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Schwarzer Makel des Aufschwungs

Umwelt. - Die Städte in den brummenden Volkswirtschaften Südostasiens verschwinden oft unter ausgedehnten Smog-Schleiern. Gerade China produziert immer mehr Ruß, der nicht nur die Gesundheit, sondern auch das Klima stark gefährdet.

Von Volker Mrasek | 25.03.2008
    An der Universität von Iowa in den USA gibt es ein Zentrum für globale und regionale Umweltforschung. Das wäre vielleicht kaum der Rede wert, wenn die Wissenschaftler dort nicht fleißig Daten über China sammelten. Jetzt steht eine neue Veröffentlichung bevor, über die jüngsten Trends bei Luftschadstoffen im Reich der Mitte. Dabei geht es auch um Rußpartikel aus Verbrennungsprozessen. Dass der Schadstoff-Ausstoß in China steigt, kann sich jeder vorstellen. Doch das wahre Ausmaß ist erschreckend. Greg Carmichael, Professor für Chemisches Ingenieurwesen an der Hochschule in Iowa City:

    "Die jüngsten Informationen, die wir haben, beziehen sich auf 2006. Wir können sie mit dem Jahr 2000 vergleichen, als letztmals ein umfangreiches Inventar über die chinesischen Emissionen erstellt wurde. Wenn wir das tun, sehen wir: Der Ausstoß von Ruß in China muss inzwischen ungefähr doppelt so hoch angesetzt werden."

    Chinas Wirtschaft wächst enorm. Entsprechend stark steigt ihr Energiebedarf, und der wird noch immer überwiegend durch Kohlekraftwerke gedeckt. Doch das ist nicht der alleinige Grund für den stark erhöhten Ruß-Ausstoß:

    "Wir haben mittlerweile genauere Informationen über die Ruß-Emissionen kleinerer Industriezweige in China. Wir wussten schon vorher, dass sie schmutzig sind. Aber jetzt zeigt sich, dass wir ihren Schadstoff-Ausstoß stark unterschätzt haben. Er ist viel höher. Das fängt an bei kleinen Betrieben, in denen Dampferzeuger mit Kohle laufen, und geht bis zur Fertigung von Stahl."

    Weitere bedeutende Ruß-Schleudern stehen in chinesischen Häusern und Hütten:

    "Viele Haushalte in China heizen und kochen mit Kohle. In Indien ist die Situation nicht besser: Dort wird vor allem Holz und Mist verfeuert. Auch dabei entweicht jede Menge schwarzer Kohlenstoff beziehungsweise Ruß in die Atmosphäre."

    Asien ist ein Hot Spot der globalen Ruß-Verschmutzung. Ein Viertel bis ein Drittel aller Emissionen stammt aus Indien und China. Das schreibt Carmichael jetzt in einem Übersichtsartikel für die Fachzeitschrift Nature Geoscience, zusammen mit seinem Kollegen Veerebhadran Ramanathan. Der gebürtige Inder ist Professor für Klimawissenschaften an der Universität von Kalifornien in La Jolla. Über die braunen Smog-Wolken Asiens forscht der Physiker seit rund zehn Jahren. Die Ruß-Schwaden wirken wie Kohlendioxid und andere Treibhausgase: Sie halten Wärme in der Atmosphäre zurück. Mancherorts heizen sie das Klima sogar genauso stark auf wie Kohlendioxid, hat Ramanathan herausgefunden. Zum Beispiel im Himalaja-Gebirge:

    "Diese Rußwolken, die drei Kilometer hoch sein können, werden bis in die Himalaja-Region befördert. Das wissen wir aus Satellitenmessungen. Dort erwärmt sich das Klima besonders stark und lässt Hochgebirgsgletscher schmelzen. Die Temperatur steigt um ein Viertel Grad Celsius pro Jahrzehnt. Mit Treibhausgasen allein kann man diesen Anstieg nicht erklären – höchstens die Hälfte. Wenn wir aber den Ruß in unsere Modellierungen mit einbauen, dann kommen wir auf den beobachteten Erwärmungstrend."

    Ein Treibhausgas wie Kohlendioxid überdauert statistisch Jahrzehnte in der Atmosphäre, schwarzer Kohlenstoff dagegen nur wenige Tage oder Wochen, bis ihn Regen wieder auswäscht. Den Ruß-Ausstoß in Asien zu drosseln, hält Chemie-Ingenieur Carmichael deshalb für eine lohnende Sache:

    "Es stehen auf jeden Fall Technologien zur Verfügung, um die Ruß-Emissionen zu reduzieren. Man kann zum Beispiel Industrieabgase nach westlichen Standards entsticken oder häusliche Kohleöfen durch solare Wasserkocher ersetzen. Natürlich würde man dadurch auch die Kohlendioxid-Bilanz verbessern. Aber am schnellsten würde das Klima vom Rückgang des Rußes profitieren."