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Schuldenstreit mit Griechenland
"Die Meinungen ändern sich jeden Tag"

"In Europa gibt es Spielregeln", sagt der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling. Er zeigte sich im DLF-Interview enttäuscht über das Verhalten der griechischen Regierung beim Treffen der Euro-Finanzminister. Solange Griechenland keine aussagekräftigen Zahlen auf den Tisch lege, werde es kein neues Programm geben, so Schelling.

Hans Jörg Schelling im Gespräch mit Peter Kapern | 17.02.2015
    Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling
    Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling (dpa / picture-alliance / Olivier Hoslet)
    Dass das Treffen der Euro-Finanzminister zur Finanzkrise in Griechenland ohne Einigung endete, liege vor allem an der Haltung der griechischen Regierung, sagte der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling: "Ich muss sagen, die Meinungen ändern sich so ziemlich jeden Tag und das ist das eigentliche Problem".
    An der festgefahrenen Situation ist aus Sicht der Finanzminister vor allem die Tatsache Schuld, dass Griechenland keine aussagekräftigen Finanzunterlagen auf den Tisch legt, sondern nur Absichtserklärungen abliefert. Das reiche aber nicht aus. "Die griechische Regierung hat offensichtlich nicht verstanden, dass es im europäischen Zusammenspiel Spielregeln gibt und vor allem auch Rechtsgrundlagen gibt, die einzuhalten sind."
    Varoufakis will fällige Zinszahlungen begleichen
    Eine Lösung müsse schnell gefunden werden. Das habe vor allem technische Gründe, denn nächste Woche würden zum Beispiel griechische Zinszahlungen in Höhe von 460 Millionen Euro fällig. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis versprach laut Schelling, dass die Zahlungen eintreffen werden.
    Einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone schließt Schelling aber aus; weder die Euro-Finanzminister noch Griechenland hätten Interesse an diesem Szenario. Er gehe davon aus, dass Griechenland im Streit über das Hilfsprogramm noch einlenken werde.

    Das Interview in voller Länge:
    Peter Kapern: Das Wort Troika nehmen EU-Politiker schon nicht mehr in den Mund aus Rücksichtnahme auf die Troika-Allergie in Griechenland. Stattdessen sprechen sie heute von „den Institutionen". Dieses semantische Entgegenkommen reicht aber offensichtlich nicht, um die Wogen im Streit um die griechischen Staatsfinanzen zu glätten. Das Treffen der Euro-Finanzminister gestern Abend in Brüssel endete im Eklat. Und bei uns am Telefon ist nun Hans Jörg Schelling, der Finanzminister Österreichs. Guten Morgen, Herr Schelling!
    Hans Jörg Schelling: Schönen guten Morgen, Herr Kapern!
    Kapern: Herr Schelling, gestern - das hat unsere Korrespondentin gerade gesagt - mochte niemand über den Plan B reden. Kann ich Sie dazu animieren? Was ist, wenn bis Ende der Woche da nicht etwas unter Dach und Fach gebracht werden kann?
    Schelling: Ja, es gibt derzeit, glaube ich, noch immer den Optimismus, dass wir zu einer Einigung kommen. Und ich glaube, es ist gestern sehr klar geworden, dass es zum einen am Inhalt dieser Vereinbarungen liegt, aber zum anderen auch am Stil, wie die griechische Bundesregierung mit den Partnern in der EU pflegt umzugehen. Ich vergleiche das immer damit, wenn einer Ihrer Hörerinnen oder Hörer einen Kredit hat und aus welchen Gründen auch immer derzeit nicht zurückzahlen kann, dann wird es keinen Sinn machen, wenn man in die Bank geht, den Bankdirektor dort beschimpft und dann die Konditionen diktiert, zu denen man den Kredit verlängert haben möchte. Das heißt, wir gehen noch davon aus, dass dieses Einlenken kommt. Die Ankündigungen des griechischen Finanzministers stimmen uns hier positiv. Wobei ich sagen muss, die Meinungen ändern sich so ziemlich jeden Tag und das ist eigentlich unser Problem.
    "Alle Mitglieder der Euro-Gruppe respektieren das Wahlergebnis"
    Kapern: Wenn man das als Außenstehender betrachtet, was da abläuft zwischen Griechenland und dem Rest der Eurozone, Herr Schilling, dann hat man den Eindruck, da stehen zwei, ja, eigentlich bekannte Positionen sich gegenüber, die griechische Regierung pocht auf die Rückendeckung durch ihre Wähler, die Euro-Finanzminister verlangen die Einhaltung der gegebenen Zusagen. Aber man hat auch den Eindruck: So richtige Verhandlungen finden da gar nicht statt, weil da gar nicht dieselbe Sprache gesprochen wird!
