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Schweigen der FIFA

Die ganze Welt diskutiert über die haarsträubenden Schiedsrichterfehler bei dieser WM. Hunderte Millionen Menschen haben gesehen, dass Englands reguläres Tor aberkannt und Argentiniens irreguläres Tor anerkannt wurde. Doch der Weltverband FIFA bleibt bei seiner starren Haltung, technische Hilfsmittel wie den Videobeweis nicht zuzulassen.

Von Jens Weinreich | 28.06.2010
    Die FIFA schweigt. Einige der wichtigsten Funktionäre dieser WM wollten sich auf Anfrage des Deutschlandfunks nicht zu den vielen spielentscheidenden Fehlentscheidungen äußern. Issa Hayatou, WM-Organisationschef und Vizepräsident der FIFA, sagt nur, dass er gar nichts dazu sagen will: "Ein andermal vielleicht!”

    Im FIFA-Hotel Michelangelos Towers geht es geruhsam zu. Nach einem entspannten Lunch im "FIFA Club" erklärt auch Exekutivmitglied Ángel María Villar Llona aus Spanien, Chef der FIFA-Schiedsrichterkommission, dass er nichts kommentiert: "Von mir hören Sie kein einziges Wort.”

    Vizepräsident Chung Mong-Joon, der Hyundai-Milliardär, UEFA-Präsident Michel Platini oder FIFA-Präsident Joseph Blatter - alle sind sie schwer beschäftigt mit Speis und Trank und Ruhepausen. Kein Kommentar zum weltbewegenden Thema. Auf der täglichen Pressekonferenz in Johannesburg wird es gänzlich absurd, als FIFA-Sprecher Nicolas Maingot behauptet: Es sei nicht "der richtige Ort, eine Schiedsrichter-Debatte zu eröffnen”.

    Die FIFA verweist auf eine Stellungnahme vom März, als beschlossen wurde, keine technischen Hilfsmittel zuzulassen. Inhaltlich ist diese Stellungnahme vom WM-Verlauf as absurdum geführt worden. Hat doch FIFA-Chef Blatter damals behauptet, "Zeitlupeneinstellungen” brächten "keine Klarheit." Diese WM bewies mehrfach das Gegenteil.

    Am Dienstag gibt es einen weiteren Medientermin mit den WM-Schiedsrichtern. Sie sind das schwächste Glied in der Kette. Sie machen die Arbeit, sie machen Fehler, sie können irren. Doch die Technik darf ihnen nicht helfen. Zu den Spielen dürfen sie sich nicht äußern. Grundsätzlich zur Frage des Videobeweises schon. So sagte Deutschlands WM-Referee Wolfgang Stark kürzlich dem Deutschlandfunk:

    #"Also ich denke, da hat auch die FIFA die richtige Entscheidung getroffen, eben diese technischen Hilfsmittel, die nicht hundertprozentig eben Aufschluss geben, beiseite zu räumen. Man soll es dabei lassen. Fußball ist im Grunde genommen ein einfaches Spiel. Und diese Einfachheit, die soll weiter gewahrt bleiben.”#

    Der Schweizer WM-Schiedsrichter Massimo Busacca, der nach einem Platzverweis für Südafrikas Torhüter schwer kritisiert und wohl auch bedroht wurde, sagt:

    #"Ich denke, Fußball war immer schon ein Sport, in dem Fehler passieren. Ich denke, dass müssen wir akzeptieren.”#

    Es fällt auf, dass sich immer nur ehemalige Schiedsrichter zum Technik-Einsatz bekennen. Die aktuellen Unparteiischen aber riskieren mit öffentlicher Kritik ihre Karriere. Sie sind in ein System eingebunden, das Fehler nicht korrigiert und damit den sportlichen Verlauf der WM verfälscht.