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Schuldentilgung, Ganztagsschulen und Landesbankdesaster

Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) will Horst Seehofer (CSU) am 15. September 2013 als Ministerpräsidenten von Bayern ablösen. Im TV-Duell im Bayerischen Rundfunk lieferten sich gestern beide Kontrahenten einen Schlagabtausch.

Von Michael Watzke | 05.09.2013
    Gestern Abend vor dem Fernsehstudio des Bayerischen Rundfunks. Jusos und Junge Union feuern ihre Kandidaten an.

    " "See-hoo-ferrr! Seee-hooo-ferrr!"

    """Uuu-de, Uuuude, Uuuu-de!"

    Zwanzig Minuten später in der SPD-Zentrale in München. Beim Public Duell Viewing herrscht beste Stimmung.

    Das Gelächter der achtzig SPD-Mitglieder gilt selbstverständlich dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer von der CSU und seinem Satz:

    "Ich bin ein Architekt der Energiewende. Die habe ich mit der Kanzlerin vereinbart!"

    Sofort twittern und facebooken zwei junge SPD-Aktivisten in der Parteizentrale ihre Botschaft ins Netz: 'Horst Seehofer hat auch die Glühbirne erfunden.' Mit allen Mitteln versucht die SPD, Fernsehzuschauer in die sozialen Netzwerke zu locken. Kandidat Christian Ude fungiert noch während des Duells als sprechender Internetlink:

    "Ich kann nur darauf hinweisen: Wer sich für die Zahlen interessiert, kann sie auf meiner Facebook-Seite in wenigen Minuten lesen."

    Die Zahlen – sie dominieren das muntere Duell zwischen dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer und seinem Herausforderer Christian Ude. Etwa beim Thema Schuldentilgung.

    Horst Seehofer:
    "Dass der Staatshaushalt des Freistaates Bayern für die Staatsausgaben keinen Euro aufgenommen hat, über viele Jahre, ist unbestritten. In meiner Verantwortung sind zweieinhalb Milliarden Euro zurückgezahlt worden. Und wir werden nach einer Reform des Länderfinanzausgleichs das erste Land Europas sein, das schuldenfrei ist."

    Wenn CSU-Chef Horst Seehofer solche Sätze sagt, hüpft Christian Udes grauer Schnurrbart geradezu vor Vergnügen. Es sind dies seine stärksten Momente:

    "Also ich finde, man soll bei der Wahrheit bleiben. Die Schuldentilgung ist eine Märchenstunde. Es gibt am Ende der Regierung Seehofer neun Milliarden Euro Schulden mehr als zu Beginn."

    Das stimmt zwar nur fast. Denn es sind nur acht Milliarden Euro mehr Schulden. Aber der Vorwurf sitzt. Denn wegen des Landesbank-Desasters der BayernLB, die der bayerische Staat mit zehn Milliarden vor dem Zusammenbruch retten musste, zahlt der Freistaat heute pro Tag eine Million Euro Kreditzinsen. Doch Horst Seehofer, der das Landesbank-Problem von seinen Vorgängern geerbt hat, geht überraschend in die Offensive gegen Ude.

    "Sie waren zur Hälfte Eigentümer dieser Landesbank!"

    "Nicht ich, sondern das bayerische Sparkassenwesen!"

    Auch damit hat Ude natürlich recht. Er war für die Landesbank weiß Gott nicht verantwortlich. Doch er lässt sich von Horst Seehofer in die Defensive drängen. Dabei ist Ude der Herausforderer. Seine SPD liegt in den letzten Umfragen bei 18 Prozent, die CSU bei 47 Prozent. Seehofer attackiert auch beim klassischen SPD-Thema Ganztagsschule: Er wirft dem Münchner OB vor, die Landeshauptstadt hinke hinterm Freistaat her.

    "Jetzt sage ich Ihnen mal, wie die Realität aussieht zwischen politischem Reden und dem, was in der Praxis stattfindet: In der Landeshauptstadt München ist im Jahr 2011 für die Grundschule kein einziger Antrag an den Freistaat Bayern für ein Ganztagesangebot gestellt worden. Kein einziger. Im Jahr 2012 waren es nur zwei. Obwohl der Freistaat Bayern in Vergangenheit und Zukunft zusagt: Jeder Antrag, der gestellt wird, wird gefördert."

    Christian Ude:
    "Also das ist doch ein Witz! Die Grundschulen sind ja staatliche Einrichtungen, die den Antrag stellen müssten!"

    Auch hier hat Ude recht. Doch beim Zuschauer bleibt hängen, dass er sich ständig verteidigen muss und gar nicht zum Angreifen kommt, während Seehofer fast schon triumphierend die Erfolge des Freistaates Bayern aufzählt:

    "Wir sind die Ersten! Wir sind die Nummer 1. Und wenn ich das noch sagen darf: Wir haben in Bayern auch die höchste Frauenerwerbsquote in ganz Deutschland!"

    Horst Seehofers Körperhaltung spricht Bände: Mit einer Hand in der Tasche wendet sich der CSU-Chef dem einen Kopf kleineren SPD-Kandidaten direkt zu. Und lächelt souveräner als Ude, findet Christian Deutschländer, Politik-Redakteur der Zeitung "Münchner Merkur":

    "Ich war ein bisschen überrascht, denn ich dachte, Ude muss aggressiver sein. Muss angreifen. Das hat er eigentlich nicht gemacht. Er war relativ zurückhaltend. Seehofer hatte die Möglichkeit, sich staatsmännisch zu zeigen. Den Schalk im Nacken. Ich habe den Eindruck: Am Ende hat es Seehofer vielleicht mehr genutzt als Ude."

    Ähnlich, wenn auch ein bisschen Ude-freundlicher, schätzt Christine Schröpf von der "Mittelbayerischen Zeitung" die Performance des SPD-Kandidaten ein.

    "Also ich denke, er hat gepunktet, aber er hätte eigentlich so einen richtig schweren Treffer gebraucht. Und der ist ausgeblieben. Also ich denke, das Ruder wird durch dieses Duell nicht herumgerissen."

    Beim Public Viewing in der SPD-Zentrale sieht man das natürlich anders. Landes-Chef Florian Pronold ringt sich nach dem Duell ein Lächeln ab:

    "Christian Ude hat sich sehr gut geschlagen. Seehofer hat wie üblich Nebelkerzen geworfen und Falschbehauptungen aufgestellt. Ich fand Ude wirklich überzeugend. Wenn ich meine eigene Voreingenommenheit abziehe, sind wir immer noch Gewinner des Duells."
    Die einzige Umfrage dagegen sah Seehofer als Sieger, mit 62 Prozent. Auftraggeber dieser Blitz-Studie war allerdings die CSU.