    Schelling: Der Eindruck täuscht nicht. Und wenn wir immer wieder aufgefordert werden, das Wahlergebnis in Griechenland zu respektieren, so kann man uneingeschränkt sagen: Alle Mitglieder der Euro-Gruppe respektieren das Wahlergebnis in Griechenland, aber wir suchen eben auch Griechenland zu respektieren, dass 80 Prozent der Menschen in Deutschland oder auch in Österreich nicht mehr bereit sind, weitere Hilfspakete zu machen. Und wir als die jeweiligen Minister der einzelnen Länder sind vor allem unseren Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern verantwortlich. Und diese Rolle nehmen wir sehr ernst. Warum scheitert dieser Dialog, den wir von Anfang an angeboten haben? Wir bekommen keine Zahlen, wir bekommen keine Unterlagen, wir bekommen jeweils nur einen Vortrag, wie man sich das vorstellt. Die griechische Regierung hat offensichtlich nicht verstanden, dass es im europäischen Zusammenspiel Spielregeln gibt und vor allem auch Rechtsgrundlagen gibt, die einzuhalten sind. Und Griechenland möchte nun Zeit gewinnen, das ist korrekt, Griechenland möchte ein neues Programm, das wir eigentlich neuen Vertrag nennen, mit uns abschließen, aber dazu ist erforderlich, dass das laufende Programm ordentlich abgearbeitet wird. Wir brauchen auch diese Zeit, um so ein neues Programm zu gestalten. Aber man kann nicht die Bedingungen des neuen Programms in das alte Programm hineingeben, das ist weder rechtlich möglich noch politisch möglich.
    Kapern: Warum bekommen Sie denn keine Zahlen aus Athen auf den Tisch, warum gibt es da keine Vorlagen? Ist das Taktik der neuen Athener Regierung oder ist das - ich meine das jetzt gar nicht abwertend - auch eine Spur Dilettantismus von Leuten, die einfach keine Regierungserfahrung haben?
    Schelling: Da spielt sicher beides zusammen. Das ist unser Eindruck. Vielleicht ist es auch Taktik, nicht auf den Tisch zu legen, wie die wahre Situation ist. Wir hören nur aus verschiedenen Medien, dass auch von der EZB bestätigt wird, dass ein starker Abfluss von Spareinlagen weiterhin aus Griechenland erfolgt. Wir hören, dass die Einnahmen bei den Steuern deutlich hinter den Erwartungen zurück sind. Das könnte ein Grund sein. Der andere Grund ist sicherlich der, dass die griechische Regierung in ihrer Zusammensetzung natürlich auf wenig politische Erfahrung zurückgreifen kann, und der dritte Grund, den man vielleicht nennen muss, ist auch die Tatsache, dass offensichtlich man die Zahlen auch gar nicht auf den Tisch legen will, weil man ein neues Programm und nicht das alte Programm abarbeiten möchte.
    "Wir kommen eben nicht voran"
    Kapern: Als gestern, Herr Minister Schilling, die Nachricht in Athen ankam, dass die Verhandlungen in Athen abgebrochen worden sind, da gab es spontane Demonstrationen in Athen zur Unterstützung der Regierung und ihrer Position. Beeindruckt Sie das und wie beurteilen Sie das vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Sie eben noch optimistisch waren, die griechische Regierung könnte doch noch einlenken?
    Schelling: Zum Ersten möchte ich auch hier noch auf die Stilfrage kurz eingehen: Die Verhandlungen sind noch nicht beendet gewesen in Brüssel und da ist über das griechische Fernsehen bereits mitgeteilt worden, dass die Verhandlungen gescheitert sind. Also, das ist, glaube ich, kein guter Zugang. Das Zweite: Natürlich hat Griechenland und auch die griechische Bevölkerung das Recht, hier zu demonstrieren, aber ich glaube, es geht hier nicht um die Frage von Demonstrationen, sondern es geht um die Frage einer sehr sachlichen Behandlung des Themas. Dazu sind wir seit letzter Woche uneingeschränkt bereit. Aber wir kommen eben nicht voran, weil auch die sogenannten Institutionen ohne Vorlage von neuen Daten und Zahlen keine Entscheidungen treffen können. Und daher wollen wir als Euro-Finanzminister eine Lösung, die gut ist für die Menschen in Griechenland und die gut ist für die Entwicklung der griechischen Wirtschaft in die Zukunft, unabhängig davon, wer regiert.
    Kapern: Ist denn der Finanzminister Griechenlands, wenn ich das noch mal aufgreifen darf, was Sie da gerade als Zielfrage angesprochen haben, verantwortlich für die Berichterstattung im griechischen Fernsehen?
