Freitag, 19. April 2024

Archiv

Schulz als SPD-Kanzlerkandidat
"Eine wirkliche Aufbruchstimmung"

Martin Schulz sei eine Kämpfernatur, sagte Ulla Schmidt, SPD-Bundestagsabgeordnete, im DLF. Er sei ein Mensch, der sich aus Überzeugung einsetze und Menschen begeistern könne. Sie zeigte sich zudem überzeugt, dass Schulz - selbst wenn er aus Brüssel kommt - auch innenpolitisch wichtige Kompetenzen mitbringe.

Ulla Schmidt im Gespräch mit Doris Simon | 25.01.2017
    Die Nominierte für das Amt der stellvertretenden Bundestagspräsidentin, Ulla Schmidt, aufgenommen am 21.10.2013 zu Beginn der SPD-Fraktionssitzung im Reichstagsgebäude in Berlin.
    "Soziale Gerechtigkeit ist etwas, was die Mitte unserer Gesellschaft auch will", sagte Ulla Schmidt im DLF. (picture alliance / dpa / Foto: Wolfgang Kumm)
    Doris Simon: Die Sitzung begann mit einer Regierungserklärung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. In dieser Sitzung war auch Ulla Schmidt, SPD-Bundestagsabgeordnete. Sie erreichen wir jetzt am Telefon. Ich grüße Sie, Frau Schmidt.
    Ulla Schmidt: Guten Tag, Frau Simon.
    Simon: Sie kennen Martin Schulz ja seit Jahrzehnten, aus Ihrer gemeinsamen Heimat Aachen. Er hat eben kämpferische Töne angeschlagen, wie wir gehört haben. Ist Martin Schulz der Mann, mit dem die SPD die Wahl gewinnt?
    Schmidt: Ich bin davon überzeugt. Es geht wirklich eine Aufbruchstimmung los. Es fing gestern auch schon damit an, dass selbst aus unserer Region natürlich viele kommen und sagen, jetzt geht es richtig los, wir wollen jetzt mit dem Wahlkampf beginnen. Und Martin Schulz, den kenne ich. Er ist eine Kämpfernatur. Er ist ein Mensch, der aus Überzeugung sich einsetzt, der Menschen begeistern kann und der immer auch diese Kämpfernatur mit unserem rheinischen Humor verbindet. Und ich weiß ja, bei uns in der Region heißt es, das ist unser Martin.
    Simon: Kämpfen ist immer gut, aber ist Europa - und das ist das Thema, mit dem Martin Schulz groß geworden ist viele Jahre lang und für das er steht -, ist das ein Thema, was irgendjemanden holen kann in Deutschland? Normal zieht das nicht.
    Schmidt: Na ja, hier geht es ja nicht abstrakt um Europa, sondern das, was wir heute erleben, ist doch, Europapolitik ist Innenpolitik und Innenpolitik ist ganz eng verwoben mit Europa.
    Simon: Da haben wir aber wenig gehört in der Innenpolitik von Martin Schulz.
    Schmidt: Nein, das stimmt ja nicht. Martin Schulz, müssen Sie wissen, ist ja nicht nur Europaabgeordneter gewesen, sondern er hat ja fast sieben Jahre, glaube ich, die Fraktion geführt, die sozialistische Fraktion. Und ich habe ihn ja auch erlebt in meiner Zeit, als ich Ministerin war. Wir haben viele innenpolitische Themen immer mit den Europaabgeordneten auch besprechen müssen und deswegen: Er kennt das. Er ist auch Unterbezirksvorsitzender gewesen. Er ist SPD-Mitglied und hat auch als SPD immer die ganzen innenpolitischen Themen mit aufgefasst. Da mache ich mir überhaupt keine Sorge. Ich wüsste kein einziges innenpolitisches Thema, über das ich mit Martin Schulz jetzt nicht reden könnte, oder wo er auch in einer Veranstaltung keine Antworten geben kann. Das ist ihm einfach so im Blut, da liegt ihm das.
    "Wir steuern an, dass wir eine ganz starke SPD werden"
    Simon: Frau Schmidt, was er in Europa auch über alle Jahre als Fraktionsvorsitzender und Präsident gezeigt hat ist, dass er immer ganz eng quasi in einer Dauer-Großen-Koalition zusammengearbeitet hat mit den Christdemokraten. Ist das jetzt auch die Marschroute, die die SPD im Bundestagswahlkampf ansteuert?
    Schmidt: Wir steuern an, dass wir eine ganz starke SPD werden. Wir wollen den nächsten Kanzler stellen. Wir wollen, dass Martin Schulz Kanzler ist. Und wir wollen für so viel SPD-Stimmen wie möglich kämpfen. Wir haben eine sehr gute Politik gemacht, auch jetzt in der Großen Koalition, und ich glaube, in der Demokratie müssen alle miteinander auch koalieren können. Aber wir sehen jetzt, wir brauchen auch die entsprechenden Prozentpunkte dazu, dass die SPD noch stärker wird und dass wir auch noch stärker für ein sozial gerechtes Deutschland eintreten können, und da haben wir mit Martin Schulz an der Spitze denjenigen, von dem wir uns erhoffen, dass er die meisten Stimmen auch mit uns gemeinsam bringen wird.
