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Schund, aber kein übler Schund

Im Unterschied zu den dschungelartigen, immer schon bösen Großstädten verkörpern Kleinstädte brave, behagliche Banalität, die Wonnen der Normalität, den Traum von Nähe und Überschaubarkeit. Also sind Kleinstädte ein Alptraum, die dem Wahnsinn reichen Boden bieten. Salem ist eine fiktive Kleinstadt im amerikanischen Maine.

Von Sabine Peters | 30.07.2006
    Um eingefleischte Kenner von Stephen King gleich zu desillusionieren: Die Neuauflage des zuerst 1975 erschienenen Schauerromans "Brennen muss Salem" wird ihnen kaum Neues bringen außer wenigen, in der Erstausgabe gestrichenen Passagen.

    Neben dem Bestseller selbst enthält der Band zwei ebenfalls längst veröffentlichte Stories, die ihrerseits um den vampirbefallenen Ort Salem kreisen. Und in Vor- und Nachwort wiederholt King lediglich Hintergründe zur Entstehung des Buchs, die innerhalb seiner Gemeinde sattsam bekannt sind. Aber was sagt der Roman denen, die von diesem weltweit populärsten zeitgenössischen Horror-Autor noch nichts gelesen haben? Das Buch vom Format eines Backsteins erzählt: In der Kleinstadt Salem verschwinden Kinder, dann Erwachsene, Leichen verschwinden, und man hört in diversen Kellern nicht nur kratzende Ratten, sondern auch das schmatzende Schlürfen, wenn wieder mal ein Vampir zuschlägt.

    All das ist losgegangen, als zwei Fremde auftauchten: Mr. Straker, der das als Spukhaus geltende Marsten-Haus kauft; und Ben Mears - als Schriftsteller wirkt er auf die Mittelstandsmuttis der Stadt von Anfang an als potentiell verdächtig. Es ist Stephen King in all seinen Romanen ein Herzensanliegen, dem Leser wieder und wieder klarzumachen, dass Schriftsteller ganz normale Zeitgenossen sind.

    Auch Ben Mears ist kein, Zitat, "geistiger Onanist", sondern einer, der schreibt, um Geld zu verdienen und der wie seine Nachbarn Barbecue und Bier zu schätzen weiß. Ein Kerl mit dem Herz auf dem richtigen Fleck, der auch prompt ein Mädchen findet, Susan. Während die verstockt vernunftgeleitete Mehrheit der Bevölkerung versucht, alle Beweise für das Vorhandensein von Vampiren zu ignorieren, bildet sich eine tapfere kleine Gruppe um Ben und Susan:

    Gemeinsam mit einem Arzt, einem Pastor, einem Lehrer und dem Jungen Mark nehmen sie den Kampf gegen das Böse auf, bewaffnet mit christlichen Requisiten wie Kreuzen und Hostien. Natürlich geht das zu wie bei den zehn bzw. sechs kleinen Negerlein; hier bleiben am Ende nur noch zwei übrig, Ben und Mark. Susan wird von den Vampiren erwischt und Ben wird der Untoten einen letzte Liebesdienst erweisen müssen: Sie zu pfählen, damit ihre Seele in Frieden ruht.
    "Gott, vergib mir", flüsterte Ben. Er hob den Hammer und ließ ihn herabsausen. Der Hammer traf voll auf das obere Ende des Pfahls, und die gallertartige Vibration, die durch das Stück Eschenholz lief, sollte ihn bis ans Ende seiner Tage in seinen Träumen verfolgen. Wie durch die schiere Wucht des Schlages flogen Susans Augen auf, groß und blau. Dort, wo der Pfahl eingedrungen war, schoss eine gewaltige Fontäne hellen Blutes heraus, bespritzte seine Hände, sein Hemd, seine Wangen. Im Nu war der Keller von heißem, kupfernen Blutgeruch erfüllt. Sie wand sich auf dem Tisch. Ihre Hände kamen hoch, flatternd wie Vögel, und schlugen blindlings in die Luft.

    Ihre Füße trommelten ziellos und ratternd ein Muster in das Holz der Plattform. Ihr Mund öffnete sich weit und gab erschreckende, wolfsähnliche Fänge frei, und sie begann, einen gellenden Schrei nach dem anderen auszustoßen. Es klang wie die Trompeten in der Hölle. Bens Gehirn war von den kreischenden Schreien großer schwarzer Krähen erfüllt.