    Schelling: Das kann ich nicht beurteilen, ob die Information von ihm gekommen ist. Er selbst war noch in der Euro-Gruppe zu dem Zeitpunkt, als die Meldung in Griechenland verbreitet wurde. Es sind natürlich Mitarbeiter auch sicherlich dabei, die vorzeitig die Sitzung verlassen haben, auch der Vizepremier hat die Sitzung vorzeitig verlassen, aber wir haben die Gespräche bis zum Schluss korrekt geführt und es sind auch bis kurz vor Ende der Gespräche und kurz vor Bekanntgabe der Entscheidung durch die Euro-Gruppe und den Vorsitzenden Dijsselbloem noch Kompromissvorschläge eingebracht worden, unter anderem auch von Österreich, in dem wir gesagt haben, gehen wir zurück auf das Ergebnis, das wir bereits ja letzten Mittwoch hatten! Und wir hatten ja dort auch ein ähnliches Erlebnis, man hat circa um neun Uhr abends eine Einigung erzielt gehabt, man konnte sich aber dann bis ein Uhr in der Früh nicht auf das Statement beziehungsweise auf ein Kommuniqué der Euro-Gruppe einigen, weil Griechenland das einfach abgelehnt hat. Und die Stimmung gestern bei den Finanzministern war durchweg die, dass sich alle extrem enttäuscht über die Haltung Griechenlands gezeigt haben, und es war eine sehr, sehr geschlossene Front der Euro-Finanzminister in dieser Frage, Enttäuschung, keine Zahlen auf dem Tisch, damit keine Verhandlungsgrundlage.
    "Wir sind bereit auch zu Sondersitzungen"
    Kapern: Wie viel Zeit bleibt noch für eine Einigung und was geschieht, wenn die Einigung bis zu dem Zeitpunkt nicht zustande kommt?
    Schelling: Die Frage der Zeit ist durch mehrere Faktoren getrieben. Zum einen müssen mehrere Regierungen ihre Parlamente mit dieser möglichen Verlängerung befassen, zwei Regierungen der Euro-Gruppe haben aber demnächst kein Parlament mehr, weil es aufgelöst wird wegen Neuwahlen, das ist vor allem in Finnland der Fall. Das heißt, es drängt einmal die Zeit von dorther. Es drängt zum Zweiten die Zeit, weil nächste Woche eine erste Zinszahlungsrate in Höhe von circa 460 Millionen Euro an den europäischen Fonds notwendig ist, die auch geleistet werden muss. Und daher ist das der Punkt, warum die Zeit so drängt. Es lässt sich im Moment nicht abschätzen, was passiert, wenn dieser Antrag nicht kommt, und es lässt sich noch nicht abschätzen, was passiert, wenn die Zinszahlungen nicht eintreffen. Der griechische Finanzminister hat gestern zugesagt, sie würden all ihren Verpflichtungen nachkommen. Davon gehen wir jetzt einmal aus, dass diese Zinszahlungen kommen und dass damit sozusagen dieser Antrag in welcher Form auch immer kommt, damit wie vereinbart die EZB, die Europäische Kommission, aber auch der Internationale Währungsfonds über diesen Antrag berichten kann und dann der Euro-Gruppe zur Entscheidung vorliegt. Wir sind bereit auch zu Sondersitzungen, um das abzuwickeln, aber die Zeit drängt aus diesen technischen Gründen vor allem.
    Kapern: Herr Schelling, wenn Politiker sich nicht exakt auf Daten festlegen wollen, dann stellen Journalisten immer Ausschlussfragen, das mache ich jetzt auch! Schließen Sie aus, dass am Monatsende schon feststeht, dass Griechenland pleite ist und möglicherweise aus dem Euro raus?
    Schelling: Ich schließe dieses Szenario im Moment aus. Ich glaube, es hat niemand, weder Griechenland noch die Euro-Gruppe, Interesse, dass es zu einem Grexit kommt. Daher setzen wir alle Bemühungen darauf, dass wir hier zu einer Lösung kommen. Aber eine Lösung bedeutet natürlich auch, dass die griechische Regierung sich bewegt. Und ich möchte schon darauf verweisen, dass auch mein Kollege Wolfgang Schäuble mit dieser Verlängerung ins Parlament gehen muss und es nicht möglich sein wird, dass man zu anderen Konditionen etwas verlängert, was das deutsche Parlament bisher beschlossen hat.
    Kapern: Hans Jörg Schelling, der Finanzminister Österreichs heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Schelling, vielen Dank, dass Sie Zeit für uns und unsere Hörer hatten! Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und sage auf Wiederhören!
    Schelling: Bitte schön, Wiederhören und auch Ihnen einen schönen Tag!
    Kapern: Danke sehr!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.