    "Soziale Gerechtigkeit ist etwas, was die Mitte unserer Gesellschaft auch will"
    Simon: Das heißt, höre ich das bei Ihnen heraus, eher auf der linken Seite nach Stimmen suchen?
    Schmidt: Wir suchen überall Stimmen. Wir wollen ein gerechtes, aber …
    Simon: Aber mit einer Politik soziale Gerechtigkeit …
    Schmidt: Ja! Aber ist denn soziale Gerechtigkeit nur auf der linken? Ich glaube, dass soziale Gerechtigkeit etwas ist, was die Mitte unserer Gesellschaft auch will. Das sind die Menschen, die arbeiten gehen, und die wollen, dass es gerecht zugeht in diesem Land. Und wir haben vieles dafür getan im Mindestlohn. Das ist nicht nur für die Frage derjenigen, oder betrifft diejenigen, die Mindestlohn bekommen, sondern das hat auch für die Tarifauseinandersetzung eine gute Grundlage gegeben. Deshalb sind die Fragen ein gutes Gesundheitssystem, stabile Renten, ein gutes Zusammenleben und, was Martin Schulz gesagt hat, dafür kämpfen, dass wir die Demokratie und die Errungenschaften der Demokratie, die wir hier in unserem Zusammenleben haben, ein Land, das gut für seine Menschen ist, aber auch ein Land guter Nachbarn zu sein, das sind Fragen, die in die Mitte der Gesellschaft hineingehen, und wenn das links ist, dann ist es gut. Die SPD ist nie am rechten Spektrum gewesen, sondern am linken. Aber es sind die Fragen, die die Bürgerinnen und Bürger betreffen, und da kämpfen wir für Mehrheiten und da wollen wir so stark wie möglich werden.
    Simon: Viele Wähler in der Mitte interessieren sich aber auch für Sicherheit, die öffentliche und ihre eigene. Das war bisher nicht Martin Schulz Thema.
    Schmidt: Aber es ist das Thema der Sozialdemokratie und er ist Sozialdemokrat und er wird genau diese Themen mit uns auch vertreten. Ich glaube, da braucht man sich keine Sorgen zu machen, denn Sicherheit war auch ein europäisches Thema. Und er ist der Präsident des Parlaments gewesen, das sich mit all den Fragen, wie bekommen wir eigentlich den Informationsaustausch in Europa hin, beschäftigt hat, und nicht nur von der nationalen Ebene, sondern auch von der europäischen Ebene. Sicherheit bedeutet für uns sicher leben können, aber zum sicheren Leben gehört auch sozial sicher leben können und dazu gehört, auch dafür zu kämpfen, dass die demokratischen Institutionen, die wir haben, auch im Ansehen der Bevölkerung wieder so gesteigert werden, dass man weiß, es ist gut, dass wir eine starke Demokratie haben, dass wir ein starkes Parlament haben und dass auch die Bürgerinnen und Bürger dann zur Wahl gehen und auch diejenigen wählen, die dafür stehen.
    "Die Umfragen sind heute das eine"
    Simon: Frau Schmidt, Sigmar Gabriel hat ja gestern auch auf seine schlechten Umfrageergebnisse verwiesen, weswegen er nicht antreten wollte. Gute Umfrageergebnisse hat Martin Schulz. Die hatten aber auch Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück. Reicht das wirklich aus?
    Schmidt: Na ja. Wenn ich mal daran denke, welche Umfrageergebnisse Frau Merkel hatte 2005, als wir in den Wahlkampf gegangen sind, da waren die ganz, ganz unten. Und ich kann Ihnen sagen, noch bis Mitte des Jahres 2005 haben aus der Union selbst Leute gesagt, die wird es nie. Am Ende war sie Kanzlerin. Deswegen: Die Umfragen sind heute das eine. Unser Kampf oder unser Aufbruch geht darum, mit guten politischen, auch unser politisches Programm und auch mit dem, was wir geleistet haben in der Koalition, dafür einzutreten zu sagen, wir stehen für ein starkes, für ein sicheres und soziales Deutschland, wir wollen den Zusammenhalt und wir werben um eure Stimmen.
    Simon: Die Bundestagsabgeordnete Ulla Schmidt von den Sozialdemokraten war das. Frau Schmidt, vielen Dank!
    Schmidt: Ja, tschüss! Schönen Tag noch.
    Simon: Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.