    Schreckliche, nie gesehene Bilder wirbelten darin vorüber. Seine Hände waren scharlachrot, der Pfahl war scharlachrot... Die Taschenlampe in Jimmys zitternden Händen wurde zu einem Stroboskop, das Susans verzerrtes, hin und her zuckendes Gesicht in kurze, grelle Blitze tauchte.... Blut spritzte auf das frische Leintuch, das Jimmy so ordentlich zurückgeschlagen hatte, und bildete Muster wie chinesische Schriftzeichen. Und dann bog sich ihr Rücken plötzlich durch... Ein gewaltiger Strahl dunkleren Blutes schoss aus der Wunde, die der Pfahl geschlagen hatte. Es war beinahe schwarz in diesem schwankenden, irrwitzigen Licht: Herzblut. Der Schrei, der aus der Resonanzkammer dieses klaffenden Mundes emporstieg, kam aus den tiefsten Kellern des Menschheitsgedächtnisses und aus noch größerer Tiefe, aus der feuchten Dunkelheit der menschlichen Seele."
    Warum sind Leser fasziniert von solch einem Horrorroman? Neben der Spannung, die King auch in "Brennen muss Salem" so genüsslich wie gekonnt aufbaut, ist es der Einbruch des Unwirklichen, des absurden Schreckens, der so etwas wie Angstlust auslöst, der einen in Bann schlagen kann. Endlich muss man nicht mehr nur an Tatsachen denken, die real Anlass zu Furcht- und Angstgefühlen geben, an drohende Arbeitslosigkeit und dergleichen, endlich kann der Verstand Urlaub nehmen.

    Burkhard Müller hat in seinem wichtigen Buch über das Wunder, das Böse und den Tod bei Stephen King gezeigt: King rührt innere, irrationale Ängste an, indem er ihnen äußere Erscheinungsformen verleiht. Er thematisiert die unerhörte Tatsache des Todes, indem er ihm Gestalt gibt durch die Untoten. All die farbenfroh gezeichneten, mit Fangzähnen und Krallen ausgestatteten Vampire wollen beim Leser ein Entsetzen erzeugen, das dem Unerhörten, dem Tod, angemessen wäre.

    Der Tod, das Tote-Untote steht für das Böse schlechthin. In Kings berühmtem Vorbild, Bram Stokers Dracula-Roman von 1897, wurde das Böse, wie es dem damaligen Zeitgeist entsprach, von vernünftigen, wissenschaftlich gebildeten Leuten hinweggefegt. Stephen King dreht "Dracula" quasi um, er betont immer wieder, und damit durchaus konform mit dem heutigen Zeitgeist, ihm sei das blinde Vertrauen in Vernunft und Technik, ihm sei die Fortschrittsgläubigkeit abhanden gekommen.

    Einmal abgesehen von der Tatsache, dass "Gläubigkeit" mit Vernunft nicht unbedingt kompatibel ist, lebt das Bedürfnis nach dem Übernatürlichen bis heute weiter - was sich nicht zuletzt am blühenden Sektenwesen zeigt. Stephen King nun lässt das Unwirkliche, Irreale, Anormale im Wirklichen, Normalen wiederauferstehen.

    Und seine Figuren werden ganz allmählich zur Irrealität bekehrt. So wird angesichts eines Untoten nach dem ersten, entsetzten Paradox aus Leugnung und Anerkennung, Zitat, "ich hab nichts gesehen, und ich will es auch nie wieder sehen" schließlich entschlossen der Kampf gegen das Böse aufgenommen.

