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Schuldenstreit
Sündenfall Griechenland beenden

Wie die Verhandlungen zwischen Griechenland und den Gläubigern ausgehen werden, darüber könne man momentan keine Aussage treffen, sagte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber im DLF. Der IWF und die EZB verfolgten zu Recht eine harte Haltung. EU-Kommissionspräsident Juncker hingegen wolle eine politische Lösung und spiele damit Tsipras in die Hände.

Markus Ferber im Gespräch mit Dirk Müller | 25.06.2015
    Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber spricht im Mai 2014 vor der weiß-blauen Flagge Bayerns
    Der CSU-Europapolitiker Markus Ferber (dpa/Daniel Karmann)
    "Der Spuk hat dann ein Ende, wenn es eine Vereinbarung gibt. Auch eine negative Lösung wäre vorstellbar", sagte Ferber. Kritikwürdig sei die Haltung Griechenlands. Man wolle Geld, ohne Entsprechendes zu leisten.
    Die Folgen eines möglichen Austritt Griechenlands aus dem Euro seien schwierig abzusehen, unterstrich Ferber. Allerdings habe man den Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht dafür verabschiedet, dass er dauerhaft gebrochen werde. Der Sündenfall Griechenland müsse ein Ende haben, betonte Ferber.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Es kam für viele dann frustrierender als befürchtet. Das Treffen der Eurogruppe galt als entscheidend für die Lösung der Griechenland-Krise. Einige Beobachter hatten zumindest mit einem kleinen positiven Signal gerechnet. Doch die Gespräche der Finanzminister sind erst einmal gescheitert, wieder einmal, und die Folgen nicht absehbar. Auch ein weiteres Spitzengespräch zwischen Alexis Tsipras und der Troika brachte keinen Durchbruch.
    Wieder einmal wurde gesprochen, diskutiert und auch gestritten. Wieder einmal kein Ergebnis in Brüssel zu Griechenland. Am Telefon ist nun der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber, Vizevorsitzender im Ausschuss für Wirtschaft und Währung im Europäischen Parlament. Guten Morgen.
    Markus Ferber: Guten Morgen, Herr Müller.
    Müller: Herr Ferber, wann hat der Spuk ein Ende?
    Ferber: Der Spuk hat dann ein Ende, wenn eine Lösung gefunden ist, im positiven wie im negativen Sinne.
    Müller: Es gibt also auch negative Lösungen?
    Ferber: Die negative Lösung heißt, dass es keine Vereinbarung zwischen den Geldgebern und Griechenland gibt und dass Griechenland dann seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Das wäre die negative Lösung.
    Müller: Wäre das vielleicht besser für Europa?
    Ferber: Das ist eine schwere Frage, die man nicht beantworten kann. Wissen Sie, bei dem Pleite gehen lassen von Lehman Brothers waren alle der Meinung, wenn eine Bank mal stirbt, dann ist das ein wichtiges Signal an die Banken, ihre Hausaufgaben zu machen, und es hat eine Weltwirtschaftskrise ungeahnten Ausmaßes ausgelöst. Und ich glaube, ein paar Tage später hätten die, die zunächst ganz tapfer waren, auch gesagt, wir hätten die Lehmans doch nicht Pleite gehen lassen sollen. Das gleiche gilt für Griechenland. Ich kann dem nur zustimmen, was der Kollege Münchenberg gerade gesagt hat.
    Müller: Sagen Sie es noch mal bitte, was für Sie da wichtig war, entscheidend war.
    Ferber: Ja! Es geht darum: Können beide Seiten auch wirklich für sich in Anspruch nehmen, alles Mögliche getan zu haben? Und was wir momentan vermissen ist die Erkenntnis in Griechenland, dass das Land auf eigenen Beinen nicht stehen kann, dass es auf die Solidarität der Geldgeber angewiesen ist, dass es aber dazu auch einen Beitrag leisten muss. Und die griechische Regierung hat, seit sie im Januar ins Amt gekommen ist, nichts anderes getan, als abzuwarten in der Hoffnung, dass man sie am Ende nicht fallen lässt, ohne dass sie etwas tun muss, und das muss Griechenland jetzt endlich aufgeben.
    "...dass solche Schieflagen, wie wir es jetzt mit Griechenland erleben, in der Zukunft nicht mehr entstehen können"
    Müller: Was Sie sagen, ist natürlich dann auch relativ dementsprechend, ist alles getan worden, würde vermutlich ja kein normaler Europäer bestreiten, dass man seit Jahren nicht alles Mögliche versucht, zumindest von der europäischen Seite. Sie sagen Lehman Brothers als Beispiel. Dann könnte alles implodieren oder wie auch immer, möglicherweise explodieren. Heißt das umgekehrt, wenn wir das weiter zulassen, dass ein Land nicht in der Lage ist, dementsprechend zu kooperieren, die Regeln einzuhalten - da ist Griechenland ja auch nicht das einzige Land -, kann dann jeder so schlecht sein wie er will, aber er bleibt trotzdem aus Prinzip drin?
