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Schwarz-Schilling verlangt mehr Druck auf Serbien

Serbien sei ein Unruhestifter in der ganzen Region, sagt Christian Schwarz-Schilling, einst Hoher Repräsentant der UNO für Bosnien-Herzegowina und damit auch EU-Sonderbeauftragter. Es versuche, die Unabhängigkeit des Kosovo zu unterlaufen und verbaue sich damit den Weg in die EU.

Christian Schwarz-Schilling im Gespräch mit Bettina Klein | 01.08.2011
    Bettina Klein: Ich habe über den Konflikt mit Christan Schwarz-Schilling gesprochen, dem früheren Bosnien-Beauftragten der EU. Der beklagt, dass die Europäische Union in dieser Frage keine klare Sprache spricht. Ich habe ihn gefragt, was er damit meint.

    Christian Schwarz-Schilling: Nun, ich meine damit, dass Europa selber keine eindeutige Sprache gegenüber Serbien findet. Durch die Abweichung von fünf Nationen in Europa, die die Selbstständigkeit des Kosovo nicht anerkannt haben, scheut sich Europa, insbesondere auch die Außenministerin, eine klare Sprache zu führen, weil sie meinen, das müsste dann durch alle Nationen unterstützt werden.

    Klein: Wäre das also Ihre erste Forderung, dass die restlichen fünf EU-Staaten das Kosovo sofort anerkennen?

    Schwarz-Schilling: Ich fand es einen ganz großen Fehler, dass die Kommission und vor allen Dingen die Europäische Union nicht sofort nach dem Gerichtsdokument des Völkergerichtshofes für die Frage, ob es sich bei der Selbstständigkeitserklärung des Kosovo um eine Völkerrechtsverfehlung handelt, ein klares Urteil gesprochen hat. Dass das nicht der Fall ist. Dann hätte man sich sofort mit den fünf Nationen zusammensetzen müssen und einen Weg für die nächsten drei Monate finden müssen, dass die Blockade dieser Nationen gegenüber jeglicher weiterer Politik, gegenüber Serbien beendet wird.

    Klein: Haben Sie eine Erklärung dafür, weshalb das nicht geschehen ist?

    Schwarz-Schilling: Das ist ja die normale Situation Europas. Wenn irgendetwas nicht eindeutig ist, dann lässt man es einfach liegen. Denken Sie an die Zypern-Frage, denken Sie an die Bosnien-Frage. Das ist ja überall der Fall im Balkan, deswegen sind ja auch die Amerikaner zunehmend verstimmt, dass die Europäer nicht in der Lage sind, in ihrer eigenen Region eine gewisse Ordnung herzustellen. Denn nach Rechtssystem ist das ja alles unrecht, was im Moment läuft. Es ist sowohl die Blockade der Zölle, es ist die Situation, dass die Kosovaren mit ihren Pässen nicht vorankommen, es ist die Situation, dass der Warenverkehr nicht in entsprechender Weise normal abläuft zwischen der serbischen und der kosovarischen Grenze. Das heißt, man versucht, einfach durch Verstöße, durch klare - jetzt von Serbien-Seite -, klare Widersprüche, die aber sehr, sehr eindeutige Ziele haben, die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit des Kosovo wo immer möglich zu unterminieren. Und mit einem solchen Staat, der das unternimmt - übrigens in ähnlicher Weise gegenüber Bosnien-Herzegowina über die Republika Srpska -, der ist ein Unruhestifter auch heute in der gesamten Region, und Europa will, weil es keine Möglichkeit sieht, das zu verhindern, so tun, als wäre im Grunde genommen alles nur nach langen Verhandlungen mit dem Kosovo möglich. Und die Situation, dass man beide Länder dann auffordert nach so einem Urteil wie Den Haag - ja dann setzt euch doch jetzt mal zusammen und bringt mal die Sache in Ordnung -, ist natürlich nicht die richtige Methode, um Rechtsstaatlichkeit in Europa überhaupt als Ziel erhalten zu können.

    Klein: Herr Schwarz-Schilling, Sie sprachen von dem Urteil aus Den Haag, das festgestellt habe, das sei völkerrechtlich in Ordnung. Andererseits sagen Sie, die Europäische Union tendiere dazu, Dinge, die nicht so klar seien, eben lieber liegen zu lassen. Also sind völkerrechtlich Ihrer Meinung nach jetzt alle Bedenken ausgeräumt oder nicht?

    Schwarz-Schilling: Es ist nicht ausgeräumt in der praktischen Politik. Da wird ja den Serben in dem Punkt alles nachgehalten, und wenn sie dann nach 16 Jahren, nachdem das Unglück in Srebrenica passiert ist, der Holocaust, dann den Herrn Mladic einmal ausliefern, dann klopfen wir alle ihnen auf die Schulter und sagen, großartig, die Straße nach Europa ist damit freigelegt! Das sind ja alles psychologisch unmögliche Handlungen und das nimmt Europa nicht zur Kenntnis. Man kann nicht mit jemandem, der in fundamentalem regionalem Dissens mit Nachbarn steht und dieses allein auf seine eigene Intention hin tut und nicht aufgrund eines völkerrechtlichen Urteils oder irgendeiner Gemeinsamkeit, sondern als eine nationalistische Politik, die in der Mehrheit auch offensichtlich auch noch getragen wird von den Serben ...

