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Schwarze kämpfen im grünen Ländle

Im Dezember wählt Karlsruhe einen neuen Oberbürgermeister. Nachdem die Union in Großstädten ein Rathaus nach dem anderen verliert, setzt man hier mit Ingo Wellenreuther auf ein Hausgewächs, das tief in Stadt und Partei verwurzelt ist. Anders als in der Landeshauptstadt Stuttgart.

Von Michael Brandt | 11.10.2012
    Ort der Handlung ist der Saal Baden der Industrie- und Handelskammer. Auf der Bühne sitzen fünf Herren, die am 2. Dezember gerne Oberbürgermeister der 300.000-Einwohner-Stadt Karlsruhe werden würden. Über ihnen hängt eine Glasskulptur, deren Sinn sich nicht so recht erschließt, die sich vermutlich irgendein mutiger Innenarchitekt ausgedacht hat. Der Saal ist gedrängelt voll, Spannung liegt in der Luft, aber es geht unterm Strich eher steif zu:

    "Liebe Gäste, bevor wir in das heutige Thema einsteigen, möchte ich die Chance und die Gelegenheit nutzen, ein wenig für die Wirtschaftsjunioren Werbung zu machen."

    Stefan Koch trägt eine gelbe Krawatte, das Markenzeichen der Wirtschaftsjunioren. Auf Schlips haben die Hauptkonkurrenten im Rennen um den OB-Posten verzichtet: SPD-Kandidat Frank Mentrup, zur Zeit Staatssekretär im baden-württembergischen Kultusministerium und Ingo Wellenreuther, langjähriger Bundestagsabgeordneter der CDU und vor allem Präsident des KSC – der Fußballverein, den viele Karlsruher trotz Abstieg aus der zweiten Liga lieben:

    "Ich bin in Karlsruhe geboren, hier aufgewachsen, ich bin mit der Stadt hier verwurzelt, hab eine unglaublich emotionale Bindung zu den Leuten in Karlsruhe. Und ich möchte auch ganz deutlich machen, dass ich hier für unsere Stadt, für meine Stadt brenne, und ich hoffe, ich kann das heute Abend noch mal deutlich machen, dass und wie ich für Karlsruhe brenne."

    Vielleicht liegt es an die Krise des KSC, vielleicht an seiner Persönlichkeit - Wellenreuther ist ein Mann, der selten lächelt. Und wenn, dann wirkt es ein bisschen gezwungen. Der 52-Jährige ist ein Karlsruher Hausgewächs, tief in der Stadt und tief in der Partei verwurzelt.

    "Ich mache deutlich, dass ich hier Karlsruher bin, die Probleme der Stadt kenne, seit 13 Jahren unterwegs bin bei den Menschen und Unternehmen, und deshalb ist das hier ein ganz eigenständiger Wahlkampf."

    Ganz anders in der Landeshauptstadt, wo CDU, FDP und Freie Bürger auf den parteilosen Unternehmer Sebastian Turner setzen, der zwar in Stuttgart zur Schule gegangen ist, aber den Großteil seines Lebens anderswo verbracht hat. Zwei Versuche, das Problem der Union in Großstädten zu lösen, wo sie ein Rathaus nach dem anderen verliert, zuletzt den Frankfurter Römer.

    Insofern stehen in Karlsruhe die Chancen für Frank Mentrup nicht schlecht. Er trägt einen dunklen Anzug, ein braunes Hemd, der oberste Knopf geöffnet. Sein Haar ist länger als das des Konkurrenten, er wirkt lockerer und deshalb vielleicht auch ein bisschen sympathischer, - auch wenn man ihm anhört, dass er erst seit ein paar Jahren im Nordbadischen lebt:

    "Nach acht Jahren als Oberbürgermeister soll man sagen können, dass die Misstrauenskultur, die es hier gibt zwischen den verschiedenen Beteiligten in der Stadt beendet ist und es so etwas wie eine Aufbruchsstimmung gegeben hat in der Lösung und gemeinsamen Verantwortung der entsprechenden Projekte."

    Mentrup spricht von Projekten, aber natürlich sind es aus Sicht vieler Karlsruher Probleme. Zum Beispiel die sogenannte Kombilösung, der Versuch, einen Teil der Straßenbahn unter die Erde zu verlegen. Der Bau kommt nur mühsam voran, die Bagger blockieren den Verkehr seit Jahren.

    Oder der Wunsch nach einer zweiten Rheinbrücke, die die Stadt vom Durchgangsverkehr entlasten soll. Für die Karlsruher sind es ernste Probleme, aber Problemchen im Vergleich zu den offenen Wunden, die Stuttgart 21 gerissen hat. SPD-Mann Mentrup:

    "Insgesamt sind alle diese Themen nicht in einer Dimension, dass davon jetzt etwa der politische oder der soziale Frieden gefährdet wäre in Karlsruhe, was in Stuttgart zeitweise so war. Insofern haben wir es hier mit einer badischeren und entspannteren Situation zu tun."

    Die Auseinandersetzungen um Stuttgart 21 waren ein Grund, warum die Baden-Württemberger vor anderthalb Jahren einen Grünen zum Ministerpräsidenten gekürt haben. Winfried Kretschmann muss das Bahnprojekt nun unterstützen. Trotzdem geht ein anderer Grüner – Fritz Kuhn - als Favorit in das Kopf-an-Kopf-Rennen um den Stuttgarter OB-Sessel - inzwischen unterstützen ihn auch die Sozialdemokraten.

    In Karlsruhe ist es anders. Hier haben sich Grüne und Piraten von Anfang an hinter den SPD-Kandidaten gestellt und dem gelingt es sogar bei den eher konservativen Wirtschaftsjunioren, mehr Applaus als sein CDU-Konkurrent zu bekommen, zum Beispiel, wenn es um die Vermarktung der Stadt geht:

    "Hier denke ich, müssen wir uns besser aufstellen. Wir müssen uns von vornherein besser vorbereiten, und dann werden wir auch attraktiver."

    Es geht auf dem Podium um die besten Instrumente zur Wirtschaftsförderung, um die Frage, wie die Verwaltung effizienter oder darum, wie das Defizit der Messe abgebaut werden kann. Antworten müssen alle fünf Kandidaten. Immer öfter schweifen die Blicke der Zuhörer zu der Glasskulptur über ihren Köpfen.

    Ob ein Einheimischer oder ein Zugezogener, ein Parteigebundener oder ein Parteiloser der bessere Oberbürgermeister wäre? Die Antworten könnten auch für Stuttgart gelten.

    "Ich hab da so zwei Herzen in meiner Brust. Ich glaube für Karlsruhe selber im Moment wäre es ganz hilfreich, wenn es jemand ist, der zumindest mal Veränderungsbereitschaft mitbringt. Aber auch gerne hier in Karlsruhe verwurzelt ist. Neuer Wind, ein neuer Blickwinkel und vielleicht ein analytisches Herangehen an die Probleme ist nicht schlechter. Also mir geht es darum, wer den Verstand, den besten, den besten Geist hat und das Beste für Karlsruhe und seine Bewohner einbringen kann."