    Dieses Böse ist von metaphysischer, elementarer Kraft, und ihm ist nicht mit Technik und Wissenschaft zu begegnen, sondern, ganz altmodisch, lediglich mit der Kraft des Glaubens. Die Sehnsucht nach Elementarem wird in der Figur des Pater Callahan deutlich verkörpert:

    ""Sehen Sie", sagte Callahan, "in der katholischen Kirche hat der allgemeine Begriff des Bösen... eine radikale Veränderung erfahren. Wissen Sie, was diese Veränderung ausgelöst hat?" "Ich könnte mir vorstellen, dass es Freud war." "Sehr gut Auf dem Marsch ins zwanzigste Jahrhundert hat die katholische Kirche begonnen, sich mit einem neuen, sehr viel weltlicheren Konzept des Bösen auseinanderzusetzen: Mit einem Teufel, der weder ein rotgehörntes Ungeheuer mit einem stacheligen Schwanz und gespaltenen Hufen noch eine im Paradies herumkriechende Schlange war - obwohl das ein erstaunlich treffendes psychologisches Bild ist. Dem Evangelium nach Freud zufolge ist der Teufel ein gigantisches, kollektives Es, das Unterbewusste von uns allen. Die katholische Kirche ist dabei, die alte Medizinmannhaut abzustreifen und als sozial aktive Organisation mit politischem Bewusstsein ans Licht zu treten. Die innerstädtischen Gefängnisse werden wichtiger als die Beichte. Die Kommunion spielt die zweite Geige hinter der Bürgerrechtsbewegung und der städtischen Erneuerung. Die Kirche ist dabei, mit beiden Beinen in diese Welt zu treten." "In der es keine Hexen, Inkuben oder Vampire gibt", sagte Matt, "sondern nur Kindesmisshandlung, Inzest und Umweltzerstörung. Und das verabscheuen Sie, nicht wahr?" "Ja", sagte Callahan ruhig. "Es ist mir ein Gräuel. Auf diese Weise sagt die katholische Kirche, dass Gott nicht tot, sondern nur ein bisschen senil ist."
    Der Traditionalist Callahan hadert mit der Moderne, erhofft sich wenig von Sozialarbeit, Chemotherapien und anderen gottlos-weltlichen Praktiken. Alles halber Kram. Für den Pater kommen die Vampire gewissermaßen wie gerufen, denn jetzt geht es ums Ganze, ums Große. Jetzt kann er zur Magie zurückkehren, zu geweihtem Wasser und gespitzten Pfählen. Dabei ist es nicht das altbewährte "Gute", das Christentum, sondern vielmehr die Macht des Bösen, die in dem Roman "Brennen muss Salem" den Sieg davonträgt.

    Ben und Mark, die einzigen Überlebenden, fliehen aus Salem, das von Vampiren beherrscht bleibt. Das Gute ist auch in diesem Roman so blass wie die Bilder vom Himmelreich im Vergleich zur Hölle. Es erscheint im Roman eher zufällig; im Grunde dient es vor allem dazu, das Böse zu mästen. Will man das Böse denn nicht auch, fragt sich einer der Helden verzweifelt. Der Horror kommt, weil er gerufen wurde, weil den Vampiren die Türen und Fenster geöffnet werden. Der Horror kommt, weil Salem, diese behaglich-banale Kleinstadt, immer schon von lebenden Toten bewohnt war. Und DAS freilich ist ein Horror, gegen den das Auftauchen blutrünstiger Vampire geradezu entlastend oder eben - willkommen - wirkt.
    "Ein weiterer Zweig knackte. "Ich hab Angst, Danny", wisperte Ralphie. "Sei nicht albern", sagte Danny. Sie setzten sich wieder in Bewegung.
    Piniennadeln knisterten unter ihren Füßen. Dannys Hände waren kalt. Zähl deine Schritte, befahl er sich. Noch zweihundert Schritte, dann sind wir in der Jointner Avenue. Gleich werden wir die Straßenlaternen sehen und uns albern vorkommen, aber es wird schön sein, sich albern vorzukommen.
    Ralphie kreischte. "Ich seh es! Ich seh das Gespenst"! ICH SEH ES!" Angst schoss wie heißes Eisen in Dannys Brust. Drähte schienen sich an seinen Beinen empor geschlängelt zu haben. Er hätte sich umgedreht und wäre losgerannt, aber Ralphie klammerte sich an ihm fest. ... Seine Beine fühlten sich an, als würden sie aus zehntausend Radiergummis bestehen.
    Seine Knie zitterten. "Es beobachtet uns", flüsterte Ralphie. "Hör zu, ich will nichts..." "Nein, Danny. Wirklich. Kannst du es nicht fühlen?"
    Danny blieb stehen. Und wie Kinder es können, fühlte er etwas und wusste, dass sie nicht mehr allein waren. Eine große Stille hatte sich auf den Wald gesenkt, aber es war eine unheilvolle Stille. Vom Wind bewegte Schatten kreisten sie träge ein. Und Danny roch etwas Wildes, aber nicht mit seiner Nase.... "Lauf", sagte er rau. Aber Ralphie stand zitternd neben ihm, von Furcht gelähmt. Seine Hand umklammerte die von Danny so fest wie Wickeldraht. Seine Augen starrten in den Wald und weiteten sich dann.
    "Danny?" Ein Zweig zerbrach. Danny fuhr herum und schaute in die gleiche Richtung wie sein Bruder. Die Dunkelheit hüllte sie ein. "
    Hier darf der Leser noch mit den Figuren zittern, hier bietet sich die Möglichkeit totaler Identifikation. Burkhard Müller bescheinigt dem Horrorroman kathartische Wirkung: Denn wenn die Realität im Zeitalter des Fernsehens so durchlässig geworden sei, dass sie sich nicht mehr deutlich vom Fiktionalen abhebe, brauche es das Fiktionale, um überhaupt ein verlässliches Gefühl von Wirklichkeit und Realität zu gewinnen.

