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Schuldenkrise
Griechen wollen endlich aufatmen

Wieder einmal ist vom "Endspiel um Athen" die Rede: ein Krisentreffen jagt das andere. Die Gläubiger signalisieren vorsichtig Entgegenkommen, die griechische Regierung beteuert Reformbereitschaft. Doch die Koalitionsregierung aus extremer Rechte und Linke weiß: Die Geduld der Griechen ist am Ende.

Von Thomas Bormann | 04.06.2015
    Alexis Tsipras blickt nachdenklich, er hält die geballte Hand vor seinen Mund.
    Alexis Tsipras (Julien Warnand, dpa picture alliance)
    Viele Griechen haben das zermürbende Gezerre um Reformpläne satt. Sie fordern von ihrem Regierungschef Tsipras:
    "Er muss jetzt schnell ein Abkommen unterschreiben. Sehr schnell. So geht das nicht weiter", sagt ein Mathe-Lehrer in Athen. Und ein junger Mann meint:
    "Wir brauchen endlich einen Kompromiss. Je mehr Zeit vergeht, desto größer die Gefahr, dass es einen Crash gibt."
    Ja, viele Griechen haben Angst, dass all die zähen Verhandlungen letztlich in der Sackgasse enden.
    Seit Tagen kursieren Gerüchte in Griechenland, die Regierung könnte Kapitalverkehrskontrollen einführen. Denkbar ist zum Beispiel, dass Bank-Kunden nur noch maximal 100 Euro pro Tag abheben dürfen oder dass Überweisungen ins Ausland verboten werden.
    Eine Frau steht vor einem Geldautomaten der griechischen Eurobank.
    An den Bankautomaten in Griechenland herrscht wieder mehr Betrieb. (picture alliance / dpa / Alkis Konstantinidis)
    Die Regierung weist solche Gerüchte empört zurück, aber die Bank-Kunden sind verunsichert. Viele, die noch Geld auf dem Sparkonto haben, heben es jetzt ab. Die Sparer verstecken das Geld meist in bar in ihrer Wohnung, weil sie fürchten, bei einer Staatspleite würden Euro-Guthaben auf Drachmen umgestellt, die deutlich weniger wert wären.
    "Wir haben unsere Grenzen erreicht. Jetzt muss endlich Schluss sein. Wir brauchen eine Lösung, die für beide Seiten annehmbar ist", meint Nikos Lakovidis, ein Rentner aus Athen. Auch er hofft, dass der Verhandlungspoker bald zu einem guten Abschluss kommt. Viele seiner Altersgenossen aber stehen voll hinter dem harten Kurs von Regierungschef Tsipras. Sie finden es gut, dass er nicht nachgibt, dass er widerspricht, wenn die Kreditgeber von der griechischen Regierung fordern, die Renten noch einmal zu senken.
    Zois Dimitriou, auch er ein Rentner aus Athen, fordert Regierungschef Tsipras auf: "Bloß nicht nachgeben – unsere Renten wurden doch schon so oft gekürzt – denkt an Eure Wahlversprechen."
    "Die Kreditgeber wollen uns nur Angst machen. Solange sich unsere Regierung nicht einschüchtern lässt, ist's gut. Wenn die aber nachgeben, wie alte Regierung, dann verlieren wir das Spiel."
    Da widerspricht eine ältere Dame; sie fand die alte Regierung unter dem konservativen Ministerpräsidenten Samaras besser, die hätten gut mit der EU zusammengearbeitet. Die Regierung Tsipras hingegen treibe das ganze Land in den Abgrund:
    "Ich hab keine Angst vorm Druck der EU, sondern ich hab Angst wegen Tsipras. Der weiß nicht, wo es langgeht. Guten Tag!"
    Angst vor einem Zerbrechen der Regierungskoalition
    Da klingt schon ziemlich viel Wut mit. In der Tat weiß im Moment niemand, wo es langgehen wird mit Griechenland: Welche Steuersätze werden morgen gelten? Wird die Mehrwertsteuer für Hotel-Übernachtungen wirklich fast verdoppelt? Sollen Firmen privatisiert werden oder nicht? Solange solche Fragen unklar bleiben, kommt kein Investor nach Griechenland. Ein 45-jähriger Händler meint:
    "Die Regierung hat schon zu viel Zeit verschwendet. Die ganze Wirtschaft steht still, es wird immer schlimmer. Die müssen jetzt schnell zu einem Ende kommen."
    Der Druck wächst. Das spürt auch die Reiseleiterin Fay Giakomidou in Athen:
    "Jeder ist hier beunruhigt. Die Wirtschaft steht still, alles ist unklar. Trotzdem bleib ich optimistisch. Ich glaub, es wird ein Abkommen geben - mit guten Bedingungen."
    Vielleicht dauert es aber noch eine Weile, bis es einen Kompromiss gibt, bis die Griechen endlich aufatmen können. Denn innerhalb der Regierungspartei Syriza ist heftig umstritten, inwieweit die Regierung auf die Kreditgeber zugehen und Sparmaßnahmen zustimmen soll. Griechische Medien spekulieren längst, die Linkspartei Syriza könnte an diesem Streit zerbrechen, die Griechen müssten dann ein neues Parlament wählen, und danach könnten die gemäßigten Kräfte der Linkspartei Syriza um Regierungschef Tsipras eine neue Koalition bilden, die dann endlich einen Kompromiss mit den Kreditgebern aushandelt. Das wäre der Plan B für Griechenland. Die meisten Griechen hoffen aber, dass der Kompromiss ohne den Umweg über Neuwahlen gefunden wird, damit die lähmende Ungewissheit in Griechenland möglichst bald aufhört.