    Klein: ... welche Druckmittel, Herr Schwarz-Schilling, hat denn die Europäische Union? Also, die Regierung in Belgrad hat in den vergangenen Tagen durchblicken lassen, dass sie sich auf so etwas wie einen Deal nicht einlassen wird, der da heißen könnte: Anerkennung des Kosovo gegen EU-Beitrittskandidatenstatus. Sollte die EU das zur Nagelprobe machen, sprich, im Zweifel daran die Aufnahme Serbiens eben scheitern lassen?

    Schwarz-Schilling: Ja, die kann dann jetzt im Moment nicht erfolgen. Und der Versuch, Serbien noch vor Bosnien und vor dem Kosovo und vor Albanien in die EU aufzunehmen, ist bei der Struktur des heutigen Serbiens, das rechtsstaatlich noch so viele Mankos hat - man muss sich ja nur einmal die Berichte ansehen! Hier zeigt sich, dass wir mehr die eigenen Wunschvorstellungen zum Kompass unserer Politik machen als die Realitäten und die Tatsachen. Ich glaube nicht, dass Serbien auf Dauer gesehen, wenn man ihm klar sagen würde, die Aufnahme in die Europäische Union verweigern würde, obwohl das ja Tadic des Öfteren gesagt hat, dass er eher darauf verzichten würde, als den Kosovo anerkennen. Ja, eine solche Situation darf man sich in die EU schon gar nicht überhaupt hineinholen!

    Klein: Welche weiteren Druckmittel hätte die Europäische Union denn?

    Schwarz-Schilling: Indem man den Serben endlich klar sagt, dass ihr damit eure mögliche Zukunft in der Europäischen Union verbaut. Dass es überhaupt nicht infrage kommt, erstens, zweitens, drittens. Dass man aufhört, auf die serbischen Intentionen, das internationale europäische Recht zu manipulieren - denken Sie an die Gefangennahme von Herrn Ganic, Ejup Ganic in London, von dem General, der wirklich derjenige war, der für Freiheit und Unabhängigkeit Bosniens gekämpft hat und Sarajewo gerettet hat, der sitzt jetzt in Österreich aufgrund von serbischen Einwendungen. Ja, ich meine, wo sind wir denn? Hier versucht man ja, die Geschichte neu zu schreiben. Und von daher gesehen, kann man nur sagen, solange Serbien sich hier nicht radikal ändert, und selbst, wenn es jetzt erst einmal politisch einen Reinfall gibt, denn ich fürchte, dass Herr Tadic, der das natürlich nicht sehr gerne sieht, was die serbischen Nationalisten da anstellen, dass er die Wahlen verlieren wird, weil er nicht klar auch von Europa die Realitäten vor Augen gehalten bekommt und insofern die Nationalisten ja selber sagen können, wir sind doch ganz erfolgreich bei unserem Bemühen, die Europäer umzudrehen, wieso erklärst du dich überhaupt einverstanden mit der Unabhängigkeit vom Kosovo, wieso bist du nicht jetzt hundertprozentig hinter Herrn Dodik, um Bosnien in entsprechende Schwierigkeiten zu bringen?

    Klein: Wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Schwarz-Schilling, sehen Sie die Verantwortung für das neuerliche Aufflammen des Konfliktes ganz klar auf einer Seite, nämlich auf der der Serben. Die andere Seite, die Kosovaren, die Regierung in Pristina, würden Sie sagen, ist komplett unschuldig?

    Schwarz-Schilling: Man kann sich natürlich vorstellen, dass sie hier und da, sagen wir mal, gewisse Dinge besser machen können. Auch dort sind rechtsstaatliche Mängel. Aber ich weiß nicht, welches Land, nachdem es einen Krieg hat führen müssen, der durch die NATO in entsprechender Weise vor einer Wiederholung des Bosnien-Krieges durch Serbien verhindert wurde, nach so langer Zeit jetzt schon zwölf Jahre Friedensregelungen einfach nicht durchgeführt werden, weil sie von Serbien blockiert werden, wer diese Geduld hat, das laufend zu ertragen, Kosovo, seine gesamte wirtschaftliche Entwicklung zu zerstören, nicht auf den Weg zu bringen, und auf diese Weise im Grunde genommen den Krieg, den Serbien gegen den Kosovo geführt hat, im Nachhinein noch zu gewinnen. Ich würde mir wünschen, dass die Außenpolitik, auch Deutschland, das in anderer Klarheit sagt, denn es ist deprimierend für die Kosovaren, dass sie dann immer auf die gleiche Stufe gestellt werden und gesagt wird, ja nun tut euch doch mal hier aneinander vernünftig verhandeln und Ähnliches mehr, wenn sie eine radikale eine Seite haben und die anderen, die wirklich versuchen, über diese lange Zeit jetzt schon - zwölf Jahre, denken Sie doch bitte an den Ahtisaari-Plan, der ist von der UN veranlasst worden, der ist von Europa veranlasst worden, es ist alles anerkannt worden und immer wieder durch Serbien torpediert worden. Ich meine, da kann man nur sagen, da muss auch die Sprache in entsprechender Weise gegenüber Serbien klar und deutlich sein.

    Klein: Die Meinung von Christian Schwarz-Schilling zum Konflikt an der kosovarischen Grenze. Schwarz-Schilling war hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina in den Jahren 2006 und 2007.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.