Archiv

Schulen in Sachsen-Anhalt
Dixi-Klos als Dauerlösung

Es ist ein Trauerspiel: In Halle müssen Schüler ihren Toilettengang auf Dixi-Klos erledigen, die Elektrik im Schulgebäude ist lebensgefährlich. Im Örtchen Werben wird eine komplett sanierte Schule dagegen geschlossen. Sachsen-Anhalts Schulen in der Krise.

Von Christoph Richter | 25.05.2015
    In Sachsen-Anhalt sind manche Schulgebäude so marode, dass der Unterricht für Schüler und Lehrer fast lebensgefährlich ist. Und auf der anderen Seite schließen top sanierte Schulen im Land, weil die geforderte Mindestschülerzahl nicht erreicht wird. Und das, obwohl die Schulen erst kurz vorher mit Steuergeldern für sechsstellige Beträge saniert wurden.
    "Das sind jetzt die neu aufgestellten Dixi-Klos. Also ich habe einige Schüler gehabt, die sind gekommen und haben sich gefreut und gesagt: Hurra endlich werden unsere Toiletten saniert. Ich sage: Nee, die werden nicht saniert, die Toilettencontainer sind erst mal eine Dauerlösung."
    Der Hausmeister im Blaumann an der Berufsschule für Sozialpädagogik in Halle ist völlig entrüstet. Seinen Namen will er nicht nennen. Sei ihm alles zu peinlich, sagt er.
    "Keiner kümmert sich. Jeder der sich mit der Problematik dieser Schule auseinandersetzt wird feststellen, dass es eine Schande ist durch die Stadt, dass die Schule hinten runter fällt."
    Toiletten-Container als Dauerlösung
    Die Toiletten in der Berufsschule in der Rainstraße im Hallenser Giebichensteinviertel - um die Ecke liegt die weltberühmte gleichnamige Kunsthochschule – sind so marode, dass man nun auf dem Schulhof unter großen Linden extra Toiletten-Container aufgestellt hat. Als Notlösung. Denn weil das Wasser seit Monaten abgedreht war, musste der Hausmeister für die Schüler gar gelbe wassergefüllte Eimer vor die zerschlissenen braunen Toiletten-Türen stellen.
    "Ja! Damit die ihre Notdurft verrichten können und anschließend auch spülen können."
    Im Jahr 2015 ist die Hela – wie die Schule im Volksmund auch genannt wird und in der seit 1915 Kindergärtnerinnen ausgebildet werden – eine faktisch gefühlte Bauruine. Nicht nur, dass die Klos nicht funktionieren, auch der Putz blättert großflächig ab, keine der Schul-Uhren tickt mehr, es riecht beißend nach altem Reinigungsmittel. Lebensgefährlich ist aber die Elektrik, denn aus den Schaltkästen hängen oben und unten lose die Kabel raus.
    Ausweichort muss erst saniert werden
    "Des Öfteren wurde angekündigt, die Bauarbeiten beginnen nächstes Schuljahr. Ist aber bisher nie geschehen."
    Seit elf Jahren spreche man bereits von einer Sanierung, erzählt der 18-jährige Stefan Malkoc. Einer von 400 Schülern, zudem ist er auch der Vorsitzende des Hallenser Stadtschülerrats.
    "Frühestens könnte das Geld erst nächstes Jahr in den Haushalt eingestellt werden, dann wären die Bauarbeiten auch frühestens 2018 fertig. Wir reden vom optimalen Fall. Wenn aber das Geld im Haushalt nicht eingestellt wird, momentan sind im Stadtrat noch keine Beschlüsse gefasst worden, das muss man auch erwähnen."
    Dann kann es sein, so Fachoberschüler Malkoc, dass weitere Provisorien kommen und höchstens 2020 mit einer Sanierung – die Rede ist von etwa fünf Millionen Euro - zu rechnen ist. Immer wieder ist auch von einem Ausweichort die Rede, doch auch der muss erst mal saniert werden, erzählt Malkoc.
    Also mit einer schnellen Änderung ist nicht zu rechnen, weshalb nun die Schüler – in einem Akt purer Verzweiflung – die Dixi-Klos morgen in einem höchst feierlichen Akt einweihen werden.
    "Es ist purer Sarkasmus und die einzige Antwort, mit der wir uns noch zu behelfen wissen."
    Ortswechsel. Die weltweit kleinste Hansestadt Werben liegt im nördlichsten Zipfel Sachsen-Anhalts. Ein Fachwerk-Städtchen wie aus dem Biedermeier-Bilderbuch.
    Mindestens 60 Schüler müssen angemeldet sein
    Hier hat man fünf Jahre lang einen preußischen Backstein-Schulbau mit angeschlossener Schwimmhalle, Schulgarten und Sportplatz für eine knappe Million Euro auf den neuesten Stand gebracht. Um dann die Schule zu schließen.
    Der Grund: Das Magdeburger Kultusministerium hatte beschlossen, Schulen mit weniger als sechzig Schülern zu schließen. Werben blieb kurz unter der Vorgabe, weshalb die einstige Grundschule nun leer steht. Topsaniert.
    "Wir könnten sofort loslegen. Diese Schule ist nämlich nicht nur komplett saniert, sie ist auch komplett eingerichtet. Alle Klassenräume, alles tipptopp. "
    Sogar das Computerkabinett ist mit neuesten Rechnern ausgestattet, erzählt der Werbener Bürgermeister Jochen Hufschmidt.
    "Alle Toiletten sind gemacht worden, die Heizungsanlage, alle Brandschutzeinrichtungen sind geschaffen worden. Energetisch saniert. Die Küche ist neu, es gibt einen Speisesaal, alles in Ordnung."
    Verkehrte Welt in Sachsen-Anhalt. Während in Halle die Schüler aufs Dixi-Klo müssen, dürfen die Schüler in Werben in eine bestens ausgestattete Schule gar nicht erst rein.
    "Ja, das ist so voller Widersprüche, es ist eine Verschleuderung öffentlicher Mittel."
    Und ein Fall für den Landesrechnungshof, ergänzt Bürgermeister Hufschmidt noch hinter vorgehaltener Hand.
    In Werben will man das Schicksal nun in eigene Hände nehmen und 2016 in den Räumen der früheren Grundschule eine Privatschule eröffnen. Doch das gestaltet sich einigermaßen schwierig, auch weil das Land Sachsen-Anhalt es Privatschul-Initiativen besonders schwer macht. Doch das ist eine andere Geschichte.