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Schweden wappnet sich
Wahlkampf ohne Fake News

Schweden wählt im September ein neues Parlament. Die Regierung von Ministerpräsident Löfven hat Sorge, dass Wählerinnen und Wähler durch falsche Informationen beeinflusst werden könnten. Deswegen greift die Regierung zu ganz neuen Methoden.

Von Carsten Schmiester | 30.05.2018
    Mit Kreide auf den Boden gemalt: Facts accept deny.
    Selbst in den Schulen sind Fake News ein großes Thema, kritische Mediennutzung wird unterrichtet. (Seleneos | photocase / Vera Pache)
    Es ist kein Zufall, dass die schwedische Zivilschutzbehörde MSB gerade erst eine zuletzt in den 1960er Jahren an alle verteilte Broschüre neu aufgelegt hat und sie in dieser offiziell so genannten "Krisenbereitschaftswoche" an 4,8 Millionen Haushalte verschickt. Es gibt sie in 13 Sprachen und auch online natürlich. "Om krisen eller kriget kommer" heißt sie, wenn es eine Krise oder Krieg gibt. Die Botschaft: Lange haben wir es vergessen, aber Schweden ist bedroht. Von innen und außen und besonders vor Wahlen, die in diesem Jahr am 9. September sind. Susanna Trehörning ist bei der Geheimpolizei Säpo für die Sicherung des Wahlkampfes zuständig:
    "Wir arbeiten in ganz unterschiedlichen Bereichen. Es geht zum Beispiel um einheimischen Extremismus, wie Autonome und die Weiße Machtbewegung möglicherweise die Wahlen angreifen wollen. Ein anderer Aspekt ist die Bedrohung durch andere Länder und wie diese heimlich Einfluss auf Schweden nehmen könnten. Uns geht es um den Schutz der zentralen Staatsfunktionen und des Regierungsapparates."
    Moskau schürt Nervosität
    Das mit dem "andere Länder" ist natürlich diplomatisch formuliert. Es geht vor allem um die Sorge, dass sich Moskau einmischt. Militärische Provokationen wie Flüge russischer Kampfjets bis an, manchmal auch über die Grenze des schwedischen Luftraumes passieren immer wieder, die Marine ist ständig auf der Suche nach russischen U-Boot-Sehrohren in den Schären. Und diese Nervosität ist seit der Krim-Annexion und der Ukraine-Krise weiter gewachsen. Professor Robert Egnell lehrt und forscht an der Militärhochschule und leitet dort das Institut für Sicherheit, Strategie und Führung. Für ihn steht fest, dass es neben diesen gewohnten Mitteln der Verunsicherung inzwischen auch wesentlich subtilere, neue gibt.
    "Es gibt keinen Zweifel daran, dass Russland systematisch und effektiv mit Fake News arbeitet, um andere Staaten zu beeinflussen."
    Also steht auf Seite 6 der Krisen- und Kriegsbroschüre, wie sich Schweden gegen gezielte Desinformation wehren sollen. Ein paar Auszüge: "Frage dich, ob du es mit Fakten oder mit Meinung zu tun hast", "ist die Quelle vertrauenswürdig, gibt es die Informationen gleichlautend auch anderswo?" oder "glaube keinen Gerüchten und verbreite sie erst Recht nicht weiter"!
    Auch Schüler werden sensibilisiert
    Damit gibt es wohl genug öffentliche Aufklärung. Und auch in den Schulen sind Fake News ein großes Thema, kritische Mediennutzung wird unterrichtet und sogar die Kleinen sind dem Problem schon begegnet. "Bamse", Schwedens beliebtester Comic-Bär hatte im vergangenen Jahr ein ganzes Heft zum Thema. In der Geschichte "Bamse und die dunklen Wälder" ging es um Fake News im Internet. Bamses Freund Klein Hops, das ängstliche Kaninchen, hatte irgendwo gelesen, dass der Donnerhonig bei Bamse nicht mehr wirkt und er damit wohl nie wieder bärenstark sein würde. "Kennst Du die Quelle", fragte Schalenmann, die schlaue Schildkröte, "hast du nachgeforscht, wer das behauptet?" Hatte Bamse natürlich nicht! Und dann stellte sich heraus, dass die Sache von seinen Feinden, von zwei Wühlmäusen, erfunden worden war, eine glatte Lüge!
    Man darf also annehmen, dass in Schweden wirklich alle Menschen die Gefahr kennen. Viele Medien bieten dazu Faktenchecker-Rubriken an, in denen Falschberichte enttarnt werden, Polizei und Geheimpolizei fahnden nach Netzwerken, die möglicherweise dahinter stehen. Doch während da alle schon wiederreflexartig nach Moskau schielen, hält Professor Egnell seinen Schweden den Spiegel vor:
    "Ich finde, wir sollten die Einflussnahme ernst nehmen, aber ich mache mir mehr Sorgen um die schwedische Gesellschaft und unsere inneren Probleme wie die Polarisierung und ein immer ruppigeres Diskussionsklima. Das bedroht unser System und unsere Demokratie, es sind nicht primär fremde Mächte. Die können lediglich den Prozess vorantreiben, aber die Probleme sind hausgemacht."