    Ferber: Genau das ist der Punkt und das kann natürlich nicht die Regel heißen. Wir haben einen Stabilitäts- und Wachstumspakt, den wir im Rahmen der finanz- und Wirtschaftskrise ja noch mal verschärft haben, nicht verabschiedet, dass er dann dauerhaft gebrochen wird, sondern dafür zu sorgen, dass solche Schieflagen, wie wir es jetzt mit Griechenland erleben, in der Zukunft nicht mehr entstehen können. Wenn hier Griechenland der Sündenfall ist, dass unkonditioniert einfach Geld reingepumpt wird, dann ist das der ganz große Sündenfall, der die Währungsunion per se in Frage stellt. Ich will schon mal darauf hinweisen, dass das Bundesverfassungsgericht 1992 festgestellt hat bei der Bewertung des Maastrichter Vertrages, dass Deutschland an der Währungsunion sich nur beteiligen darf, wenn es eine Stabilitätsunion und keine Transferunion ist. Auch Deutschland ist da an bestimmte Dinge gebunden.
    Müller: Aber davon stimmt ja so gut wie nichts mehr. Deutschland hat dagegen verstoßen, ist jetzt besser geworden, Frankreich verstößt jedes Jahr dagegen, diejenigen, die dafür verantwortlich sind, stehen jetzt an der Spitze der Europäischen Kommission und alles geht weiter.
    Ferber: Ja, da sprechen Sie ein großes Problem an. Jean-Claude Juncker war ja damals Chef der Eurogruppe, wo die große Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes betrieben wurde, und darum ist es schon interessant, dass Kommission und Internationaler Währungsfonds zurzeit die Vorlagen aus Griechenland sehr unterschiedlich interpretieren. Ich habe den Eindruck, Jean-Claude Juncker will jetzt einfach eine Lösung, damit das Problem vom Tisch ist, während der Internationale Währungsfonds zurecht darauf achtet, dass das, was die internationalen Geldgeber erwarten, auch eingehalten wird. Der Internationale Währungsfonds hat die Expertise, hat die Erfahrung, hat auch die juristischen Mittel, Dinge durchzusetzen, und in aller Welt funktioniert es und nur in Griechenland nicht. Da kann man nicht den Geldgebern die Schuld geben, sondern da muss man schon in Athen nachschauen.
    "Gut, dass sowohl Europäische Zentralbank als auch Internationaler Währungsfonds eine harte Linie vertreten"
    Müller: Wenn wir bei Jean-Claude Juncker bleiben. Er ist ja relativ flexibel auch in seiner Steuerpolitik, in seiner Steuerauffassung, und es geht ja jetzt auch wieder um Steuern. Ein Kommissionspräsident, der jetzt in dieser Phase der Verhandlungen zu weich ist?
    Ferber: Ich habe das Gefühl aus vielen Gesprächen, die ich auch gestern Abend noch geführt habe - dadurch, dass die Finanzminister ja frühzeitig auseinandergegangen sind, konnte man den einen oder anderen ja am späteren Abend auch noch sprechen, weil sie nicht in Sitzungen waren -, dass hier schon ein bisschen die Sorge ist, dass die Kommission als eine der Prüfungsinstanzen neben der Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds schon auf dem Kurs ist, lasst uns auf alle Fälle eine Lösung finden und dann sehen wir weiter. Und da ist es gut, dass sowohl Europäische Zentralbank als auch Internationaler Währungsfonds eine harte Linie vertreten, weil eine Lösung, die nur wieder ein paar Tage, ein paar Wochen oder ein paar Monate Zeit kauft, ohne dass eine substanzielle Lösung erarbeitet wird, ist keine Lösung für Griechenland.
    Müller: Also könnten Sie, Herr Ferber, auf die Frage eigentlich auch antworten: Ja, er ist so weich? Ist nur ein Vorschlag.
    Ferber: Er hat eine andere Schwerpunktsetzung. Das hat nichts mit weich zu tun. Sie müssen ja auch ein paar andere Dinge überlegen, die auch eine Kommission mit überlegen muss. Aber die Kommission ist Prüfungsinstanz und nicht Geldgeber. Das heißt, sie arbeitet treuhänderisch für die Mitgliedsstaaten, die im Obligo stehen, und insofern muss die Kommission diese treuhänderische Aufgabe auch ernsthaft wahrnehmen und nicht nur das große politische Bild sehen.
    Müller: Das heißt jetzt so ein bisschen versteckt, der hätte auch nichts dagegen, wenn wieder ein Schuldenschnitt kommt, diesmal bezahlt von den Steuerzahlern?
