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Schummelei bei der Herkunft
Etikettenschwindel bei Erdbeeren

Deutsche Verbraucher zahlen für deutsche Erdbeeren das Doppelte verglichen mit Erdbeeren aus dem Ausland. Deswegen werden die roten Früchtchen aus Ländern wie Spanien oder Portugal auch mal "eingebürgert".

Von Thomas Wagner | 18.05.2016
    Mehrere Schalen mit Erdbeeren stehen auf einem Marktstand
    Schummeln mit der Herkunft von Erdbeeren scheint weit verbreitet zu sein. (deutschlandradio.de / Daniela Kurz)
    "Ich habe grade Erdbeeren in der Hand. Und überleg’, ob ich die nehm oder die Badischen? Ach, das sind auch Badische? Umso besser."
    Sie sind der Renner heute Vormittag auf dem Wochenmarkt in Überlingen am Bodensee: frische Erdbeeren. Die meisten legen aber Wert auf eines: Nämlich dass die kleinen roten Früchtchen aus Deutschland kommen, nach Möglichkeit aus der Region. Doch wie können sich Verbraucher da sicher sein?
    "Weiß ich nicht, aber da vertraue ich eben auf die Verkäuferin."
    Die Verkäuferin wiederum vertraut auf den Großhandels-Verkäufer:
    "Da kommt ein Lieferant direkt aus Freiburg und bringt die direkt zu uns. Und weil der Lkw jetzt auch mit Freiburger Nummer kommt, sage ich jetzt mal. Und auf dem Lieferschein und allem steht’s drauf", so Marktbeschickerin Andrea Gensslin aus Steisslingen bei Singen.
    Erdbeeren, die nicht aus Deutschland stammen
    Allerdings: Vertrauen ist gut, Kontrolle aber bekanntlich besser, haben sich die Kollegen des Magazins "Marktcheck" im SWR-Fernsehen gedacht und sind Probe-Einkaufen gegangen – auf Wochenmärkten in Mannheim und in Karlsruhe. Bei der Analyse der Erdbeeren sahen die Kontrolleure allerdings "rot": Denn alle Früchtchen wurden als deutsche Produkte verkauft – und bei fast allen Proben stellte sich heraus: Die Erdbeeren stammten gar nicht aus Deutschland, sondern beispielsweise aus Spanien. Für Christiane Manthey, Ernährungsberaterin bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, ist das keine Überraschung:
    "Das ist altbekannt. Das hatten wir in den 70er- und 80er-Jahren beim Wein beispielsweise, auch da wurde ja bezüglich der Herkunft gepanscht. Wir haben es bei Geflügel schon gehabt. Also es ist seit Jahren immer wieder gängig, dass mit der regionalen Herkunft getäuscht. Vor Jahren gab es in Baden-Württemberg auch bei Spargel ein solches Problem."
    Und das kommt nicht von ungefähr: Denn gerade bei Lebensmitteln lässt sich mit dem Label "made in Germany" viel Geld verdienen. Beispiel Erdbeeren: Verbraucher zahlen für deutsche Erdbeeren gut und gerne das Doppelte als für Erdbeeren aus dem Ausland; derzeit etwa vier bis fünf Euro pro Pfund. Werden daher Erdbeeren aus dem Ausland schnell mal nach Deutschland ‚eingebürgert’, mit dem entsprechenden Label, so ist das dann auch.
    "Kein Kavaliersdelikt, sondern eine Irreführung der Verbraucher. Und insofern sind auch die Gewinne der Betrüger sehr groß: Wenn das bekannt wird, wird auch die Staatsanwaltschaften tätig."
    Aufwendiges Verfahren
    Doch das Problem ist: Erst mal muss so ein Etikettenschwindel rund um die Erdbeere an sich bekannt werden. Und das ist gar nicht so einfach. Seit neuestem gibt es dafür ein Verfahren.
    "Da ist die sogenannte Stabil-Isotopenanalyse. Nein, Verbraucher können das nicht nutzen. Das wäre für Verbraucher viel zu teuer."
    Denn das Verfahren ist einigermaßen kompliziert. Um es anzuwenden, benötigen Fachleute umfangreiche Messgeräte. Die untersuchen das Innenleben der Früchtchen, das je nach Region, in der die Erdbeere angebaut ist, ein klein wenig anders aussieht. Mit diesem Verfahren wurden im Übrigen auch die jüngsten Proben untersucht – mit den bekannten Ergebnissen. Dennoch kennen die Fachleute ein paar Tipps, die Verbraucher beim Erdbeerenkauf beachten sollten. Klaus Weckerle ist Biolandwirt aus Überlingen-Andelshofen:
    "Also nur bei Leuten einkaufen, die man persönlich kennt, die schon lange auf dem Markt sind. Bei biologischer Ware ist eigentlich gar nichts anderes möglich: Die müssen immer Herkunftszeichen drauf haben auf jeder Kiste."
    Genauso sieht das auch Christiane Manthey von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg:
    "Man kann natürlich auf dem Wochenmarkt schauen, dass man bei den Ständen, bei den Betreibern kauft, die da eigentlich immer sind. Man sollte darauf achten, dass auf dem Erdbeerkörbchen oder auf dem Spargel genau der Erzeuger verzeichnet ist oder die Erzeugergemeinschaft mit Adresse."
    Spanische Erdbeeren nur halb so teuer wie deutsche
    Erdbeer-Erzeugern aus Deutschland ist die Billig-Konkurrenz aus dem Ausland ohnehin schon lange ein Dorn im Auge – vor allem deshalb, weil sie nicht so recht verstehen können, weshalb Erdbeeren beispielsweise aus Spanien trotz der Transportkosten nur halb so teuer als die deutschen Produkte sind. Biobauer Klaus Weckerle aus Überlingen:
    "Das kann nur am Lohnniveau liegen. Spanien wird sicherlich noch billigere Arbeitskräfte haben. Die kommen dann aus Marokko und sonst wo her. Das wird der Grund sein. Und die sind extrem gedüngt und extrem gespritzt. Da gibt es dann schon Mengen."