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Schweden
Flüchtlings-Airline soll sicheren Weg garantieren

Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien können mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit darauf bauen, dass sie in Schweden Asyl bekommen. Und genau an dieser Stelle setzt die Initiative "Refugee Air" an. Sie will den Transport der Flüchtlinge per Flugzeug organisieren, um ihnen den gefährlichen Weg über das Mittelmeer zu ersparen.

Von Randi Häussler | 23.09.2015
    Blick aus dem Flugzeug: die Japanischen Alpen.
    Eine Initiative in Schweden möchte Flüchtlinge sicher ins Land bringen. (picture alliance / dpa / Peter Jähnel )
    Emad Zand trägt ein weißes T-Shirt, darauf der Hash-tag "Let them fly" – "Lass sie fliegen" – das Ziel von Refugee Air. Der 30-Jährige ist erfolgreicher Unternehmer in Schweden, hat ein umfangreiches Netzwerk – das ihm jetzt zugutekommt. Denn als er das Foto des ertrunkenen dreijährigen Jungen an einem türkischen Strand sah, war ihm klar, jetzt muss er eine Weile etwas anderes tun: Syrische Flüchtlinge sicher nach Schweden holen - mit dem Flugzeug.
    Bislang nehmen Fluggesellschaften Menschen ohne gültiges Visum nicht mit. Weil nämlich laut einer EU-Regel von 2001 die Airlines die Kosten für Übernachtung und Rückflug tragen müssen, wenn jemand nicht ins Land einreisen darf.
    "Aber wenn man sich den Gesetzestext genau durchliest, dann sieht man, dass de facto kein Risiko für die Airlines besteht in der jetzigen Situation, wo jeder Syrer in Schweden automatisch eine Aufenthaltsgenehmigung bekommt."
    Neben Emad Zand arbeiten fast 35 weitere Freiwillige in diesen Wochen ehrenamtlich für Refugee Air – unter ihnen auch juristische Teams, die sich zum einen um die Einreisefrage kümmern, auf der anderen Seite aber auch ausschließen wollen, dass die schwedische Flüchtlings-Airline sich als Schlepper schuldig macht. Doch Emad glaubt, dass sie solchen Vorwürfen standhalten können: Da die Organisation unentgeltlich arbeitet und die Flüchtlinge ihre Tickets selber kaufen sollen – was weniger sein dürfte als die horrenden Summen, die eine gefährliche Route über Land und Meer kostet.
    Die größte Herausforderung sei, syrische Flüchtlinge überhaupt an Bord eines Flugzeugs zu kriegen:
    "Warum gibt es kein System, das der Grenzpolizei am Flughafen zeigt: Das ist ein syrischer Bürger, in Schweden bekommt er Asyl, und deswegen hat er das Recht, an Bord dieses Flugs nach Schweden zu gehen. Wir brauchen ein System, das vor Ort den Flüchtlingsstatus der Menschen dokumentiert."
    Emad hofft, dass es irgendwann so einfach sein wird: Ein syrischer Flüchtling kommt zum Check-in, zeigt seinen Pass oder ein anderes Dokument, aus dem deutlich wird, dass er ein Flüchtling ist, legt sein Ticket für den Flug nach Schweden auf den Counter und darf dann an Bord gehen.
    Ein Modell, das Schule machen könnte
    "Unsere Idee ist es, den Ablauf vorzumachen, ein Flugzeug mit Flüchtlingen herzubringen, um damit zu zeigen, dass unser Modell, unsere Lösung funktioniert. Und dann kann dieses Modell nachgeahmt werden – Deutschland könnte seine eigene Flüchtlings-Airline haben und alle anderen Länder in Europa auch."
    Vielleicht, so Emad, könne man "Refugee Air" irgendwann auf andere Gruppen übertragen, zunächst richtet es sich allerdings an Syrer.
    Der Transport mit dem Flugzeug hätte für die Zielländer viele Vorteile:
    "Wenn uns das glückt, dann kommen die Menschen hoffentlich nicht mehr mit Booten. Wir hätten eine bessere Kontrolle darüber, wer kommt, denn wir werden Passagierlisten haben, wir werden vorher wissen, wie viele Leute kommen, woher sie kommen, ihre Namen – im Gegensatz zu heute, wo Boote mit Menschen ankommen und man überhaupt keinen Überblick hat."
    Jetzt kämen außerdem überwiegend Männer, sagt Emad, junge, starke Männer, die gute Chancen hätten, die Strapazen der langen Reise über Land und Wasser zu überstehen.
    "Alle Frauen und Kinder, die zurückbleiben, Ältere, Menschen, die zu schwach sind oder aus anderen Gründen nicht die Möglichkeit haben, die gefährliche Reise zu machen – sie sind es eigentlich, die am ehesten fliehen müssten. Und sie können nicht fliehen. Unser Refugee Air ist dazu da, um den Menschen zu helfen, die Hilfe sehr nötig haben."
    Wann genau der erste Flug starten wird, das wollen Emad und seine Mitstreiter nicht verraten. Um die Sicherheit des Personals vor Ort nicht zu gefährden – zu viele Menschen suchen eben verzweifelt nach einem Weg raus aus Krieg und Verfolgung.
    Doch dass der Flug starten wird, da ist sich Emad ziemlich sicher – die Chancen seien: "Groß!" - "Wie groß?" - "Groß!"
    Und ganz vage gibt er doch einen Hinweis auf den Zeitpunkt: Noch bevor der erste Schnee fällt soll der Flieger gehen. Und das kann in Stockholm immerhin schon im Oktober sein.