    Ferber: Da würde ich jetzt ein bisschen zu weit gehen, weil weder Sie noch ich das belegen können. Wir haben aber das Gefühl in den Gesprächen, dass der Kommissionspräsident schon darauf drängt, jetzt zu einer Einigung zu kommen, und das würde natürlich dem Herrn Tsipras in die Hände spielen, nichts tun zu müssen und trotzdem Geld zu bekommen.
    Müller: Koste es was es wolle?
    Ferber: Koste es was es wolle gibt es nicht. Es gibt schon Beschränkungen. Auch der Herr Regling, der Chef des Rettungsschirms, sitzt ja bei den Gesprächen mit dabei, der natürlich auch weiß, bei einer koste es was es wolle Lösung verliert er die Bonität, die er hat, und kann sich nicht mehr so günstig an den Kapitalmärkten refinanzieren. Dann bricht das ganze System wie ein Kartenhaus zusammen. So einfach ist die Nummer nicht. Darum will ich den Herrn Juncker auch nicht ganz in die Ecke stellen, dass er alles preisgeben will. Aber er versucht, wenn es finanzpolitisch nicht geht, nur politisch eine Lösung zu finden.
    Müller: Und Wolfgang Schäuble hat es dann ganz schwer und Sie wollen auf gar keinen Fall in seiner Haut stecken?
    Ferber: Ich glaube nicht, dass Wolfgang Schäuble es besonders schwer hat. Da haben wir ein paar Finanzminister, die ihm schützend zur Seite stehen, die zum Teil noch strenger sind. Ich habe gestern Abend mit dem finnischen Finanzminister gesprochen, der ja in einer Mitte-Rechts-Koalition ist, wo auch das Parlament noch zustimmen muss. Der steht massiv unter Druck von zuhause, nicht klein beizugeben, wenn es darum geht, die Kriterien und die Stabilitätsansätze durchzuhalten. Wir haben Spanien, wir haben Portugal, wir haben Irland, die sagen, wir sind doch nicht durch diese Prozedur gegangen, um jetzt bei den Griechen alles wieder zu vergessen. Also da ist der Herr Schäuble nicht allein. Aber es gibt angenehmere Jobs zurzeit, als Finanzminister zu sein.
    Müller: Der finnische Finanzminister - Herr Ferber, Sie haben ihn gerade erwähnt -, der hat sich auch darüber beschwert, dass ihm langsam die Flugtickets zu teuer werden, weil das ja alles nichts bringt. Jetzt muss der arme Kerl - - Na gut, der war gestern schon da, der bleibt jetzt da.
    Ferber: Nein, er bleibt natürlich in Brüssel. Aber er hat ja zu Hause auch ein paar... Also jeder Finanzminister ist ja zunächst mal zu Hause Finanzminister und nicht nur dazu da, sich tagelang, wochenlang mit Griechenland zu beschäftigen, und das ist natürlich schon ein Punkt, der auch gesehen werden muss. Da ist die Geduld sehr, sehr ans Ende gekommen.
    Müller: Jetzt muss ich Sie noch fragen. Die CSU war ja immer besonders kritisch auch mit diesen Problemen befasst, auch immer standhaft in der Argumentation, hat bisher aber alles mitgetragen. Wenn das nicht vernünftig - ich will das nicht weiter definieren - "läuft" mit Griechenland, so ein weiches Paket, so ein bisschen, aus Prinzip ein Paket schnüren, ist das für Sie vorstellbar, dass Ihre Parteifreunde beispielsweise dann im Bundestag, der abstimmen muss, diesmal sagen nein, mit uns nicht?
    Ferber: Zunächst mal ist es nicht an einem Europaabgeordneten, Bundestagskollegen Hinweise zu geben. Aber was auch immer jetzt in Brüssel beschlossen wird, muss es ja vom Bundestag akzeptiert und genehmigt werden, und deswegen werden vor einer Entscheidung auch die entsprechenden Gremien meiner Partei, der CSU tagen. Das haben wir beim letzten Mal, als es nur um die Verlängerung des zweiten Paketes ging, so gemacht und das werden wir auch wieder so machen und werden dann uns positionieren. Aber das ist jetzt nicht meine Aufgabe, da Vorschriften zu machen.
    Müller: Wir haben nur noch zehn Sekunden. Sie könnten sich vorstellen, auch einmal Nein zu sagen zur Abwechslung?
    Ferber: Ich kann mir vorstellen, wenn Griechenland nicht liefert, dann müssen wir auch nicht liefern und dass wir das dann auch zum Ausdruck bringen.
    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk aus Brüssel zugeschaltet der Europaabgeordnete Markus Ferber (CSU). Danke für das Gespräch, Ihnen noch einen schönen Tag.
    Ferber: Gerne, Herr Müller.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.