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Schwarzes Loch im Kopf

Medizin. - Der Mensch bereist das All, doch der innere Raum bleibt weiterhin eine Terra incognita. Zu diesem Schluss kommen auch elf renommierte Neuroforscher, die jetzt im Fachblatt "" ein Manifest zu Position und Zukunft der Gehirnforschung veröffentlichten. Professor Randolf Menzel von der Freien Universität Berlin erläuterte dem Deutschlandfunk die Position führender Hirnforscher.

19.10.2004
    "Ernüchtert ist die Gemeinde der Neurowissenschaftler insofern, als die euphorischen Erwartungen, die auf diesen Bereich gerichtet werden, korrigiert werden müssen. Aber auch weiterhin werden sehr aufregende Erkenntnisse gesammelt, und dabei spielen die Arbeiten von Peter Fromherz natürlich eine große Rolle", betont Professor Randolf Menzel, Neurobiologe an der Freien Universität Berlin. Die Perspektiven der Neurowissenschaften seien deswegen so bedeutsam, weil ja die Funktion des Gehirns die Menschen unmittelbar betreffen. Daher sei jede Art von Verständnis und auch therapeutischem Zugang zu diesem weiten Feld von ungeheurer Bedeutung. Die bisherige Bilanz der Neurowissenschaft sei großartig, so Menzel: "Zunächst einmal kennen wir heute die molekularen Bausteine des Gehirns bereits sehr gut. Zwar wurden sie nicht am Menschen entdeckt, doch finden sie sich auch hier wieder. Aufbau und Erregung von Nervenzellen, die Übertragung zwischen ihnen, wie Erregungen Gene aktivieren können und wie dies die Plastizität des Gehirn betrifft - all das, was auf der Zell- und Molekularebene wichtige Bausteine angeht, ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten in einem Maß erarbeitet worden, wie man es sich nicht hätte vorstellen können."

    Doch lägen große weiße Flecken bei der Erforschung des zentralen Nervensystems beispielsweise im Verständnis der Arbeitsweise von Neuronen als integrierte, informationsverarbeitende Netzwerke. Zwar wisse man, wo bestimmte Zentren im Gehirn liegen und dass diese Karte genügt, um die Funktionen des Gehirns und sein Produkt - den Geist - so zu verstehen, dass nichts Weiteres dazu angenommen werden müsse. "Aber wir verstehen heute nicht, wie diese Netzwerke zusammenwirken, welche Logik, welche Sprache sie haben und wie das im großen Verband von Milliarden Nervenzellen zu einem Ergebnis führt und Entscheidungen getroffen werden." Dabei sei Gehirnforschung keineswegs nur theoretisch. Es werde bei der Umsetzung in erste Anwendungen darum gehen, die Erkenntnisse in eine therapeutische Linie zu bringen, so Menzel. "Daraus könnte man Medikamente entwickeln, die viel gezielter eingesetzt werden können als bislang. Dann wird man degenerative Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson neuropharmakologisch zugänglich machen können." Auch Leiden wie Schizophrenie oder Krankheiten, deren Therapie heute mit schweren Nebenwirkungen einhergeht, werde man dann besser angehen können, hofft der Berliner Neurobiologe. Doch bis dahin sei es ein weiter schwieriger Weg, auf dem vermutlich noch Jahrzehnte zurückzulegen seien.

    [Quelle: Arndt Reuning]