    Alfred Andersch behauptete einmal, der Schauerroman sei an den konkreten Schauern des zwanzigsten Jahrhunderts gestorben - ein Satz, der völlig ignoriert, welche Funktion gerade eben das Fantastische, Fiktionale für Leser immer schon hatte und hat. Götter, Geister, Gespenster und Vampire füllen bis heute eine Leerstelle, und zwar auch in der neuen Welt, in den USA. Die Figur des Vampirs kommt aus der alten Welt, und Stokers Dracula war eine aristokratische Gestalt. In den USA, bei Stephen King, verändert sich die Figur. King hat sich, eigener Aussage zufolge, nicht nur an dem verehrten Stoker orientiert, sondern auch an den Horror-Comics, die er als Kind verschlang.

    Sein Vampir ist denn auch kein vornehmes Blaublut, sondern roh und brutal, ein plumper Blutsauger. Und ging es bei Dracula nicht zuletzt um Erotik und Liebe, um den privaten, intimen Raum, so konzentriert sich der Roman "Brennen muss Salem" eher auf den gesellschaftlichen Raum, auf die amerikanische Mittelschicht. Liebe äußert sich hier darin, dass Susan ihren Ben alsbald zum Grillen im Garten von Mom und Dad einlädt.

    Die furchtbar wohlgeordnete heile Welt, die King zunächst immer sehr wirklichkeitsgetreu, registrierend, nahezu eins zu eins abbildet, bekommt allerdings schnell ihre Risse. Soll man das als einen wie immer vereinfachten, verdeckten Angriff auf den American way of life lesen? Dem Mythos von Freiheit und Selbstverwirklichung im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wird in "Brennen muss Salem" ja nun die Heimsuchung durch die Untoten, wird das Schicksal als DIE überlegene Kraft entgegengesetzt. Vertritt King also rückwärtsgewandte, kulturpessimistische Positionen?

    Immerhin hat er in einer anderen Story von den wild gewordenen Trucks geschrieben, die sich gegen die Menschheit zusammenrotten. Aber dann kann in einer weiteren Story ein Mercedes-Cabrio zum Glücksvehikel werden - kurz: King entzieht sich einfachen Zuordnungsversuchen. Und wo er selbst über seine Arbeit spricht, gibt er sich gern bieder. Geschüttelt von den Erfahrungen seines Jahrhunderts wollte King also dem optimistischen Dracula-Roman die pessimistische Version gegenüberstellen, eben weil man heute nicht mehr in Vernunft und Technik vertrauen könne. So sollte sein Vampir einen glänzenden Sieg über die, Zitat, "mickrigen Vertreter der Vernunft" feiern. Dass es nicht dabei geblieben sei, habe damit zu tun, dass er das Verfahren des Storytellings betreibe; das heißt die Figuren könnten ein Eigenleben gewinnen, das sich den ursprünglichen Absichten des Autors entziehe. Beifall heischend und kokettierend erklärt er, Untergangsphantasien seien einfach, viel zu viele Autoren schrieben sie.

