? Alles Themen, die in den herkömmlichen Lehrplänen nicht vorkommen. Die aber existenziell wichtig sind, sagt Klaus Müller, Deutschlands oberster Verbraucherschützer - weil die Jugendlichen von heute viel mehr entscheiden müssen als früher.
    "Nehmen Sie alleine einen Pausenhof ohne Smartphone, da sehen Sie heute keinen Jugendlichen mehr. Sehen Sie einen Azubi oder Studi, der eine eigene Bude hat. Der muss über den Mietvertrag entscheiden, über den Stromanbieter, die Krankenkasse. Die Konsumwelt ist komplexer geworden, also die Ansprüche an mich als Verbraucher gestiegen. Wo lerne ich das?"
    Verbraucherbildung sollte auch im familiären Umkreis stattfinden
    Natürlich in der Schule, ist Klaus Müller überzeugt, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes. Nicht alle Lehrer und Schulleiter sehen das genauso. Der Schulleiter der Berliner Friedrich-Bergius-Schule Michael Rudolph nimmt beim Thema Verbraucherbildung die Eltern in die Pflicht.
    "Also eins steht fest. Das scheinen mir alles Themen zu sein, die in allererster Linie im familiären Bereich zu lösen sind. Denn Verbrauch findet in der Schule weniger statt. Es sei denn, ich mache einen Ausflug und muss einen Fahrschein kaufen. Ansonsten hat Schule mit Käufen und Verträgen weniger etwas zu tun."
    Anforderungen an die Schulen steigen
    Schulleiter Rudolph klagt darüber, dass die gesellschaftlichen Anforderungen an Schule immer stärker ansteigen. Gesunde Ernährung, Zähneputzen, Verträge lesen können - worum sollen wir uns denn noch alles kümmern? fragt er polemisch.
    "Also die Konsequenz ist, dass der Kernbereich von Schule dann natürlich Zeit abgeben muss. Und wenn ich jetzt mal ganz polemisch den Kernbereich von Schule definieren darf, dann ist das einfach Lesen, Schreiben, Rechnen lernen, Allgemeinwissen erwerben und ein gewisses Verhalten in der Gruppe erlernen. Und wenn man das erledigt hat, kann man sich weiteren Aufgaben zuwenden."
    Verbraucherbildung soll in den Berliner Lehrplänen verankert werden
    Doch die Verbraucherbildung wird in Kürze in den Berliner Lehrplänen explizit verankert werden, allerdings nicht als neues Schulfach. Ab dem Schuljahr 2015/16 sollen die Themen Ernährung, Finanzen, Medien und nachhaltiger Konsum in bestehende Fächer integriert werden,
    "sodass auch der Sportlehrer bei der gesunden Ernährung tätig wird, dass der Mathelehrer im Bereich Finanzen, Kreditberechnung tätig wird, der Biolehrer auch bei der gesunden Ernährung tätig wird. Das ist das Ziel, dass man Verbraucherbildung in alle Fächer reinträgt."
    erläutert Ulf Schrader. Der Professor für Arbeitslehre, Ökonomie und nachhaltigen Konsum hat gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Bildung die neuen Lehrpläne erarbeitet. An der Technischen Universität Berlin bildet er Lehrer für das Fach Wirtschaft/Arbeit/Technik an Sekundarschulen aus. Ulf Schrader führt in die Lehrküche:
    "Hier können wirklich unsere Studierenden darauf vorbereitet werden, dann Schülerinnen und Schülern beizubringen, wie man selber Nahrungsmittel zubereiten kann."
    Etwa 50 Absolventen hat Ulf Schrader jährlich - sie sind fit im Bereich Verbraucherbildung. Doch an den Schulen mangelt es an Fachkompetenz, beklagt der Professor. Er kritisiert,
    "dass mindestens 30 Prozent der Lehrkräfte fachfremd sind. Also Wirtschaft/ Arbeit/ Technik/ Arbeitslehre nicht als Studienfach selber hatten. Und wir haben das Problem, dass das Gymnasium bisher Verbraucherbildung überhaupt nicht oder eher zufällig am Rand bestimmter Fächer mitvermittelt."
    Für den TU-Professor ist klar - die Konsumwelt wird komplexer, Verbraucherkompetenz immer wichtiger. Wenn es nach ihm ginge, würden Berlins Sekundarschulen lieber auf die zweite Fremdsprache verzichten als auf das Thema Verbraucherbildung.