    Ihn selbst dagegen habe es großen Mut gekostet, Ben und Mark zu gestatten, Helden zu werden. In der Tat, Ben und Mark werden positive Helden, und zwar von hier aus gesehen so amerikanisch, wie man es nur wünschen kann. Aber was heißt schon "amerikanisch"? Steht Amerika für Pragmatismus, Säkularisierung, Machbarkeit, oder vielmehr für Puritanismus und für Wundergläubigkeit, etwa die in den Mythos "from rags to riches"? In einer ursprünglich gestrichenen und jetzt in den Band wieder aufgenommenen Passage wird den Amerikanern vorgehalten, sie glaubten an Zahnpasta und Deo, nicht an böse Mächte. Der pragmatische Ärmelaufkrempler Ben lernt allerdings, an das Wunderbare zu glauben.

    Wenn man Europa mit Aberglaube und die USA mit Aufklärung identifizieren würde, hätte bei King "Europa" einen klaren Sieg davongetragen. Aberglaube ist allerdings kein europäisches Privileg, und im Grunde braucht Stephen King nicht die Anspielung auf den transsilvanischen Vampir, er braucht nicht den Blick über den Atlantik. Denn Amerika selbst hat seinen eigenen historischen Sündenfall in Sachen Aberglaube, und zwar in dem realen Ort Salem/Massachusetts. Dort fanden 1692 unter der hysterisch-puritanischen Bevölkerung Hexenprozesse- und Verbrennungen statt, sprich, ein Rückfall in die Barbarei, der man mit der Flucht aus Europa doch gerade hatte entgehen wollen. Aber was sagt die Anspielung auf das historische Salem? Eine Message kann wohl nicht damit verbunden sein.

    Der Hinweis auf reale Hexenverbrennungen wird kaum dazu dienen, vor Aberglauben zu warnen, sonst müsste King seinem Vampirroman die Vampire austreiben. Vielleicht also ist der Hinweis auf Salem lediglich eine Verbeugung vor Nathaniel Hawthorne, einem der Väter der amerikanischen Literatur, der in Salem, Massachusetts geboren wurde. King ist bekannt für seine zahlreichen Referenzen und Selbstreferenzen, die seiner Gemeinde immer neuen Anlass zur Exegese bieten.

    Aber liest man seine Romane tatsächlich deshalb? Nein. Genug also des theoretischen Überbaus. "Brennen muss Salem" beweist einmal mehr, dass Erfolg und literarische Qualität eines Buchs nicht Hand in Hand gehen müssen - deshalb soll über zehntausend Radiergummis in Beinen und über Leute, die nicht mit ihrer Nase riechen, geschwiegen werden. Zehn Millionen Fliegen können sich nicht irren. Daher hat der Schund, das wusste schon Kings Mom, das weiß jeder Leser, seine Daseinsberechtigung.

    Treuherzig hofft King, dass die verstorbene Mom sein Buch vielleicht "Schund", aber keinen üblen Schund genannt hätte. Und er selbst geht offensiv vor, wenn er von seinen Büchern sagt, sie seien so etwas wie ein Big Mac mit Pommes. Ja und nein. Nein: Dieses Lesefutter macht nicht dick. Ja: Natürlich enthält auch "Brennen muss Salem" die bewährten Zutaten in überreichlichem Ausmaß. Hier findet sich jedes Stereotyp, das ohnehin seit Dracula ins kollektive Gedächtnis eingegangen ist, Friedhöfe, gekreuzigte Hunde, modrige Keller, es ist alles, alles da. Eine fette Kost, die unmittelbar und kurzfristig befriedigt - und das war es dann auch schon.

    Stephen King: Brennen muss Salem. Aus dem Amerikanischen von Peter Robert. Neuauflage mit einem Vor- und einem Nachwort des Autors, aus dem Originalmanuskript gestrichenen Szenen und den Erzählungen "Eins für unterwegs" und "Jerusalem´s Lot". Aus dem Amerikanischen von Silvia Morawetz. Zsolnay-Verlag, 736 S, 27,90 Euro

    Stephen King: "Brennen muss Salem"
    Neuauflage mit einem Vor- und Nachwort
    des Autors.
    (Zsolnay Verlag)

    Achtung: erscheint erst am 16.9.2006